Von Dr. Manuel Ruoff
Vor 60 Jahren stiftete der Bundespräsident den Bundesverdienstorden
Stärker noch als die Weimarer Republik nach dem Kaiserreich verstand sich die Bundesrepublik nach dem Dritten Reich als ziviles, bürgerliches, friedfertiges Gegenmodell zu dem als militaristisch empfundenen Vorgängerstaat beziehungsweise
-system. Hierzu gehörte ein sehr sparsamer Umgang mit Uniformen, Orden und anderen Staatssymbolen. Während Weimar gänzlich auf Orden verzichtete, kam die Bundesrepublik nur zwei Jahre ohne aus. Anfänglich versuchte Nachkriegswestdeutschland, statt mit Orden mit wertvollen Sachgeschenken seinen Dank zum Ausdruck zu bringen.
Der erste Bundespräsident Theodor Heuss monierte jedoch, dass Porzellanservice oder Ähnliches sich ja nicht an den Frack hängen ließen. Auch der erste Bundeskanzler Konrad Adenauer vermochte einem Verdienstorden des neugeschaffenen Staates Positives abzugewinnen. Wäre er doch eine Hilfe, „breite Volksschichten in eine innere Verbundenheit zum heutigen Staat zu bringen“. Gerade diese fehlende Anhänglichkeit der Bevölkerung war der ordenslosen Weimarer Republik ja schließlich zum Verhängnis geworden. Nicht umsonst spricht man bezüglich Weimar von einer Republik ohne Republikaner.
Auch die sozialdemokratische Opposition stand einem Verdienstorden nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber. Wenn es denn aber den Sozialdemokraten wegen Adenauers Wahlerfolgen schon nicht vergönnt war, kurzfristig in Deutschland die klassenlose Gesellschaft zu realisieren, so wollten sie diese doch wenigstens in der Ordensgemeinschaft realisiert sehen. Spätestens Weimar hatte gelehrt, dass nationale Symbole nur dann integrierend wirken können, wenn über sie Konsens besteht, und so wurde aus Rücksicht auf die Sozialdemokraten auf die bei Orden meist übliche Klasseneinteilung verzichtet.
Am zweiten Jahrestag der Bundesrepublik Deutschland stiftete deren oberster Repräsentant „in dem Wunsche, verdienten Männern und Frauen des deutschen Volkes und des Auslandes Anerkennung und Dank sichtbar zum Ausdruck zu bringen“, den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. Da ungeachtet der von den Sozialdemokraten gewünschten Klassenlosigkeit einige Ordensträger gleicher sein sollten, wurde als (verlogene) Lösung eine ungewöhnliche Einteilung in Stufen gewählt, wobei man sich mehr oder weniger an der traditionellen Klasseneinteilung orientierte und im Laufe der Anfangsjahre zusätzliche Stufenunterteilungen einführte.
Ursprünglich stand ganz unten das Verdienstkreuz am Bande. Es folgte das an der Brust zu tragende Steckkreuz, das später in Verdienstkreuz 1. Klasse umbenannt wurde.
Oberhalb des Verdienstkreuzes rangiert das Große Verdienstkreuz. Dieses Große Verdienstkreuz wird von Herren am Halsband und von Damen an der Damenschleife getragen. Das nächstfolgende Große Verdienstkreuz mit Stern beinhaltete einen zusätzlichen vierzackigen Bruststern und wurde 1952 noch einmal unterteilt in das Große Verdienstkreuz mit Stern und das Große Verdienstkreuz mit Stern und Schulterband.
Es folgt das Großkreuz. Bei ihm ist der Bruststern sechszackig und das Schulterband mit Bundesadlern durchwirkt. An der Spitze steht seit 1955 die Sonderstufe des Großkreuzes. Bei ihr hat der Stern acht Spitzen und sind die Bundesadler auf der Schärpe seit 1977 von Hand gestickt. Die Sonderstufe wird grundsätzlich nur an amtierende Staatsoberhäupter und deren Ehegatten verliehen. Eine Ausnahme bildet Michail Gorbatschow, der bei seiner Auszeichnung 1999 schon nicht mehr Staatsoberhaupt war.
Wie bereits im Zusammenhang mit dem Großen Verdienstkreuz mit Stern erwähnt, tauchte in den Jahren nach der Stiftung des Verdienstordens der Wunsch nach zusätzlichen Unterteilungen beziehungsweise Ausdifferenzierungen auf. Obwohl Adenauer sicherlich der für die Bundesrepublik prägendste Deutsche war, war für ihn mit dem Großkreuz grundsätzlich Schluss, da er nie die Weihen eines Staatsoberhauptes erreichte. Allerdings wurde für ihn 1954 ein Großkreuz in besonderer Ausführung geschaffen. Bei diesem ist der goldene Schild mit dem Bundesadler im Zentrum des gold eingefassten roten Kreuzes von einem ebenfalls goldenen Lorbeerkranz umgeben. Zudem ist die Rückseite des Schulterbandes rot unterfüttert. Außer Adenauer wurde auch dessen selbsternannter Enkel Helmut Kohl zum Abschluss von dessen politischer Karriere 1998 auf diese besondere Weise geehrt.
Auch am unteren Ende der Skala wurde das Stufensystem weiter ausdifferenziert. Als neues Einstiegsmodell wurde 1955 die Verdienstmedaille geschaffen. Zusätzliche Exklusivität für die höheren Stufen wurde 1966 durch die Einführung strengerer Maßstäbe für die Ordensverleihung geschaffen, welche das Überspringen von Ordensstufen zur Ausnahme machte.