Die „Grüne Transformation“ der Agrarwirtschaft zur Erreichung der politisch festgesetzten Klimaziele durch Senkung des CO2-Ausstoßes ist eine besondere Herausforderung für die Landwirtschaftsbetriebe. Dies war auch das Hauptthema auf dem internationalen „Global Forum for Food and Agriculture 2023 (GFFA)“ in Berlin. Einigkeit besteht über die Notwendigkeit der Reduzierung der Treibhausgase und der Einsparung von Ressourcen auch in der Landwirtschaft. Umstritten ist, inwieweit die Transformation auch vor dem Hintergrund der aktuellen Krisen umsetzbar ist. Die Bauernverbände bemängeln die Vielzahl wenig transparenter politischer Auflagen und die zu bürokratischen staatlichen Fördermaßnahmen. Die „Grüne Transformation“ bietet aber auch Chancen für die Agrarwirtschaft, die zur Erzeugung erneuerbarer Energien durch Biomasse beitragen und technologische Innovationen wie die Wasserstofftechnologie und Digitalisierung zur Effizienzsteigerung nutzen kann.
“Global Forum for Food and Agriculture 2023” in Berlin
Das internationale „Global Forum for Food and Agriculture 2023 (GFFA)“ in Berlin diskutierte die „Grüne Transformation“ der Agrarwirtschaft und „A Worldwide Response to Multiple Crises“. Zur Sicherung der Ernährung sollen die Effizienz der Agrarproduktion erhöht und Ressourcen (Flächen, Saatgut, Düngemittel, Pfllanzenschutz, Futtermittel, Bewässerung) eingespart werden. Die Senkung des CO2-Ausstoßes dient dazu, die ambitionierten Klimaziele der Politik auch in der Landwirtschaft zu erreichen.
Auf der zeitgleich tagenden 15. Agrarministerkonferenz vereinbarten die Teilnehmer aus 70 Ländern die Transformation der Ernährungssysteme und die Umsetzung des Rechts auf Nahrung. Das Recht auf Nahrung gehört zu den Zielen der „Sustainable Development Goals 2015“ und der Agenda 2030 „Zero Hunger“ der Vereinten Nationen.
Verschlechterung der globalen Ernährungslage und Anstieg der Weltbevölkerung
Die FAO (Food and Agricultural Organization of the United Nations) verwies auf der Konferenz auf die anhaltende schwierige globale Ernährungslage, die sich infolge des Russland-Ukraine-Kriegs weiter verschlechtert hat. Betroffen sind vor allem Länder in Afrika und Asien, deren Getreideeinfuhren aus den kriegführenden Ländern gestört sind, während auf dem Weltmarkt die Rohstoff- und Energiepreise „explodierten“. Nach Schätzungen der FAO haben über 800 Millionen Menschen keinen ausreichenden Zugang zu Nahrungsmitteln, zu sauberem Wasser und zu medizinischer Versorgung.
Die wesentliche Ursachen für die unzureichende globale Ernährungslage, die schon vor dem Russland-Ukraine-Krieg bestanden, sind u.a. Dürren als Folge der Klimaerwärmung, die unzureichende und ineffiziente landwirtschaftliche Eigenproduktion, Infrastruktur- und Logistikprobleme in Afrika und Asien und Nahrungsmittelverschwendung in den Industrieländern. Zudem führt die „Bevölkerungsexplosion“ in Afrika und Asien zu kritischen Versorgungsengpässen, wie sie im 19. Jahrhundert vom Ökonomen Robert Malthus befürchtet wurde. Die Weltbevölkerung ist nach Angaben von Statista und Weltbank von ca. 1,5 Mrd. um 1900 auf 8 Mrd. 2022 angestiegen, vor allem in den wirtschaftlich weniger entwickelten Ländern. Die Agrarwirtschaft ist daher in besonderer Weise gefordert, um die Ernährungslage und die Reduzierung der CO2-Belastung durch Effizienzsteigerungen und Nutzung innovativer Technologien, erneuerbare Energien und Wiederaufforstung zu sichern und zu verbessern.
Herausforderung durch geforderte Verringerung der CO2 Belastung im Agrarsektor
Auf nationaler und europäischer Ebene fordert die Politik von der Landwirtschaft eine schnelle Reduzierung des CO2 Ausstoßes. Der Bauernverband unter Präsident Ruckwied stellt sich nicht grundsätzlich gegen die Transformation, kritisiert aber die hohen Kosten für die Umsetzung der von der Politik geforderten ökologischen Transformation vor allem für die Familienbetriebe.
In der politischen Kontroverse bleiben die tatsächlichen Verursacher der Belastung durch Treibhausgase und damit die Verursacher der Klimaerwärmung außer Acht.
Nach Angaben der Statista und des Weltenergieberichts war China (30,9 %) wie in den Vorjahren der weltweit größte CO2-Emittent, gefolgt von den USA (13,5 %), Indien (7,3 %), Russland (4,7 %), Japan (2,9 %) und dem Iran (2,0 %), siehe Grafik 1.
Da Deutschland „nur“ zu 1,8 % beiträgt, ist der CO2-Anteil der deutschen Landwirtschaft mit nur etwa 7 % am deutschen CO2-Austoß global gesehen äußerst gering.
