Von Hans-Peter Kurr
Zwar wurde ein anderes zum „Unwort“ des Jahres 2009 erkoren, aber es hätte auch „Schweinegrippe“ den fragwürdigen Lorbeer erringen können, jener bis dato vollständig unbekannte Begriff für eine besonders seltene Influenza-Variante, die einem bestimmten Industriezweig im Verlauf der zurückliegenden Monate und international gewiss einen Zusatzverdienst in Milliardenhöhe eingebracht haben dürfte, dessen publikatorische Vernetzungen imstande waren, der gesamten Menschheit oder doch zumindest deren in den – fälschlicherweise so genannten – „zivilen Zonen“ lebenden Teil Angst einzuflössen vor der Gefahr einer weltweiten Verseuchung, die sämtliche Auswirkungen einer mittelalterlichen Pest-Pandemie übertreffen sollte.
Wer hätte gedacht, dass sich eine der Quellen, die den Initiatoren dieser unmoralischen Aktion zur Nachahmung verfügbar waren, bereits beim griechischen Geschichtsschreiber Herodot finden. Dessen Leben begann um 500 ante Christum natum, seine Informationen sind also etwa zweieinhalbtausend Jahre alt. Er berichtet uns nach einer seiner zahlreichen Reisen an den Nil darüber, dass ein Ägypter, der im Vorübergehen ein Schwein auch nur berührt habe, in den Fluß steige, um sich und seine Kleidung stante pede zu säubern. Wörtlich heißt es da in Eberhard Richtsteiges deutscher Übersetzung des zweiten Buches der „Historien“:
„Schweinehirten betreten als einzige unter den Ägyptern, obwohl sie Einheimische sind, kein einziges Heiligtum, und niemand will ihnen seine Tochter zur Frau geben noch eine von ihren Töchtern heimführen; so geben die Schweinehirten ihre Töchter nur untereinander in die Ehe oder heiraten sie. (…) Auch den Göttern schlachtet jeder Bürger an einem Festtag ein Ferkel vor seiner Tür und läßt es dann von demjenigen Schweinehirten wegtragen, der es ihm verkauft hat. (…) Das alles hörte ich von den Priestern in Theben.“
Oh, schweinegrippige sancta simplicitas!