Von Dr. Manuel Ruoff
»Schreibe, wie Du sprichst«
Durch Konrad Duden und die Reichsgründung erhielten die Deutschen eine einheitliche Rechtschreibung
Wenn es stimmt, dass Bildung und Armut eine gefährliche Kombination für den Status quo sind, dann war der Namensgeber des „Dudens“ prädestiniert, die Gesellschaft zu verändern.
Der junge Duden wuchs nicht im Elend auf, doch hatte seine in Wesel verwurzelte Familie schon einmal bessere Tage gesehen. Sein gleichnamiger Großvater war erst Stadtsekretär und anschließend sogar Bürgermeister gewesen. Und sein anderer Großvater, Jacob Monje, war Arzt und hatte mit Bossigt in Langhausen bei Wesel ein Landgut besessen. Konrad Dudens Vater war Branntweinbrenner und hatte von dessen Schwiegervater das Gut Bossigt übernommen. Doch überschuldete Johann Konrad Duden sich als Unternehmer derart, dass er das Landgut Gläubigern überlassen musste. Damals war Konrad Duden gerade vier Jahre alt.
Nur ein Freiplatz im evangelischen Waisenhaus und Stipendien ermöglichten es Duden, trotz des Umzugs der Familie nach Dinslaken im Jahre 1837 von 1838 bis 1846 das heutige Konrad-Duden-Gymnasium in Wesel zu besuchen. Nach dem Abitur nahm Duden in Bonn ein Studium der Philosophie, klassischen Philologie, Geschichte und Germanistik auf. Als 1848 die Revolution ausbrach, beteiligte sich das Mitglied der Verbindung „Germania“ an den Demonstrationen der Burschenschaften. Im selben Jahr brach Duden sein Studium aus Geldmangel ab und verdingte sich als Hauslehrer bei der Familie des Frankfurter Senators Eduard Franz Souchay. Trotz des Studienabbruchs gelang es Duden 1854, nicht nur in Bonn das Staatsexamen zu machen, sondern auch in Marburg ausschließlich aufgrund seiner Dissertation, also ohne Rigorosum, zu promovieren.
Duden setzte seine Ausbildung mit der Aufnahme eines einjährigen Referendariats am Archigymnasium in Soest fort. Doch bereits nach wenigen Wochen brach er wie zuvor bereits das Universitätsstudium nun auch das Referendariat ab, um eine Hauslehrerstelle annehmen zu können. Diesmal ging es allerdings nicht nach Frankfurt am Main, sondern nach Genua. In Messina lernte er mit Adeline Jakob die Tochter eines deutschen Konsuls kennen. Zwei Jahre nach seiner Rückkehr nach Deutschland heirateten die beiden. Aus der 1861 geschlossenen Ehe gingen sieben Kinder hervor.
Zurück in Deutschland, fing Duden am Archigymnasium in Soest, an dem er ein halbes Jahrzehnt zuvor kurz Referendar gewesen war, als Lehrer an. Wenige Jahre später erfolgte der Aufstieg zum Prorektor. Seiner Zeit voraus ersetzte er den traditionellen Hebräischunterricht durch die Unterrichtung der kommenden Lingua franca Englisch.
1869 wechselte er in die Dienste des Fürstentums Reuß und übernahm in Schleiß die Leitung des Gymnasiums „Ruthenum“. Dort setzte er sein Reformwerk fort. Die Fächer Schönschreiben und Tonlesekunst schaffte er ab und förderte dafür Singen, Zeichnen und Turnen.
Doch nicht nur seinen Schülern galten Dudens Reformbestrebungen und sein Engagement. So gründete er 1871 mit dem „Allgemeinen Bildungsverein“ eine Art Volkshochschule und ermöglichte mit dieser von den Honoratioren der Stadt finanziell geförderten Einrichtung sozial schwächer gestellten Bürgern einen Zugang zu allgemeiner Bildung. Des Weiteren gründete er einen Verein gegen Bettelei und Armut, übernahm den Vorsitz in einem Geselligkeitsverein, amtierte sowohl als Kirchenvorstandsmitglied als auch als Kreisgerichts-Geschworener und bemühte sich auf der Basis einer bereits existierenden Laienspieltradition Volksfestspiele zu etablieren.
