von Götz Egloff
Jubiläum für Kathrin Angerer: 20 Jahre auf der Volksbühne
„Endstation Amerika“, „Dämonen“, „Erniedrigte und Beleidigte“, „Der Meister und Margarita“, „Lehrstück“, „Nach Moskau!“, „Der Spieler“: legendäre Castorf-Inszenierungen, denen Kathrin Angerer ihr unverwechselbares Schauspiel verliehen hat. Mit Meese, Gotscheff und Bondy hat sie gearbeitet; vor allem aber hat Kathrin Angerer Stil und Erscheinung der Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin maßgeblich mitgeprägt.
Mit der Spielzeit 1993/94 begann ihr Weg durch manche Trümmer des Schauspiel-Kanons und deren Transformation in hochaktuelle Meilensteine gesellschaftskritischer Kunst durch Frank Castorf. Der Zeit voraus, oft in greller Ästhetik, doch ohne leise Töne zu vernachlässigen. Zur Jahrtausendwende, einer Zeit, als Hartz IV-Empfänger noch Arbeitslose genannt wurden, entstanden Abende, die die Zustände gesellschaftlicher Prekarisierung vorwegnahmen und immer zwischen Terror und Wahn, Alltag und Armut oszillierten. Post-9/11 in Höchstform, durften Castorf-Inszenierungen nicht nur ein Happening erwarten lassen, sondern auch höchste Schauspielkunst. Unvergessen Kathrin Angerers vierstündiger Parforce-Ritt als Margarita auf, vor und hinter der Bühne in Bulgakovs antifaschistischem Standardwerk; Herausforderung für Affekt und Intellekt.
In den letzten Jahren etwas ruhiger, doch immer wieder phantastische Zugriffe bietend, hat dieses Theater Maßstäbe gesetzt. Angerer war und ist immer wieder tragender Teil davon; letztens neben Sylvester Groth in Castorfs seltsamer, doch gelungener Kleist-Inszenierung „Die Marquise von O“, oder in der aktuellen Spielzeit am Berliner Ensemble mit Samuel Finzi in Luc Bondys altmodisch funktionierendem Horváth „Don Juan kommt aus dem Krieg“. Angerer hat eine Theater-Epoche entscheidend mitgeprägt; dies an sich ist schon eine Lebensleistung. Für das deutschsprachige Schauspiel ist sie ein Glücksgriff.
Foto: Detlev Schneider