Neuerscheinung: „ChilehausStory: 100 Jahre einer Hamburger Legende

S 272 Eingang Portal C mit Schiffskeramik ©Foto_Michael Batz

Von Hartmut Höhne (Gastautor)  und Maren Schönfeld

Seit es 2015 zum UNESCO-Welterbe erklärt wurde, ist das „Herzstück des Kontorhausviertels“[i] immer wieder Gegenstand neuer Publikationen, sei es in Form von Artikeln oder Büchern. Die außergewöhnliche Bauweise fasziniert Hamburger und Touristen gleichermaßen. Ein Hauch vergangener Zeiten weht einen beim Betreten eines der alten Treppenhäuser an. Das „Manufactum“-Geschäft hat hier einen adäquaten Standort. Ein umtriebiger Geschäftsmann hatte allerdings bereits 1920 hier sein „Bandagen und Gummiwaren“-Geschäft: Iwan Budnikowski.

Vor 100 Jahren wurde das Chilehaus seiner Bestimmung als Kontorhaus-Domizil der Hamburger Kaufmannschaft übergeben. Am 1. April 1924 bezogen die ersten Firmenmieter ihre Büros. Noch heute lässt sich in den Foyers der Aufgänge an dekorativ gestalteten keramikgerahmten Adresstafeln ablesen, welche Unternehmen hier einst ansässig waren. Architektonisch ist das Chilehaus sicher das markanteste Beispiel für den norddeutschen Backsteinexpressionismus. Durch seine bloßen Abmessungen und die beeindruckende Formensprache galt das Gebäude überdies als Symbol des Aufbauwillens nach dem Krieg, entstanden mitten zur Zeit der übelsten Inflation.

S 134 Iwan Budnikowsky 1920er Jahre ©Iwan Budnikowsky GmbH & Co. KG

Pünktlich zum Jubiläum erschien Michael Batz´ imposantes Buch „ChilehausStory 100 Jahre einer Hamburger Legende“, welches er am 1. Juni im Hamburger Hafenmuseum einer interessierten Öffentlichkeit vorgestellt hat.

Während die Literatur zur Baugeschichte des Gebäudes Bibliotheken füllt, schließt der vorliegende Band eine Lücke: Es geht primär um die Nutzungsgeschichte des Kontorhauses, also um Geschichten rund um die einst dort ansässigen Firmen und um die Menschen, die für sie arbeiteten. Der Autor erzählte unter anderem über die Schwierigkeiten bei der Firmenrecherche, da Archivmaterial, etwa Fotos, mitunter kaum mehr vorhanden ist.

Gert Kählers kenntnisreicher architekturhistorischer Beitrag zum zeitgeschichtlichen Hintergrund sorgen für die Einordnung dieser Geschichte(n) in eine Chronologie der Ereignisse bis in unsere heutigen Tage hinein.

So erfahren Leserinnen und Leser nicht nur, wie der betagte Bauherr Henry Brarens Sloman – er war zum Zeitpunkt des Baubeginns am 14. Mai 1922 bereits 73 Jahre alt – zu dem Grundstück in der südlichen Altstadt gekommen war, sondern auch zu seinem Reichtum. Im Jahr zuvor hatte er das zweigeteilte Grundstück für 1.922.000 RM erworben. Er galt als reichster Bürger der Stadt, sein Vermögen hatte er inflationssicher im Ausland angelegt.

Mit dem Abbau von Salpeter in der chilenischen Atacama-Wüste hatte er ein Riesenvermögen gemacht. Die Schnellsegler der Reederei Laeisz, auch als „Flying P-Liner“ bekannt, transportierten das als Grundstoff sowohl für Düngemittel als auch für Sprengstoffe benötigte Kaliumnitrat in gefährlicher Fahrt um Kap Hoorn nach Hamburg. Hier befand sich der größte Importhafen für Salpeter. Im Hafenmuseum lässt sich mit der „Peking“ eine der legendären und eindrucksvollen Viermastbarken bewundern.

