von Uta Buhr
Wer den beeindruckenden Bildband „Europas Atlantikküste“ der beiden bekannten Fotografen Michael Pasdzior und Peter Haefcke auf sich hat wirken lassen, sollte sich die Ausstellung in der Hafencity nicht entgehen lassen. Das denkmalgeschützte rote Backsteingebäude mit seinen zahlreichen Exponaten zu 3000 Jahren Schifffahrtsgeschichte ist genau der richtige Ort für diese einzigartige Sonderausstellung. Eine Kunstexpertin sprach begeistert von „Bildern, die Wellen schlagen.“
Zwei befreundete, an der „Waterkant“ aufgewachsene und vom Meer faszinierte Fotografen haben das Projekt der europäischen Atlantikküste entwickelt und in einem mehrjährigen Zeitraum gemeinsam bereist. Herausgekommen ist ein Kaleidoskop großartiger Ansichten der verschiedenen Länder an den Gestaden des Atlantiks.
Die Küstenstreifen Portugals, Spaniens, Großbritanniens, Irlands und Islands werden in all ihren Facetten in kraftvollen Bildern – manche von ihnen voller Poesie – porträtiert. Das abendliche Soulac-sur-Mer in der Aquitaine ist so plastisch dargestellt, dass der Zuschauer im Geiste bis zum kleinen Tempel am Ende der Straße spaziert. Einen Kontrast zu dieser Idylle bildet die Ansicht des englischen Seebades Brighton, wo sich neben schönen alten Hotelfassaden Stoßstange an Stoßstange drängt. In Keiss Castle in Schottland, einer verwunschenen, mit Zinnen und Türmen bewehrten kleinen Burg, wird jeder Betrachter auf Anhieb einen Schlossgeist vermuten. Soviel in Kürze zur farbigen Seite der Ausstellung, die Michael Paszdiors künstlerisches Können dokumentiert.
Für die im wahrsten Sinne fantastischen, zuweilen düster und unheimlich anmutenden schwarz-weißen Fotos zeichnet Peter Haefcke verantwortlich. Wie Skulpturen aus der Urzeit wirken die aufgetürmten Gesteinsschichten im isländischen Jökulsárión. Der verhangene Himmel mit den dahin jagenden Wolken schafft eine bedrohliche Atmosphäre. Wohlbefinden schafft hingegen die bezaubernde Silhouette einer jungen Isländerin, die ein Tablett mit einem Mokkaservice in ihren Händen hält und gedankenverloren zu den nahen schneebedeckten Hügeln von Skagafjöröur blickt. Ein Bild wie aus einem Werk des isländischen Schriftstellers und Literaturnobelpreisträgers Halldór Laxness (Romanempfehlung „Fischkonzert“).
Wer sich ein bis zwei Stunden Zeit für die Ausstellung nimmt und gedanklich in die Vielschichtigkeit der Bilder vordringt, wird einiges über unsere europäischen Nachbarn an den Küsten des Atlantischen Ozeans und ihre Befindlichkeiten erfahren.
Die Ausstellung läuft noch bis zum 30. Oktober 2016
Im Zusammenhang mit der Ausstellung möchte ich noch auf den bereits eingangs erwähnten Bildband hinweisen. Er besticht allein durch die Fotos auf den Schutzumschlägen. Die farbige Version zeigt die regnerische Promenade von Zarautz im Baskenland. Welcher Fotograf hat schon den Mut, eine Ferienlandschaft bei Regen zu präsentieren. Michael Pasdzior hatte den richtigen Instinkt, gerade dieses Foto auf das Cover zu stellen. Das surrealistisch anmutende Szenario erinnert in seiner Statik an den berühmten belgischen Maler Paul Delvaux. Den Gegenpol zu Pasdziors Farbsymphonie bildet der in schwarz-weißer Fotografie gestaltete Umschlag von Peter Haefcke. Er zeigt eine zerklüftete Felswand in tosender Brandung. Und über dieser Tristesse spannt sich ein Regenbogen. Chapeau für diese beiden außergewöhnlichen Fotografen!
„Europas Atlantikküste“, 240 Seiten, erschienen im Koehler Verlag, Hamburg, kostet € 49,90