Erschienen in den Salzburger Nachrichten
Von Lilo Hoffmann
„Wie lange brauchen wir, um Sevilla kennen zu lernen“, fragt ein junges Pärchen seinen Reiseführer während der Besichtung der gotischen Kathedrale, dem mächtigsten Kirchenbau Spaniens. Als Antwort erhalten die beiden nur ein Achselzucken.
Im Sommer, bei Temperaturen zwischen 40 bis 50 Grad, braucht man sicher etwas länger, um sich annähernd ein Bild von Sevilla zu machen. Wer aber mehr sucht als Flamenco, Sonne und südliches Flair, sollte Andalusien in der Vor- oder Nachsaison besuchen.
Um sich einen ersten Überblick zu verschaffen, empfiehlt es sich, auf die Giralda zu steigen. Das einstige Minarett, das heute als Glockenturm dient, ist das Wahrzeichen der Stadt. Eine sanft ansteigende Rampe führt spiralenförmig zur Aussichtsterrasse in 70 Metern Höhe. Dazwischen laden in Nischen platzierte Ausstellungsstücke zum Besichtigen und Verschnaufen ein.
Oben angekommen hat man einen grandiosen Ausblick auf die Stadt, den Torre del Oro, der in maurischer Zeit um 1220 als Festungsturm entstand, und das Flüsschen Guadalquivir. Im Osten erstreckt sich in der Nähe der Giralda das Gewirr von Gassen und weißen Häusern des Barrio de Santa Cruz, im Süden liegen die Parkanlagen der Jardines del Alcázar mit ihren arabischen Gärten und Wasserspielen,.und der Parque Maria Luisa – mit seinen Blumen, Brunnen und Palmen einer der schönsten Spaniens.
Mittendrin befindet sich die beeindruckende Plaza de Espana, abgeschlossen von einem halbrunden Prachtbau, dessen Fassaden in acht Bildern Szenen aus der Geschichte der andalusischen Provinzen erzählen. An den Enden erheben sich zwei hohe, elegante Türme.
Über den künstlichen Kanal führen kleine, venezianisch beeinflusste und mit Fliesen dekorierte Brücken. Errichtet wurden die Gebäude auf der Plaza de Espana von dem Architekten Anibal González für die Ibero-Amerikanische Ausstellung von 1929. An der Plaza de América, ebenfalls im Park Maria Luisa gelegen, repräsentieren drei Pavillons die Stilrichtungen Gotik, Renaissance und Mudejarstil.
„Bummeln Sie durch Santa Cruz“, schlägt uns Manuel vor, der mit seiner Pferdekutsche vor der Kathedrale steht und auf Kundschaft wartet. Für 40 Euro fährt er bis zu fünf Personen etwa 45 Minuten durch die Stadt.
Der besondere Reiz von Santa Cruz, dem ehemaligen Judenviertel, liegt im typischen Raster seiner gewundenen Gassen, kleinen Plätze, verborgenen Winkel und dem faszinierenden Duft der unzähligen Blumen, die Höfe und Häuser schmücken.
Wer durch die Gassen schlendert, entdeckt zahlreiche Andenkenläden, kleine Restaurants und Bars. Die Sevillaner lieben Tapas, die kleinen pikanten Häppchen, und das „chateo“, das Abklappern von Kneipen.
Der kulinarische Variantenreichtum der Tapas ist riesig – er reicht von der exquisiten sevillanischen Olive über kleine Fleischfilets, panierte Kabeljauhäppchen, luftgetrocknetem Jabugo-Schinken bis zu Stierschwänzen. Auch der deftige andalusische Eintopf wird in den Restaurants gern serviert. Dazu trinkt man „una copa“ ein Gläschen Fino oder Amontillado, wie der trockene oder halbtrockene Sherry heißt.
Die älteste Bar mit den besten Tapas der Stadt, so verrät Manuel, den wir auf der Plaza de Espana wieder treffen, ist das „El Rinconcillo“ in der Calle Gerona. Dort angekommen serviert man uns Gambas al ajillo, Garnelen in Knoblauchsoße, und beim Fino fällt uns wieder das Pärchen ein, das vom Reiseführer eine klare Antwort auf seine Frage erwartete. Auch wir wissen nach zwei Tagen Aufenthalt noch immer nicht, wie lange wir brauchen, um Sevilla wirklich kennen zu lernen. Doch wir sind sehr neugierig darauf, was uns die Stadt noch so alles zu bieten hat.
Weitere Informationen:
Spanisches Fremdenverkehrsamt, Myliusstraße 14,
60323 Frankfurt, Tel. 069-72 50 33.
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Foto: Lilo Hoffmann