Um die Arbeiterschaft in der trocken-heißen und lebensfeindlichen Wüstenregion mit ihren Hochplateaus, den Pampas, an sich zu binden, führte Sloman eine eigene Währung ein. Die „Fichas“, es waren Bezugsmarken aus Hartgummi, konnten nur in den betriebseigenen Konsumstätten eingelöst werden, die sämtliche Waren importieren mussten, und die zu stark überteuerten Preisen angeboten wurden. Kam es zu Streiks, wurden diese durch chilenisches Militär niedergeschlagen.

Salpeterkönig und Klinkerfürst

Zurück zum Chilehaus, das seine Benennung der Referenz an das Land verdankte, das dem Bauherrn zu seinem Reichtum und zu seinem Beinamen „Salpeterkönig“ verholfen hatte.

Architekt Fritz Höger, der es mehr und mehr vorzog, sich als Baumeister zu bezeichnen, wurde mit diesem stilprägenden Gebäude weithin bekannt, berühmt, gerühmt und gefeiert. Hauptsächlich mit dem Chilehaus wurde sein Name verbunden. Es war Högers Opus magnum. Wegen seiner Formensprache nannte man ihn scherzhaft „Klinkerfürst“.

S 072 Ikonenfoto Spitze 1924©Foto_Gebr Dransfeld Museum für Kunst & Gewerbe Hamburg

Es schien, als wäre dieses „Schiff aus Stein“ aus Superlativen errichtet worden. Ein paar Daten verdeutlichen es:

Zwischen dem Baubeginn im Mai 1922 und dem Einzug der ersten Mieter im April 1924 lagen keine zwei Jahre

Die beiden Grundstücke hatten eine Fläche von knapp 6.000 qm², die nutzbare Fläche lag bei 30.000 qm², verteilt auf 10 Stockwerke. Bei den oberen Stockwerken handelt es sich um Staffelgeschosse. Eines der ersten Hochhäuser in Deutschland.

750 Güterwagen Zement, 30.000 cbm Kies, 1.600 t Rundeisen, 900.000 Stück Deckenhohlsteine, 18.000 lfd. Meter Rammpfähle, 4,8 Millionen Backsteine, Bockhorner Klinker, Ausschussware und 2.900 Fenster wurden verbaut.

Dass das Chilehaus auch ganz anders hätte aussehen können, belegen Entwurfspläne, Skizzen und Zeichnungen, die der Umsicht des Hausmeisters Werner Rose zu verdanken sind, der den historischen Wert der jahrelang unbeachteten Rollen und Pappen erkannte und diese vor der Entsorgung bewahrte. „Neben Högers konzeptionellen Etappen ist auch der Wettbewerbsbeitrag des Architekturbüros Puls und Richter, Hamburg, im Konvolut enthalten, ebenso wie Zeichnungen des Malers und Illustrators Hermann de Bruycker, deren Ausführung als Bauschmuck nicht realisiert wurde“, berichtet Michael Batz. Offenbar sind die visuellen Vorlagen der Fassadenpläne und Grundrisse noch unbekannt und könnten nun architekturhistorisch ausgewertet werden.

Ein gutes Stück Hamburg-Literatur

S 268 Treppenhaus Portal C 2024©Foto_Heinz-Joachum Hettchen

Michael Batz´ „ChilehausStory“ bereichert die Hamburg-Literatur mit einem konzeptionell gut durchdachten, aufwendig und sorgfältig recherchierten, reich bebilderten Band, der die menschlichen Akteure hinter all den bekannten Superlativen in den Vordergrund stellt. Er gewährt kenntnisreiche Blicke hinter die Klinkerfassade des singulären Prachtbaus, in die Büros der Firmen, deren Exponenten und einfachen Mitarbeitern durch all die Jahrzehnte, der Weimarer Republik, der Zeit des Nationalsozialismus, der Kriegs- und Nachkriegszeit bis in unsere Gegenwart. Das Buch gibt ebenso Einblicke in die politischen Verstrickungen des Baumeisters Fritz Höger, der bereits 1932 in die NSDAP eintrat, sich Hitler allerdings vergebens andiente. Und: Von Beginn an wurde das Chilehaus zum Mythos stilisiert, zu einem Symbolträger der mächtigen Hamburger Kaufmannschaft.

