erschienen in der Preussischen Allgemeinen Zeitung
Von Dr. Manuel Ruoff
Nach Libyen interveniert Frankreich mit Mali nun in einer Exkolonie
In mancher Hinsicht ist die französische Intervention in Mali eine Fortsetzung der französischen Intervention in Libyen. So verläuft die Front ähnlich. Die Tuareg in Mali, denen Frankreich im Gegensatz zu den Schwarzen im Südsudan einen eigenen Staat versagt, sind nämlich traditionell mit den Libyern Muammar al-Gaddafis verbündet. So fanden viele Tuareg in Libyen Asyl vor der Verfolgung in ihrer Heimat. Es besteht aber auch ein kausaler Zusammenhang zwischen den beiden Interventionen. So ist eine Ursache der Eskalation des Streits zwischen der schwarzen Zentralregierung im Süden und den Tuareg im Norden das Ende der Gaddafi-Regierung. Viele Exil-Tuareg kehrten gezwungenermaßen nach Mali zurück und brachten dabei auch schwere Waffen mit, mit denen sie Gaddafi als eine loyale Stütze seiner Regierung ausgestattet hatte. Ein anderer Grund für die Eskalation stellt der diesjährige Putsch in Mali dar, als das Militär im März die rechtmäßige Regierung stürzte, weil ihm deren Politik gegenüber den Tuareg zu liberal und nicht militant genug gewesen war.
Es gibt aber auch einen interessanten historischen Unterschied zwischen den Konflikten. In Libyen betraten die Franzosen insoweit Neuland. als sie dort zwar bereits von 1943 bis 1949 mit den Briten als Besatzungsmacht aufgetreten waren, aber doch nie als Kolonialmacht. Das ist im Falle Malis anders. 1883 drangen französische Kolonialtruppen in das Gebiet ein. Noch im selben Jahr wurde die heutige Hauptstadt Bamako besetzt, 1890 Ségou und 1894 auch Timbuktu. Als Französisch-Sudan gliederte Frankreich das Gebiet in sein Kolonialreich ein. Schon damals stieß es bei der Durchsetzung seiner politischen Vorstellungen auf den Widerstand der Tuareg. Das Land und seine Bewohner wurden sowohl wirtschaftlich als auch militärisch rücksichtslos ausgebeutet. Die Bevölkerung musste mit Erdnüssen, Baumwolle und Gummi arabicum das anbauen, was die Wirtschaft des Mutterlandes brauchte, und als die Französische Republik in den Weltkriegen Soldaten benötigte, wurden einheimische Männer wie vorher zur Zwangsarbeit nun zum Kriegsdienst zwangsrekrutiert.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gab das Mutterland Französisch-Sudan 1958 den Status einer halbautonomen Republik. Diese Republik Sudan schloss sich im Folgejahr mit Senegal zur Mali-Föderation zusammen. Bei der Föderation handelte es sich wie bei so vielen Staaten in Afrika nicht um einen Nationalstaat und so lässt der Name auch keine Rückschlüsse auf ein Staatsvolk zu. Vielmehr wurde mit dem Namen Mali an die Tradition eines der diversen Reiche angeknüpft, die in diesem Raum vor der Kolonialisierung bestanden hatten. 1960 erlangte die Föderation die Unabhängigkeit. Noch im selben Jahr spaltete sich jedoch der Senegal ab und was übrig blieb, konstituierte sich am 22. September 1960 als Republik Mali.
Erster Präsident dieser sogenannten Ersten Republik wurde Modibo Keïta, der vorher bereits Regierungschef der Mali-Föderation gewesen war. Ähnlich wie der ungleich bekanntere Ho Tschi Minh und andere Freiheitskämpfer in den französischen Kolonien arbeitete auch er mit den Kommunisten zusammen, weniger aus ideologischer Überzeugung denn aus dem Grunde, dass die kommunistische diejenige Partei in Frankreich war, die am entschiedensten für die Entkolonialisierung eintrat. Wie in anderen Staaten des real existierenden Sozialismus wucherten auch in der Ersten Republik Misswirtschaft und Korruption.
1968 wurde Keïta Opfer eines Militärputsches. Das Land schwenkte ins Lager des Westens zurück. Die Sozialisierung der Wirtschaft wurde rückgängig gemacht, aber die Demokratie wurde nicht vom Westen übernommen. 1974 erhielt Mali eine neue Verfassung, die Geburt der Zweiten Republik. Neuer starker Mann und Staatsoberhaupt wurde der Militärjuntachef Oberst Moussa Traoré.
Die Umbrüche in der Welt von 1989/90 blieben auch auf Mali nicht ohne Wirkung. Nach Unruhen, Demonstrationen und einem Generalstreik wurde Traoré seinerseits Opfer eines Militärputsches. Im Gegensatz zu ihm leitete General Amadou Toumani Touré nach der Machtübernahme eine Demokratisierung ein. 1992 erhielt das Land eine neue, demokratische Verfassung und mit dem Zivilisten Alpha Oumar Konaré einen vom Volke gewählten Präsidenten. Erst als Konaré nach zwei Amtsperioden nicht mehr kandidieren durfte, stellte sich Touré zur Wahl, nachdem er vorher aus der Armee ausgeschieden war, und gewann. 2007 wurde Tourés Amtszeit durch einen Militärputsch gewaltsam beendet und das Land ins Chaos gestürzt. Nun will die alte Kolonialmacht mit Gewalt für Ruhe und Ordnung sorgen – und dabei wie weiland in den Weltkriegen auf die militärischen Ressourcen anderer zurückgreifen. Diesmal sollen die Deutschen ran.