Von Dr. Manuel Ruoff
Seit 40 Jahren steht »Nischel« in Chemnitz
Im Rahmen der ZDF-Serie „Unsere Besten“ ist Karl Marx von den Zuschauern nach Konrad Adenauer und Martin Luther zum drittgrößten Deutschen gewählt worden. Die Mehrheit der Deutschen macht Marx also offenkundig nicht für Bolschewismus, Stalinismus und die russische Unterdrückung der östlichen Hälfte des europäischen Kontinents zu Zeiten Josef Stalins und seiner Nachfolger verantwortlich.
Vor diesem Hintergrund ist das Ergebnis der Chemnitzer Volksabstimmung über den Namen der Stadt vom 23. April 1990 denn wohl auch weniger als Entscheidung gegen Marx denn für den angestammten Namen zu interpretieren. Von daher ist es nicht unbedingt ein Widerspruch, dass das berühmte Karl-Marx-Monument in Chemitz im Gegensatz zu dem Namen „Karl-Marx-Stadt“ nach der friedlichen Revolution nicht eliminiert wurde. Der Karl-Marx-Kopf trat nämlich nicht an die Stelle von etwas, das den Bürgern vertraut war und war auch nicht willkürlich, wie die Benennung einer Stadt nach einem Mann, der zu seinen Lebzeiten nie etwas mit ihr zu tun hatte. Bei dem Kopf ist eher das Gegenteil der Fall. Er bildet nämlich mit der hinter ihm stehenden Marx-Forderung „Proletarier aller Länder vereinigt Euch!“ eine sinnvolle Kombination.
Statt ihn zu entfernen, hat Chemnitz mit „Nischel“, so sein lokaler Spitzname, sogar geworben, war er sogar identitätsbildend. „Stadt mit Köpfchen“ nannte sich Chemnitz zeitweise – und das wohlgemerkt nach der „Wende“. 40 Jahre nach ihrer Einweihung am 9. Oktober 1971 gehört die größte Porträtbüste der Welt immer noch zu den Sehenswürdigkeiten von Chemnitz. Und westdeutsche Städte wie Münster oder Kiel, die ihn für immer oder auch nur leihweise haben wollten, haben statt ihm eine Abfuhr erhalten.