Heute beherbergt das Chilehaus 79 Firmen und weitere Geschäfte im Erdgeschoss. Das kleine Café im Innenhof  mit Blick auf das gegenüberliegende Treppenhaus ist für einen Besuch zu empfehlen.

 

Michael Batz: ChilehausStory · 100 Jahre einer Hamburger Legende, Dölling & Galitz, Hamburg 2024, Gebunden, 232 S.

[i] aus: Hamburg History live-Magazin, Ausgabe 14, S. 62

 

Unser Gastautor Hartmut Höhne, geboren 1958, lebt seit 1984 in seiner Wahlheimat Hamburg, der er sich in kritischer Sympathie verbunden fühlt. Als Erzieher und Diplom-Soziologe übte er Tätigkeiten in diversen Branchen wie der Kinder- und Jugendarbeit, im Gesundheitswesen, in Umfrageinstituten und in der Erwachsenenbildung aus, aber auch im gewerblichen Bereich (Brauerei, Hafen). Er schreibt Romane, Erzählungen und Kurzprosa. »Mord am Thalia« ist sein zweiter Krimi im Gmeiner-Verlag.
(Text: Gmeiner-Verlag)

Hamburgs hoher Gast – mit Verbindung zur PEKING?

Charles und Camilla bei der offiziellen Eröffnung des Walisischen Parlaments, Cardiff, Wales; Mai 2011
Von Senedd Cymru / Welsh Parliament; Wales – https://www.flickr.com/photos/nationalassemblyforwales/5841743257/in/album-72157626782715823/ Flickr, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=105812773

Erstaunlich pünktlich um 12.30 Uhr traf er ein, der ICE von Berlin in die Hansestadt, von der es heißt, sie sei die britischste aller Städte in Deutschland. Am Dammtor-Bahnhof verließen sie den Waggon 14: König Charles III. und seine Gemahlin Königin Camilla samt erlauchter Equipage. Ganz im Sinne des Monarchen, dem Umweltfreak und Hobby-Ökobauern, wurde nicht mit Hubschraubergeknatter oder Triebwerkspfeifen eingeschwebt.

Sie wurden begrüßt vom 1. Bürgermeister Peter Tschentscher mit Frau Eva-Maria. Eine lange Verweilzeit vor dem Bahnhof ließ das stramme Protokoll nicht zu. Etwa 200 Schaulustige hatten sich Union-Jack-wedelnd, bei Hamburger Schmuddelwetter, dennoch gut gelaunt, verhaltend jubelnd: „Welcome! – Moin in Hamburg!“, versammelt. Rasch war der rote Teppich überschritten und ab gings im Konvoi zum „Kindertransport – der letzte Abschied“, wo Camilla am Denkmal mit weißen Rosen an von hier nach Großbritannien verbrachte jüdische Kinder erinnerte.

Auf dem Weg zum nächsten Programmpunkt zeigte das Königspaar noch rasch etwas Bürgernähe durch Händeschütteln und Wortwechsel. Der König sei volksnah, humorvoll, interessiert. Ein sympathischer Zuhörer, hieß es. Und Camilla habe sich mit Charme vom „Rottweiler“ zum „Rockstar“ gewandelt, der merklich beliebter werde. Beliebtheit, die  erntete das Königspaar schon zuvor in Berlin, wo Charles III. zwei bemerkenswerte Reden auf Deutsch mit englischen Einschüben hielt.


Prinz_Charles_III._am_31.03.2023_in_Hamburg
Von Minzoblate – Eigenes Werk, CC BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=130234848

Wenig später fand am Mahnmal St. Nikolai eine Kranzniederlegung statt und das Königspaar lauschte den Worten von Bischöfin Kirsten Fehrs. Fast schon im Schweinsgalopp gings ins Rathaus zum Eintrag in das Goldene Buch, das eigentlich kein Buch ist, sondern eine lose Blattsammlung in einer Lederschatulle. Der König trug sich kurz mit „Charles R“, seine Frau mit „Camilla R“ ein. „R“ für König, Königin. Charles, heute 74-jährig, wird am 6. Mai 2023 in London gekrönt. Abweichend vom Protokoll zeigte sich das Paar auf dem Rathaus-Balkon und winkte vielen begeisterten Hamburgern zu.

