von Uta Buhr
Fotos: Stefan Kock
Warum neues altes Stück? Dieser Thriller des britisch-kanadischen Autors und Theatermannes Peter Colley erfreut sich weltweit so großer Beliebtheit, dass auch die Bühne an der Mundsburg es bereits zum dritten Mal in ihr Programm aufgenommen hat – allerdings in sehr großen zeitlichen Abständen. Nach dieser langen Pause erschließt sich dem Zuschauer das Stück völlig neu, selbst wenn er noch die eine oder andere Szene im Kopf hat.
Eigentlich müsste diesem Thriller eine jener Warnungen an besonders zart besaitete Gemüter vorausgehen, wie wir sie aus dem Fernsehen kennen. Zumal in manchen Szenen scharf geschossen wird, und dies aus einer Jagdflinte, die dem Publikum bereits ins Auge sticht, sobald der Vorhang sich gehoben hat. Die bedrohliche Stimmung wird noch verstärkt durch die dissonante musikalische Untermalung aus dem Off. Herannahendes Unheil kündigt sich schon in den ersten Minuten an.
Ort der Handlung ist ein altes Farmhaus, vermutlich in einer entlegenen Grafschaft des Vereinigten Königreiches. Das düstere Intérieur – abgenutzte dunkle Möbel, verschlissene Polstermöbel, grauenvoll gemusterte Vorhänge und als Höhepunkt eine steinzeitlich anmutende Axt an der Wand – jagen manchem Zuschauer kalte Schauer über den Rücken. Verhuscht wirken die Bewohner dieser unheimlichen Idylle. Da sind die hübsche blonde Jan (zart und zerbrechlich Eleanor Joyce) und ihr Ehemann Greg Sanderson, ein gut aussehender Sportscrack (herrlich perfide Christopher Hunter), der schon in aller Herrgottsfrühe im Wald joggt und im Übrigen fanatisch an einer Maschine arbeitet, mit der er steinzeitliche Gegenstände und Waffen nachbauen will. Seine Studien wurden bis dato großzügig von Jans wohlhabendem Vater unterstützt.
Ist die Sorge um seine Frau Jan, die gerade aus einer Psychiatrischen Klinik entlassen wurde und unter schweren Angstattacken leidet, wirklich echt? Jans Bedenken verflüchtigen sich zunächst, als George Willowby (souverän wie üblich Alan Booty!), ein alteingesessener Bauer aus der Umgebung, zu Besuch kommt und Jan mit seiner humorvollen Art zum Lachen bringt. Was dann kommt, lässt ihr das Blut in den Adern erstarren. George berichtet von dunklen Mächten, Geistern und verschiedenen Morden, die sich hier vor nicht allzu langer Zeit abgespielt haben. „Und jedes Mal, wenn wieder ein Mord geschieht, breitet sich ein großer Blutfleck hier auf dem Fußboden aus“, lacht er gut gelaunt und weist auf eine Stelle im Zimmer. All dies ist nicht geeignet, Jans Psyche zu erheitern, zumal sie sich immer wieder die Frage stellt, warum Greg sie gerade in dieses finstere Haus am Ende der Welt gebracht hat. Die ohnehin angespannte Lage spitzt sich zu, als zu allem Überfluss Laura, Gregs attraktive Schwester (Holly Smith als femme fatale) auf der Bildfläche erscheint. Was will die nur hier, fragt sich Jan, die ihre Schwägerin nie mochte, und schluckt gleich einige ihrer Tabletten, um sich zu beruhigen.
Wie nicht anders zu erwarten, geschehen mit einem Mal zutiefst beunruhigende Dinge im Haus, die Jan an den Rand eines erneuten Nervenzusammenbruchs bringen. Das elektrische Licht in dem alten Gemäuer beginnt zu flackern, bevor es ganz erlischt. Jemand klopft ans Fenster und begehrt Einlass. Die wuchtige Eichentür vibriert unter schweren Schlägen. Was Jan am meisten ängstigt, ist ein lautes Geräusch, das sich anhört wie das Pochen eines Herzens. Als dann noch hinter dem Sofa eine riesige Erscheinung auftaucht und gleich wieder verschwindet, fällt Jan in Ohnmacht. Immer unheimlicher wird es im Haus, zumal es draußen zu stürmen angefangen hat und ein schweres Gewitter mit Donner und Blitz über dem Land tobt.
Allmählich fragt sich das Publikum, welche Rolle der so jovial wirkende George eigentlich spielt. Dass mit der Schwester Laura etwas nicht stimmt, wusste jeder von Anbeginn. Und wie steht es um Ehemann Greg, der Jan immer wieder mahnt, ihr Librium zu schlucken? Fragen über Fragen, die Sie, liebe Zuschauer, sich selbst beantworten werden, wenn Sie dieses Stück sehen. Nur soviel: Dieser Thriller hält noch viele Wendungen bereit, die zu einem völlig unerwarteten Finale führen. Mehr wird hier nicht verraten. Weitere Details über den Fortgang der Geschichte preiszugeben würde bedeuten, dem Zuschauer die Spannung zu nehmen. Meine Empfehlung: Ins TET gehen und einen fantastischen Thriller mit vier wunderbaren Schauspielern erleben. Gänsehaut garantiert!
Autor Peter Colley ist einer der renommiertesten Stückeschreiber im angelsächsischen Sprachraum. Einen ganz großen Namen machte er sich mit Psychothrillern. Auf sein Konto gehen neben vielen anderen Theaterstücken „When the Reaper calls“ and „The Murder in Noirville.” Was Colley unter anderem auszeichnet, ist die Verquickung einer hochdramatischen, spannenden Handlung mit einer gelegentlichen Prise Humor. Diese fehlt auch in „I’ll be back before Midnight“ nicht. Darin gleicht er Altmeister Alfred Hitchcock, der ebenfalls die unvergleichliche Gabe besaß, in fast jeden seiner Krimis wohldosierte Dosen schwarzen Humors einfließen zu lassen. Der Psychoschocker. „Das Haus der Lady Alquist“ mit Ingrid Bergman und Charles Boyer“ aus dem Jahre 1944 lässt gewisse Parallelen zu Peter Colleys Thriller erkennen. Allerdings wurde dieser nicht von „Hitch“, sondern von einem anderen Großen dieses Genres verfilmt, dem amerikanischen Regisseur George Cukor.
Fazit: Ein herrlicher Theaterabend, den sich keiner entgehen lassen sollte.
„I’ll be back before Midnight“ läuft bis einschließlich 4. November 2017
Tickets unter der Telefonnummer 040 -227 70 89 oder online unter www.english-theatre.de
Nächste Premiere: „Boeing-Boeing“ – eine Farce von Marc Camoletti, am 16. November 2017. Beginn 20.00 Uhr.