erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Norwegens Nationalfeiertag erinnert an die Verfassung von Eidsvoll
Dänen und Schweden verbindet ihr Skandinaviertum. Aber in den napoleonischen Kriegen standen sie schließlich auf unterschiedlichen Seiten. Großbritanniens Aggressivität aus Zweifel an der Neutralität Dänemarks führte die Dänen in Napoleons Lager, während mit Jean-Baptiste Bernadotte ausgerechnet ein Marschall Bonapartes in seiner Eigenschaft als Kronprinz Schwedens die Schweden in das Lager der antinapoleonischen Koalition führte.
Bonapartes Gegner obsiegten schließlich und so musste sein dänischer Verbündeter im Kieler Frieden vom 14. Januar 1814 Norwegen an Schweden abtreten. Die Norweger waren jedoch nicht bereit, sich so ohne Weiteres als Kriegsbeute der Schweden von diesen vereinnahmen zu lassen. Wie anderswo in Europa hatten die Französische Revolution und die nachfolgenden Kriege auch in diesem Land ein Nationalbewusstsein erwachsen lassen. Zu dem Staatsorgan der norwegischen Nationalbewegung entwickelte sich dabei der Reichstag. Maßgebliche Unterstützung erhielt die norwegische Nationalbewegung dabei von einem Ausländer, dem dänischen Gouverneur. Hierbei handelte es sich um niemand
Geringeren als den damaligen dänischen Kronprinzen Christian Friedrich und späteren dänischen König von 1839 bis 1848 Christian VIII.
Der Däne verspürte kein Bedürfnis, das ehemalige Land seines Vaters widerstandslos den schwedischen Kriegsgegnern von einst zu überlassen. Lieber wollte er es in die Unabhängigkeit führen, mit sich selbst als König. Christian Friedrich kam dabei seine Beliebtheit bei den Norwegern zugute. So hatte er bereits vor seiner Berufung zum Statthalter den norwegischen Wunsch nach einer eigenen Universität im heutigen Oslo gegen den dänischen König unterstützt. „Hoffnung zweier Länder“, also auch Norwegens, wurde er deshalb genannt.
Fünf Tage nach dem Verzicht des dänischen Königs auf den norwegischen Thron im Kieler Frieden berief Christian Friedrich mit dem Anspruch, Regent zu sein, eine Reichsversammlung zur Ausarbeitung einer Verfassung ein. Diese Reichsversammlung tagte vom 11. April bis zum 20. Mai 1814 in Eidsvoll und arbeitete auftragsgemäß eine Verfassung aus, die Christian Friedrich am 17. Mai 1814, dem Tage seiner Proklamation zum norwegischen König, unterzeichnete.
Den Dänen war ein unabhängiges Norwegen unter ihrem Kronprinzen lieber als ein schwedisches, aber den Schweden nicht. Letztere reagierten ab dem 26. Juli mit dem sogenannten Norwegischen Feldzug, der den Norwegern ihre militärischen Grenzen aufzeigte. Dieser Schwedisch-Norwegische Krieg endete am 14. August 1814 mit der Konvention von Moss. Christian Friedrich musste auf den norwegischen Thron verzichten und die Norweger den Schwedenkönig als den ihren anerkennen.
Außer durch diese Personalunion verband fortan auch eine gemeinsame Außen- und Verteidigungspolitik die beiden Länder. Statt auf den dänisch-schwedischen Kieler Frieden fußte Schweden seine Ansprüche auf beziehungsweise gegen Norwegen fortan auf diese norwegisch-schwedische Konvention von Moss. Damit war Norwegen vom Objekt zum Subjekt geworden und die kurze Zeit der Souveränität unter Christian Friedrich ab dem 17. Mai anerkannt. Mindestens ebenso wichtig war jedoch, dass die Verfassung vom 17. Mai, abgesehen von Anpassungen an die Union mit Schweden, beibehalten blieb. Dieses rechtfertigt umso mehr die Wahl des 17. Mai zum Nationalfeiertag, als die Verfassung von Eidsvoll seinerzeit als die modernste Verfassung Europas galt und das heutige moderne Norwegen geprägt hat.