Während der König sich auf eine Hafenrundfahrt begab, besuchten Camilla und die Frau unseres Bundespräsidenten, Elke Büdenbender, die Rudolf-Roß-Schule in der Neustadt. An der Grundschule können Kinder bereits in den Vorschulklassen Englisch lernen.

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Der königliche Tross traf unterdessen bei Regen am Fischereihafen ein. Von dort gings mit der Barkasse HAMBURG auf Hafenrundfahrt. An Bord wurde der König über maritime Wirtschaft, regenerative Energie, Wasserstofftechnologie und klimagerechte Transformation der Industrie informiert.

Nicht verbrieft, aber mit Sicherheit hat sich Charles III. nach der Viermastbark PEKING am Kai des Schuppens 50 A erkundigt. Die aufragenden, stolzen Masten des berühmten Großseglers werden ihn neugierig gemacht haben. Warum, mag man sich fragen?

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Doch einleuchtend: Am 2. April ist Saisoneröffnung im Deutschen Hafenmuseum mit Standort Schuppen 50 A. Das Programm: Führungen mit Hafensenioren, Barkassenfahrten, spezielle Kinderattraktionen, geführte Rundgänge über die einmalig restaurierte PEKING. Der Hamborger Veermaster, 1911 bei Blohm & Voss für die Reederei Laeisz gebaut, ist seit der Heimkehr nach Hamburg am 07. September 2020 ein zusätzliches Wahrzeichen der Hansestadt geworden.

Ja, und was hat das mit Großbritannien zu tun? Nun, der P-Liner war schon was Besonderes. Unter vollem Zeug brachte er 17 Knoten, also 31 Kilometer pro Stunde, damit war er schneller als die damaligen Dampfschiffe, von denen sich keines um Kap Hoorn wagte. Und nun kommt‘s: 1932 wurde die PEKING nach England verkauft, wo sie mit dem Namen ARETHUSA II (das ist übrigens  der Name einer Nymphe aus der griechischen Mythologie) als stationäres Ausbildungsschiff nach Upnor, an den Medway River verholt wurde und vor Anker blieb. An Bord wurden in straffen Lehrgängen sozialbenachteiligte und schwererziehbare Jugendliche in 18- und 36-monatigen Lehrgängen zu lebenstüchtigen Bürgern erzogen. Bis 1974 bereitete eine gemeinnützige Institution viele Menschen auf ein Leben vor, dass den gesellschaftlichen Regeln entsprach.

Foto: Dr. Wolf-Ulrich Cropp

Noch heute haben Männer der AOBA (Arethusa Old Boys Association) eine lebendige, ja rege Verbindung zur PEKING, die von einer Abordnung der „Old Boys“ im Sommer 2023 in Hamburg besucht wird. Es wird dem zweiten Leben der Viermastbark „Vom Frachtensegler zum Sozialprojekt“ gedacht. Die Shaftesbury Homes and Arethusa Training Ship Co. ist eine der ältesten Wohlfahrtseinrichtungen Großbritanniens und Charles III. wohl bekannt. Am 25. Juli 1933 übergab der Bruder des Prince of Wales, der spätere König Georg VI., das stationäre Schulschiff ARETHUSA seiner Bestimmung. Dann, 65 Jahre später wurde der Großsegler, wieder als PEKING, für umgerechnet 400 000 DM an ein US-Museum nach New York verkauft … wo er leider bis 2017 vor sich hin rottete.

Am Schuppen 52 war das Königspaar wieder vereint. Die Veranstaltungshalle ist ein Relikt aus der Kaiserzeit. Geladene Gäste genossen mit Charles und Camilla das Royal Marine Orchestra und den Shanty-Chor De Tampentrekker. Hernach begab sich das Paar zu den Gästen zum Smalltalk bei Wein, Bier, Pimm’s, Fish & Chips, Steak and Stout Pie und Käse … Das Event im Schuppen 52 klang aus. Um 17.25 Uhr nämlich verließen die Royals Hamburg mit dem Flieger nach London, um wieder zu Haus, im Buckingham Palace zu sein. Der anregend-harmonische Deutschlandbesuch war zu Ende. In London lauerte wieder Ungemach: Prinz Harry macht seiner Royal Family neue Vorwürfe. Sie soll von der Bespitzelung durch Journalisten gewusst, die Indiskretion verschwiegen haben. Dazu der sarkastische Dialog von Burkhard Mohr: King Charles sagt: „Wie schön, in ein Land zu kommen, in dem alles funktioniert!“ Darauf Olaf Scholz: „Herrlich, dieser britische Humor!“

