Weiße Nächte im Baltikum

Dieser Artikel erschien am 30. Mai in der PAZ und am 21. Juni 2015 in der SaS
Von Uta Buhr
Wenn aus Nord- plötezlich Südländer werden – Mittsommer in Stockholm und Helsinki

Blick vom Pier auf Riddarholmskyrkan, die königliche Begräbniskirche
Blick vom Pier auf Riddarholmskyrkan, die königliche Begräbniskirche

Strahlender Sonnenschein liegt an diesem späten Junitag über der Ostsee. Langsam gleitet die „Mariella“ in den Hafen von Stockholm. Die schwedischen Passagiere an Bord der Fähre der Viking Line sind aufgeregt. Zum „Midsommar“ wollen sie alle zu Hause sein und die weißen Nächte ausgiebig feiern. Doch zuvor geht es noch auf Tour kreuz und quer durch die auf Schären, Inseln und Halbinseln gelegene Stadt. Vor dem königlichen Schloss drängen sich die Besucher. Eine japanische Lehrerin schwingt ihren roten Schirm und bedeutet dem Tross weiß bestrumpfter Schulmädchen, ihr zu folgen. „Holiday in Sweden. Midsummer nice“, erklärt sie den Umstehenden und schießt schnell noch ein paar Fotos. In einem weiteren Hotspot – dem Rathaus, wo jährlich die Nobelpreise verliehen werden – herrscht babylonisches Stimmengewirr. Ahs und Ohs entlockt der prachtvolle Goldene Saal den Besuchern. „Hier schwingen die Nobelpreisträger nach dem Dinner das Tanzbein“, erzählt der Guide. „Einer der eifrigsten Tänzer war 1999 Günter Grass.“ Ein Rundgang führt zur im verspielten Rokoko errichteten Börse und am Königlichen Theater vorbei. Ein Sprung noch ins Abba-Museum und ein Abstecher nach Schloss Drottingholm auf der Insel Lovón, wo die königliche Familie sich gern im Sommer aufhält. Jetzt ist Eile angesagt. Die Fähre nach Helsinki sticht in einer halben Stunde in See. Die Stimmung an Bord ist grandios. Da wird bei Tanz und Gesang die Nacht zum Tage gemacht.

Dom mit dem Denkmal Zar Alexanders II.
Dom mit dem Denkmal Zar Alexanders II.

Als am nächsten Morgen der Weckruf erschallt, heißt es raus aus den Federn und mitten hinein ins pralle Leben der finnischen Hauptstadt. Helsinki im Sommertaumel! Eine Stadt, die Tag und Nacht brummt und keinen schlafen lässt. Die Straßen quellen über von fröhlichen Menschen. Auf den Stufen des ehrwürdigen Domes genießen Einheimische und Touristen ein Sonnenbad, während sich lange Schlangen vor den Eisständen in der Mitte des Platzes bilden. „Was ihr hier erlebt, sind die typischen Sommer-Finnen“, erklärt unsere Begleiterin Leena. „In den hellen Sommermonaten kommen auch wir kühlen Nordländer so richtig in Fahrt und genießen das Leben im Freien. Da werden wir zu Südländern.“ Im Augenblick sind Straßen und Plätze bis in die frühen Morgenstunden belebt. Selbst um drei Uhr spucken Busse noch Pulks nimmermüder Menschen aus. Ein beliebter Treffpunkt ist die Esplanade, kurz „Espa“ genannt, eine gepflegte Grünanlage mit sprudelnden Springbrunnen und schicken Cafés. „Bevor die grüne Lunge Helsinkis 1812 nach den Plänen des Berliner Architekten C.L. Engel angelegt wurde, weideten hier Schafe“, erzählt Leena , während wir gemütlich in Richtung Marktplatz, zum direkt am Hafen gelegenen Herzstück Helsinkis, schlendern. Im Schatten der in Rot, Blau und Gold erstrahlenden russisch-orthodoxen Kathedrale geben sich die Bürger an den Kaffeebuden und Fischständen ein Stelldichein. Selbst im Winter bei Eis und Schnee ist hier viel los, sagt Leena. „Aber daran wollen wir an diesen nicht enden wollenden Tagen gar nicht denken.“ Recht hat sie.
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