Von Uta Buhr
„DON’T MISUNDERSTAND ME“ – VERSTEH’ MICH NICHT FALSCH – DIE NEUE KOMÖDIE IM ENGLISH THEATRE OF HAMBURG
An und in diesem Stück gibt es eigentlich gar nichts misszuverstehen. Die Botschaft lautet klar und deutlich: Es darf und soll gelacht werden, egal, wie unsinnig manche Situation auf den ersten Blick auch erscheinen mag. Und da sind wir schon mitten im Thema. „Don’t misunderstand me“ ist eine Art Sitcom, aber nicht vergleichbar mit jenen, die wir fast täglich mit eingespielten Lachern im Fernsehen erleben können. Es besteht ein gravierender Unterschied zwischen der TV-Massenware und dem neuen Stück im English Theatre. Patrick Cargills Komödie um einen britischen Gentleman in den besten Jahren, der während eines geschäftlichen Aufenthaltes in New York einer blutjungen blonden Sirene erliegt, verzichtet zwar keineswegs auf die in Lustspielen üblichen Gags und Slapsticks, ist aber höchst amüsant und unterhaltsam. Das Publikum zeigte sich von Anbeginn begeistert von den zahlreichen Irrungen und Wirrungen auf der Mundsburger Bühne.
Zur Handlung: Im hellen freundlichen Wohnzimmer der Fleminges in der englischen Grafschaft Surrey herrscht allem äußeren Anschein nach Friede und Eintracht. Oder sollen wir lieber von gepflegter Langeweile sprechen, wie sie sich häufig bei Ehepaaren einstellt, die schon lange miteinander verheiratet sind und sich außer Banalitäten nicht mehr viel zu sagen haben? Die Gespräche plätschern so dahin. Man spricht über die gemeinsamen Zwillinge, die sich gerade im Schüleraustausch in Frankreich befinden, und lästert süffisant über Abigail, die „Geschiedene“ von Charles’ Bruder Robert. Der wird heute Nachmittag im Hause Fleminge erwartet. Äußerst gespannt sind beide auf Jane, Roberts junge, frisch angetraute zweite Gattin.
Doch Robert kommt allein und berichtet, Jane sei verhindert und komme etwas später. Und damit beginnt sich das Rad der Verwechslungen in dieser Komödie der Missverständnisse atemberaubend schnell zu drehen. Denn Charles hat, wie er gesteht, in New York eine zauberhafte junge Dame aufgetan. Rein platonisch natürlich. Robert glaubt nicht daran. Das Publikum ebenfalls nicht. Verhaltenes Gelächter. Aber raffiniert sei er vorgegangen, erzählt Charles unverdrossen weiter. Weder seinen Namen noch die heimatliche Adresse oder seine Telefonnummer habe er der hübschen Jaynie mit den tollen Beinen anvertraut.
Doch die steht blond, süß und naiv unvermittelt im Türrahmen und plappert in ihrem American drawl munter drauf los. Was tun, damit Ehefrau Margery ihrem Mann nicht auf die Schliche kommt? Der gutmütige Robert lässt sich dazu überreden, Jaynie als seine Ehefrau Jane auszugeben. Ein Freundschaftsdienst, den er alsbald bitter bereuen soll. Denn es kommt, wie es kommen muss. Aus heiterem Himmel schneit die echte Jane ins Haus. Dass beide Damen denselben Namen tragen, macht die Sache nicht eben leichter. Aus dieser total verfahrenen Gemengelage ergeben sich urkomische Situationen, die Sie, lieber Leser, liebe Leserin, völlig unvoreingenommen im Theater genießen sollen.
Nur eines noch: Während alle Akteure wie aufgescheuchte Hühner agieren, steht Margery, die sturm- und wettererprobte Ehefrau, wie ein Fels in der Brandung. Auch sie hegt ein „süßes Geheimnis“ – eine romantische Beziehung – die sie allerdings sehr elegant unter dem Deckel zu halten weiß. Fazit: Frauen können eben doch viel souveräner mit derlei Situationen umgehen als Männer! Selbstredend löst sich am Schluss der gordische Knoten von selbst auf. Die auf wundersame Weise geläuterten Paare versöhnen sich, und die Welt ist wieder in Ordnung. Wie es sich eben für eine Komödie gehört. Mit „Don’t missunderstand me“ läutet das English Theatre die Feiertagssaison ein. Das Stück bildet einen Kontrapunkt zu Neil LaButes Drama „This is how it goes,“ das wir an dieser Stelle bereits sehr ausführlich vorstellten, und ist wie geschaffen für einen schönen Theaterabend während der Weihnachtsfeiertage oder zum Jahreswechsel.
Autor Patrick Cargill (1918 -1996) war Stückeschreiber und Schauspieler in Personalunion. Er spielte Theater und trat nebenbei in zahlreichen Filmen auf. Wer erinnert sich nicht an seine Rolle in „A Countess from Hong Kong?“ Hier war er neben Weltstars wie Marlon Brando und Sophia Loren zu sehen. „Don’t misunderstand me“, das 1984 im Thorndike Theatre, Leatherhead, seine Uraufführung erlebte, erweist sich seither als Dauerbrenner in Großbritannien und den USA. Seit einiger Zeit feiert es auch auf dem „Kontinent“ Erfolge.
Dem Ensemble des English Theatre gelang es, aus der spritzigen Komödie ein wahres Feuerwerk zu machen. Die Spielfreude der Akteure riss das Publikum mit. Der Begriff „Ensemble“ sei erlaubt, weil mehrere der Darsteller eigentlich schon zur Familie gehören. Sie kommen immer wieder nach Hamburg und haben sich inzwischen schon so etwas wie eine Fangemeinde erspielt. Das gilt nicht nur für den eleganten James Walmsley als Charles Fleminge, dem nicht nur die Figur des Gentleman auf den Leib geschrieben ist. Die stets souverän agierende Jan Hirst (Margery), die uns als gestrenge Nonne in „Doubt“ noch in bester Erinnerung ist, hat ebenfalls die Herzen der Besucher des „TET“ erobert. Und auch Stephen Chance, dieser wandlungsfähige Mime, der übergangslos vom dramatischen ins komische Fach zu wechseln versteht, ist uns seit Langem bekannt. Man denke nur an seine Rolle des unter Verdacht geratenen Priesters in „Doubt.“ Liz Garlands als Jane spielte ihre Rolle als ebenso wütende wie tränenreiche Ehefrau Jane sehr überzeugend. Und der hübschen Madeleine Hutchins, die den Part der schrill-naiven Jaynie übernommen hatte, gebührt das Prädikat „umwerfend süß“.
„DONT’ MISUNDERSTAND ME“ läuft bis einschließlich 12. Februar 2011
Am 24. Februar feiert George Bernard Shaws „MRS. WARREN’ PROFESSION“
(„Frau Warrens Gewerbe“) Premiere. Wir kommen zu gegebener Zeit auf dieses Stück zurück.