Von Manuel Ruoff
Beim Bolschewisten Sergei Mironowitsch Kirow ist es im Grunde ähnlich wie beim Erzherzog Franz Ferdinand: Es ist weniger ihr Leben als ihr gewaltsamer Tod, der ihr Bild in den Geschichtsbüchern bestimmt. Beiden Morden folgte eine Katastrophe, ohne dass sie die eigentliche Ursache gewesen wären. Im Falle des Österreichers war es der Erste Weltkrieg, im Falle des Russen Stalins „Große Säuberung“ mit ihren Moskauer Schauprozessen, in denen es formal auch um die Aufklärung des Mordes an Kirow im Jahre 1934 ging.
Ähnlich wie beim Reichstagsbrand tauchte auch hier der Verdacht auf, dass derjenige, der das Verbrechen zur Abrechnung mit seinen Gegnern instrumentalisierte, auch der Täter sei. Der Verdacht erhielt in diesem Fall zusätzliche Nahrung durch Kirows große Popularität. So erhielt Kirow bei der Wahl des Zentralkomitees auf dem 17. Parteitag der Bolschewiki vom 26. Januar bis 10. Februar 1934 nur drei Gegenstimmen, hingegen Stalin 292.
Es wird wohl ewig im Dunkeln bleiben, was Leonid Nikolajew dazu bewogen hat, vor 75 Jahren, am 1. Dezember 1934, Kirow vor dessen Büro im Smolny, dem Sitz der Leningrader KP, abzupassen und mit mehreren Schüssen niederzustrecken. Nikolajew wurde noch am Tatort festgenommen, von Stalin persönlich verhört, zum Tode verurteilt und 28 Tage nach seinem Opfer selber erschossen.