Höhepunkt von Dudens außerschulischem bürgerschaftlichem und sozialem Engagement war jedoch die Vereinheitlichung der Rechtschreibung. Wie bei der jüngsten Rechtschreibreform standen sich auch damals Verfechter einer historisch-etymologischen und einer mehr phonetischen Schreibung gegenüber. Duden plädierte für das Prinzip „Schreibe, wie du sprichst“, da er es für das demokratischere hielt. In der Tat ist es sozialer, da es auch dem Deutschen ohne germanistische und sprachgeschichtliche Bildung die Möglichkeit gibt, korrekt zu schreiben.
Ein Jahr nach der Reichsgründung, die wie auf vielen anderen auch auf dem Gebiete der Rechtschreibung eine Vereinheitlichung beförderte, veröffentlichte Duden seinen sogenannten „Schleizer Duden“. „Die deutsche Rechtschreibung. Abhandlung, Regeln und Wörterverzeichniß mit etymologischen Angaben. Für die oberen Klassen höherer Lehranstalten und zur Selbstbelehrung für Gebildete“ lautete der Titel dieser Veröffentlichung.
Im selben Jahr wurde der Kultusminister des größten Bundesstaates des Reichs, Adalbert Falk, mit einer Harmonisierung und Standardisierung der Rechtschreibung beauftragt. Zu der 1876 in Berlin tagenden „Ersten Orthografischen Konferenz“ wurde auch der Autor des „Schleizer Dudens“ eingeladen. Allerdings scheiterte die Realisierung der dort erarbeiteten Reform zur „Herstellung größerer Einigkeit in der deutschen Rechtschreibung“ am Einspruch des Reichskanzlers und preußischen Ministerpräsidenten.
Duden erkannte, dass gegen und ohne Preußen auf deutschem Boden nichts zu wollen war. Folgerichtig wechselte er in preußische Dienste und übernahm 1876 die Leitung des Gymnasiums in Hersfeld. Für sein nächstes großes Werk, den sogenannten Urduden, orientierte er sich an preußischen Regeln, wobei er Besonderheiten im mit großem Abstand folgenden zweitgrößten Bundesstaat des Reiches, Bayern, berücksichtigte. 1880 veröffentlichte er das „Vollständige orthographische Wörterbuch der deutschen Sprache“.
1901 fand in Berlin eine „Zweite Orthographische Konferenz“ statt. Auf ihr einigten sich in Anwesenheit Dudens Vertreter der deutschen Bundesstaaten und Österreich-Ungarns auf eine einheitliche deutsche Rechtschreibung auf der Grundlage des vom Schulleiter aus Hersfeld veröffentlichten Werkes. Ein Jahr später erschien die mittlerweile siebte Auflage des Dudens, mit den auf der Berliner Konferenz beschlossenen Änderungen. Nach Erscheinen dieser überarbeiteten Auflage unter Einschluss der Ergebnisse der Konferenz von 1901 erklärte der Bundesrat des Deutschen Reiches Dudens „Regeln für die deutsche Rechtschreibung nebst Wörterverzeichnis“ für alle Bundesstaaten für verbindlich. Österreich-Ungarn und die Schweiz schlossen sich an.
1905 beendete Duden sein Wirken als Lehrer und ging in den Ruhestand. Im selben Jahr erschien sein Werk bereits in der neunten Auflage und erstmals unter dem heutigen Titel „Duden“. Sechs Jahre später, am 1. August 1911, starb Konrad Duden in Sonnenberg bei Wiesbaden, wo er seinen Ruhestand verlebt hatte.
Um nach der „Zweiten Orthographischen Konferenz“ von 1901 deren Wünsche möglichst schnell in eine neue Auflage einarbeiten zu können, hatte der Verlag Bibliographisches Institut in Leipzig seinem Erfolgsautoren einige Mitarbeiter zur Seite gestellt. Das war die Geburtsstunde der Dudenredaktion, die dafür sorgte und sorgt, dass der „Duden“ auch nach dem Tode seines Namensgebers die Entwicklung des Deutschen als einer lebenden Sprache regelmäßig nachvollzieht.