Von Dr. Manuel Ruoff
Das Mount Rushmore National Memorial wird 70 Jahre alt
Es entspricht so trefflich dem Zerrbild vom materialistischen US-Amerikaner, für den alles Geschäft ist: Während in anderen Ländern Symbole und Wahrzeichen der Nation mit dem Aufkommen des Massentourismus zu Touristenattraktionen geworden sind, haben die US-Amerikaner eine Touristenattraktion zum Nationalheiligtum erkoren. Die Rede ist vom Mount Rushmore National Memorial.
Landestypisch für diesen Staat, in dem alles eine Nummer größer ist, sind auch die Ausmaße. Deutlich wird das im Showdown, dem dramatischen Finale des Hitchcock-Klassikers „Der unsichtbare Dritte“, in dem Cary Grant und Eva Marie Saint in dem Monument auf der Flucht vor den Verbrechern um ihr Leben kraxeln. Immerhin 18 Meter sind die Köpfe der vier US-Präsidenten George Washington, Thomas Jefferson, Theodore Roosevelt und Abraham Lincoln hoch.
Typisch für das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ sind auch die modernen Mittel, mit denen die vier Präsidentenköpfe aus dem Berg mit dem Namen Mount Rushmore herausgeschält wurden. Mit Hammer und Meißel, klassischen Werkzeugen eines bildnerischen Künstlers, wurde hier nur die Feinarbeit gemacht. Bei diesen Größenordnungen mussten gröbere Mittel verwendet werden, wollte man mit den rund 400 Mann auskommen, die zur Verfügung standen. So kamen Presslufthammer und Dynamit zur Anwendung. Neun Zehntel der rund 450000 Tonnen abgeschälten Gesteins wurden mittels Sprengstoff entfernt. Folgerichtig kamen bei diesem Kunstwerk auch in hohem Maße Minenarbeiter zum Einsatz, für welche die überirdische Arbeit an einem Nationalmonument sicherlich eine interessante Abwechslung darstellte. Gelobt wird denn auch die Loyalität der an dem Werk beteiligten Arbeiter.
Mehr als zwei Millionen Besucher des Mount Rushmore National Memorial pro Jahr machen den Tourismus zur zweitwichtigsten Wirtschaftsbranche des US-Staates Süd-Dakota. Damit ist die Rechnung von Doane Robinson aufgegangen. 1923 schlug Süd-Dakotas Minister für Geschichte vor, mit in den Stein gehauenen Personendarstellungen Touristen in den strukturschwachen Prärie-Staat zu ziehen.
Er gewann John Gutzon de la Mothe Borglum für das Projekt, der sich durch seine Arbeiten am Stone Mountain Memorial in Georgia bereits als Fachmann für derartige Großprojekte profiliert hatte. Auf Borglum geht die Wahl von Mount Rushmore zurück sowie die Darstellung von für die US-Geschichte bedeutenden Präsidenten statt der vom Minister vorgesehenen profanen Westernhelden und Indianer. Damit trug er wohl maßgeblich dazu bei, dass die Touristenattraktion zum „Heiligenschrein der Demokratie“ wurde, zu dem der US-Amerikaner in seinem Leben genauso muss wie der Moslem nach Mekka.
Am 10. August 1927 wurden die Arbeiten mit einer feierlichen Ansprache des damaligen US-Präsidenten, Calvin Coolidge, aufgenommen. Der Republikaner ist auch dafür verantwortlich, dass das Monument neben dem ersten Präsidenten zwei seiner Parteifreunde und nur einen Demokraten zeigt.
Wegen Geldmangel zogen sich die Arbeiten in die Länge. Als Borglum im Alter von immerhin schon 73 Jahren am 6. März 1941 starb, war sein Werk noch unvollendet. Genau genommen blieb es das auch, denn wichtige Teile seiner Planung blieben unrealisiert. So sollten die Präsidenten eigentlich bis zur Taille dargestellt werden. Und ein in den Berg eingearbeitetes Archiv sollte Dokumente von nationaler Bedeutung aufnehmen. Es fehlte jedoch das Geld und so wurden die Arbeiten noch in Borglums Todesjahr eingestellt. Nolens volens wurde das Werk mit der Einstellung der Arbeiten am 31. Oktober 1941 für vollendet erklärt. Immerhin waren die Häupter ja bereits fertiggestellt, was dieser Interpretation eine gewisse Berechtigung verleiht.