Erschienen im Hamburger Abendblatt
Von Lilo Hoffmann
Als ich vor vielen Jahren zum ersten Mal den Ausspruch „weniger ist manchmal mehr“ hörte, fand ich ihn sehr tiefsinnig. Lag nicht eine große Weisheit darin? Von nun an benutzte ich diese Redewendung oft und gern und erntete dafür Beifall – wenn auch zuweilen sehr verhalten
Die Zeit verging und ich hörte diesen Spruch so häufig, dass ich auf einmal den Eindruck hatte, es handle sich hierbei nur um eine Floskel ohne jeglichen Inhalt. Oder konnte es sein, dass die Wirkung philosophisch anmutender Äußerungen verpufft, wenn sie immer wieder zitiert werden?
Aber ist denn weniger wirklich mehr? Wenn jemand weniger Gehalt bekommt als bisher, kann man bestimmt nicht von „mehr“ sprechen. Arbeitet aber jemand (freiwillig) weniger, kann dies durchaus ein Gewinn sein. Er verdient zwar auch dann in der Regel weniger, erhält jedoch ein Mehr an Lebensqualität.
Aufschneider und Wichtigtuer könnten ebenfalls von dieser Redensart profitieren. Würden sie sich weniger krampfhaft darum bemühen, ihre Mitmenschen auf sich aufmerksam zu machen, erhielten sie vielleicht eher die Anerkennung, die sie sich so sehr wünschen.
Ähnliches kann Männern empfohlen werden, die im Übermaß um eine Frau buhlen. Nach dem ersten Treffen täglich zehn E-Mails zu schicken, ist garantiert zu viel des Guten. Weitere Beispiele dieser Art gibt es etliche.
Meine Betrachtung möchte ich an dieser Stelle dennoch beenden, denn Sie wissen ja: „Weniger ist manchmal mehr.“