erschienen im Hamburger Abendblatt am 20. Juni 2011
Von Johanna R. Wöhlke
Umziehen kann eine Qual sein. Neulich sagte ein Freund: Dreimal umziehen ist wie einmal abgebrannt. Das hört sich nicht nach guten Erfahrungen an. Ich lasse meinen Blick durch meine Wohnung gleiten und – ich stelle mir vor, all das müsste ich einpacken und an einen anderen Ort schaffen: den Gläserschrank samt Inhalt, überhaupt alle Schränke samt Inhalt: das Geschirr, die Vasen, den Weihnachtsschmuck, den Osterschmuck, Geschenktes, Aussortiertes und doch Aufgehobenes über Jahre, den ganzen Boden voll, voll mit bislang nicht zu entsorgenden Erinnerungen – alles in vielen Jahren Angesammelte, alles Herumstehende halt und – die Bücher, all die Bücher. Mich befällt ein Gefühl des Grauens, na ja, fast ein Gefühl des Grauens! Ich will nicht umziehen müssen mit all dem. Ich will bleiben, wo ich bin!
Das geht wohl nicht immer – und auch das ist gut so! Es ist nun mal im Leben ein ewiges Spiel zwischen Verharren und Veränderung, beides im positiven Sinn gesehen. Es geht nicht ohne Umziehen, es geht nicht ohne Eingewöhnen und Bleiben, Bleiben im Fremden, das wieder vertraut werden wird – und manchmal doch auch nicht.
Kinder spüren das immer besonders deutlich, weil sie es noch nicht so gut wie wir gelernt haben, mit zu Beginn als unbequem empfundenen Veränderungen umzugehen: die alten Freunde und Freuden, wo sind sie? Die alten, vertrauten Wege, wie werden die neuen sein?
Mir fällt ein, heute muss ich einige Pflanzen „umziehen“ – sie benötigen neue Töpfe. Sie sind zu groß geworden und benötigen mehr Platz, mehr Raum, um sich zu entfalten und zu wachsen. Mit denen kommuniziere ich nicht darüber, ob es ihnen passt oder nicht. Sie müssen! Umzugszwang…liebe Pflanzen, nicht mit mir meckern bitte, keine „Blattrevolution“, keinen „Blattwiderstand“: Ihr bleibt ja in derselben Wohnung!