Willkommen zurück: Die Viermastbark PEKING

Der Viermaster PEKING vor der Elbphilharmonie

„Ick heff mol en Hamborger Veermaster sehn,
to my hoodah, to my hoodah!
De Masten so scheef as den Schipper sien Been.
to my hoodah, hooda, ho!
Blow, boys, blow for Californio …“

So schallte es von den Planken der CAP SAN DIEGO herüber und über Elbe und Hafen. An den Ufern, an Kaimauern, an der Überseebrücke drängten sich viele Tausend Schaulustige.

Was war los an diesem Nachmittag des 7. September 2020?

Der Großsegler im Fontänenvorhang

Na, das war doch nicht zu übersehen! Zwei Schlepper bugsierten einen Großsegler in den Hamburger Hafen. Nicht irgendein Segelschiff. Es war die PEKING. Der Stolz von einstmals neun Flying P-Linern der Reederei F. Laeisz. Nach ihrer Reise um die halbe Welt ist die PEKING nach 88 Jahren zurück nach Hamburg gekommen. Dorthin, wo sie 1911 auf der Werft Blohm + Voss vom Stapel gelaufen war.

Dazwischen liegt bewegende Seegeschichte: 1914 wurde der Frachtensegler in Chile an die Kette gelegt. 1918 kam er nach London. Dann, 1921 nach Italien und wurde schließlich 1923 von Laeisz wieder erworben, um auf der Hamburg – Chile – Route hauptsächlich Salpeter zu befördern. Salpeter, der der Stadt mit dem Reeder wirtschaftlichen Aufschwung bereitete.

Gebührender Empfang

Also Grund genug, den Veermaster, die einst so bedeutende und seinerzeit schnellste Bark PEKING gebührend zu empfangen!Barkassen, Jachten, ein Pulk von Traditionsschiffen, wie die SCHAARHÖRN oder TOLKIN und viele andere mehr, begleiteten die Attraktion in den Hafen. Auf der MS HAMBURG waren wir dabei. Und an den Ufern  staunten die Enthusiasten. Mathias Kahl, Vorsitzender des Vereins „Freunde der Viermastbark PEKING e. V.“ hatte die Begleitfahrt organisiert und mit anderen Hamburgern für das Tall Ship gekämpft. Es lag nämlich rund 20 Jahre als Museumsschiff in New York am East River, gleich neben der Brooklyn Bridge, wo es wegen Geldmangel allmählich verfiel. Nach langjährigen und zähen Verhandlungen wurde die PEKING vor der Verschrottung gerettet, dann per Dockschiff 2017 zur Peters Werft verbracht, wo sie in  Wewelsfleth an der Stör von Grund auf liebevoll und detailgetreu restauriert wurde. Ein finanzieller und technischer Kraftakt, der drei Jahre dauerte.

Gemälde von Angelika Kahl

„Hat ‚nen Haufen Geld gekostet“, meinte Kapitän i. R., Heinz Hinrichsen, „aber, verdammt noch mal, der Aufwand hat sich gelohnt. Die PEKING wird ein weiteres Wahrzeichen der Hansestadt!“
Mathias Kahl blickte versonnen hinüber zum Viermaster: „Es ist ein großes emotionales Gefühl, das Schiff wieder in Hamburg zu haben!“ Für ihn ist die Rückkehr besonders eindrucksvoll, weil sein Vater Ende der 1920er Jahre auf der PEKING zur See fuhr.