Herausforderung durch Inflation, Energiepreisexplosion und Kreditverteuerung
Vielfach wird übersehen, dass die wieder wachsende Diskrepanz zwischen Erzeugerpreisen und Produktionskosten sowie die Kreditverteuerungen die Landwirte in finanzielle Schwierigkeiten bringen. Der aktuelle Bericht der „Allianz Trade“ stellt fest, dass die Handelsketten und die industriellen Veredler die Verbraucherpreise überproportional gegenüber den gestiegenen Energie- und Erzeugerpreisen erhöht haben. Der Agrarhandel und die Nahrungsmittelindustrie nutzen die infolge der Ukrainekrise eingetretene Verteuerung und Verknappung von Energie und Getreide zur Anhebung der Verbraucherpreise und zur Erhöhung der eigenen Profitabilität. Die Agrarbetriebe stecken in einer Erzeugerpreis-Kosten-Schere.
Digitale Transformation ermöglicht Effizienzsteigerung in der Landwirtschaft
Ein innovativer Schlüssel der Effizienzsteigerung und CO2 Senkung in der Landwirtschaft ist die Digitalisierung. Digitale Technologien bei Landwirtschaftsmaschinen, Programme der Künstlichen Intelligenz, der Einsatz von Drohnen und der Ausbau von Internettechnologien erlauben „Precision Farming“. Verringert wird der Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, Saatgut und von Bewässerung. Optimiert wird die laufende Beobachtung des Pflanzenwachstums, ein präziserer und autonomer Einsatz von Maschinen und Traktoren. Die Agrarbetriebe haben den technischen Vorteil der Digitalisierung durchaus erkannt. Sie bemängeln aber den fehlenden Ausbau der digitalen Infrastruktur im ländlichen Raum.
Chance für die Agrarwirtschaft durch Erzeugung „Grüner Energie“
Die Landwirtschaft könnte auch nach Ansicht der Bauernverbände vom Preisanstieg bei fossilen Energien und der politisch gewollten Transformation zu erneuerbaren Energien profitieren. Die Chancen bestehen in der Bereitstellung stillgelegter Flächen für Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen und in der Nutzung von Bio-Masse für Bio-Gas und Bio-Kraftstoffe. Vor allem Bio-Masse kann in Bio-Kraftwerken zur „grünen“ Stromversorgung und zur Erzeugung von „grüner“ Fernwärme genutzt werden. Die Ressource Bio-Masse, die mit der Taxonomie und dem „Green Deal“ der EU konform ist, kann auch einen wesentlichen Beitrag zur Lösung des Speicherproblems von volatilen Windkraft- und Fotovoltaik-Anlagen leisten.
Die Herausforderung der Transformation ist groß, da erneuerbare Energien für eine sichere und preisgünstige Energieversorgung aktuell noch nicht ausreichen. Nach Angaben der AG Energiebilanzen trugen erneuerbare Energien 2022 nur zu etwa 15 % zum Primärenergieverbrauch in Deutschland bei. Der Anteil von Bio-Masse beträgt nur 9 %, eine Chance für die Landwirtschaft. Die größten Beiträge zum Primärenergieverbrauch leisteten nach wie vor fossile Energieträger wie Mineralöl (32 %) und Erdgas (27 %).
Weltweit liegt der Anteil fossiler Energien sogar bei 80 %, siehe Grafik 2.
Nutzung technischer Innovationen und der Wasserstofftechnologie
Die Nutzung von technischen Innovationen, die mit der Taxonomie und dem „Green Deal“ der EU konform sind, ist eine weitere Chance für die Agrarwirtschaft zur Steigerung der Effizienz in der Produktion. Hierzu gehören Landwirtschaftsmaschinen (Traktoren), die mit treibhausarmen (CO2) und treibhausfreien Verbrennungsmotoren ausgestattet sind und mit Ethanol, Methan, Biodiesel oder auch mit Wasserstoff oder E-Fuels betrieben werden können. Natürliche landwirtschaftliche Ressourcen sind u.a. Raps, Rapsöl und Altfette für Bio-Diesel-Kraftstoff und Zuckerrüben für Bio-Ethanol, die nach technischer Anpassung in Otto- und Dieselmotoren verwendbar sind, siehe Fotos oben und links.
Die Wasserstofftechnologie und Digitalisierung waren die wichtigen Themen auf der weltgrößten Industriemesse in Hannover im April 2023. Diese technologischen Innovationen sind auch Zukunftschancen für die Agrarwirtschaft, die zur Wasserstoffherstellung mit Bio-Masse zur Biogasaufbereitung beitragen kann. „Grünen Wasserstoff“ kann die Landwirtschaft auch mittelbar durch Flächenbereitstellung für Windräder und Fotovoltaik erzeugen.
Mit „grünem“ Wasserstoff betriebene Verbrennungsmotoren als zukünftige Antriebsarten können in der Landwirtschaft für Nutzfahrzeuge wie Traktoren und Mähdrescher eingesetzt werden.
Diese zumindest an Treibhausgasen arme Motorentechnik ermöglicht nach Ansicht von Fachleuten die Weiterführung der traditionellen Motorentechnologie mit geringfügigen Anpassungen.
Fazit
Die „Grüne Transformation“ ist eine große Herausforderung für die Agrarwirtschaft. Vor dem Kontext der wachsenden Preis-Kosten-Schere und den geforderten Flächen- und Ressourceneinsparungen muss die Ernährung in Europa gesichert werden. Innovative Technologien wie die Wasserstofftechnologie und Digitalisierung bieten der Agrarwirtschaft Chancen zu Effizienzsteigerungen und zur profitablen Erzeugung erneuerbarer Energien durch Bio-Masse und durch Flächenbereitstellung für Windräder und Fotovoltaik.
Weitere Infos unter:
https://www.bmel.de
www.hannovermesse.de
www.siemens.com
www.bauernverband.de
www.situationsbericht.de