Kap Hoorn – Ruhe vor dem Sturm

Laut dröhnten die Typhone, Schiffshupen, zum Empfang. Löschschiffe schossen Wasserfontänen in den Himmel. Die Sonne lugte jetzt aus Haufenwolken – und durch Regenbogen und Wasservorhängen schob sich die PEKING ihrem Liegeplatz entgegen. Nicht nur Wasserratten, Teernacken und Salzbuckel wurden da von ganz starken Gefühlen übermannt. Nun mal ehrlich, mir ging es auch so. Vierunddreißig mal hatte der Großsegler Kap Hoorn umrundet. Wie es unten vor der Südspitze Südamerikas zu geht, kann nur jemand beurteilen, der „Kap Hoorn rund“ jäh gemacht hat. Ich hatte das „Vergnügen“ 1997 auf dem Dreimast-Vollschiff  KHERSONES die Hoorn zu umrunden – ein bleibendes Erlebnis!

„Tscha,“ sagte der alte Kaptain und schob die Mütze aus der Stirn, „dieser P-Liner war schon was Besonderes: Unter vollem Zeug brachte er es auf 17 Knoten, also 31 Kilometer pro Stunde, damit war er schneller als die damaligen Dampfschiffe von denen sich keines um die Hoorn wagte. Die Länge der PEKING über alles beträgt 115 Meter, die Breite 14,40 Meter, ihr Tiefgang ist 7,24 Meter. Sie besaß 34 Segel mit einer Fläche von 4100 Quadratmetern. Die Masthöhe über Kiel bringt 62 Meter. Vier Kilometer stehendes Gut, das sind die Stahlseile, befinden sich auf dem Schiff. Die Baukosten betrugen 680 000 Goldmark, umgerechnet wären das 3,8 Millionen Euro. Und befahren wurde der Großsegler mit 31 Mann und 43 Offiziersanwärtern.“

„Und wie ging’s mit der PEKING in den 1930er Jahren weiter?“ wollte ich wissen.

„Sie wurde 1932 nach England verkauft, wo sie mit dem Namen ARETHUSA als stationäres Schulschiff für Kadetten vor Anker ging. 1997 verhökerte man sie, wieder als PEKING an die USA. Wo sie dann in New York regelrecht vergammelte. – Kein Wunder, die Amis hatten keine Beziehung zu dem Schiff. Nie hatte die PEKING den Hafen angelaufen.“

Nun zogen wir im mords Geschwader am Michel vorbei und stießen vor die Elphie, deren Fassade in der Sonne wie geputztes Silber glänzte.

„Von den einst neun Flying P-Linern gibt’s nur noch vier“, erklärte Hinrichsen,“ die PASSAT als Museumsschiff in Travemünde, die POMMERN auf Aland in Finnland, und die PADUA. Mit dem Namen KRUZENSHTERN pflügt die PADUA noch als einzige unter Segeln den blauen Acker. Und zwar als russisches Schulschiff.“

„Die PAMIR ist ja im Orkan 1957 in einem Hurrikan, der südwestlich der Azoren tobte, gesunken,“ ergänzte ich.

„Genau. – Und die PEKING wird nun in den Hansahafen, an den Bremer Kai verholt. Besucher können sie ab Sommer 2021 besichtigen. Ihren endgültigen Liegeplatz im Hafenbecken des Kleinen Grasbrook bekommt sie erst später, wo sie dann auch der „Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) offiziell übergeben wird.“

„Wird die Bark jemals wieder in See stechen?“

„Nee, nee, das ist vorbei. Zwar fehlen ihr nur die Segel und die Gordinge. Schon könnte sie auf Fahrt gehen. Doch der Aufwand wäre immens, die Sicherheitsbestimmungen extrem hoch und irre teuer. Schade, aber so ist das man mit all den ollen, schönen Pötten!“

Die PEKING wurde gerade weiter in Richtung Hansahafen geschleppt, nur noch ihre gewaltig hohen Masten waren zu sehen. Die Begrüßungshörner verstummten, Wasserfontänen erloschen und vom Capstan Shanty „De Hamborger Veermaster“ war nichts mehr zu hören. Durchdrungen von melancholischen Gefühlen aus der Zeit der großen Windjammer verließen wir unser Begleitschiff MS HAMBURG in der Gewissheit, Hamburg hat sie wieder, die PEKING.