von Uta Buhr
Fotos: Stefan Kock
Um Kontrastprogramme war das Theater an der Mundsburg noch nie verlegen. Und das ist auch gut so. Auf Oscar Wildes Klassiker „Das Bildnis des Dorian Gray“ folgt nun nahtlos eine ausgeflippte Off-Broadway-Comedy, die es in jeder Hinsicht in sich hat. Nur vier singende und tanzende Schauspieler, zwei Frauen und zwei Männer, bestreiten dieses temporeiche Musical und übernehmen nacheinander eine Anzahl unterschiedlichster Rollen und Charaktere.
Genau genommen hat dieses revueartige Stück keine richtige Handlung. Hier reiht sich eine Sequenz an die nächste und erzählt in teilweise witziger oder melodramatischer Weise vom Leben und Wirken ganz normaler Menschen, von den Höhenflügen romantischer Liebe bis in die Niederungen von Alter und Einsamkeit.
Die Bühne ist minimalistisch mit Stellwänden ausgestattet, aus denen – je nach Bedarf – ein Sofa oder ein Doppelbett hervorgezaubert wird. Die Präsenz der Darsteller macht die Kargheit mehr als wett. Wenn sich der Vorhang hebt, fühlt der Zuschauer sich in ein klösterliches Ambiente versetzt. Denn aus dem Off erklingt ein an gregorianische Gesänge gemahnender Singsang aus den Kehlen von vier in Mönchskutten gehüllte Gestalten. Dieser Prolog ist mit „Cantata For A First Date“ treffend überschrieben! Alsdann wird das namenlose Quartett von seinem Autor Joe DiPietro in den schnöden Alltag entlassen und erheitert das Publikum in Spielszenen um all das, was wir aus unserem täglichen Leben kennen. Hier wird die erste romantische Liebe ebenso stilsicher thematisiert wie ein völlig verpatztes Rendez-vous. Erinnern die Szenen einer Ehe uns nicht auch an das, was wir selbst einst erlebten, als wir noch jung und hoffnungsvoll waren? Mit viel Witz baut der Autor auch die Begegnung eines Paares ein, das im Ehebett von den beiden amerikanischen Sexualforschern William Masters und Virginia Johnson buchstäblich heimgesucht wird, die in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts Furore machten und besonders das Sexualverhalten der prüden Amerikaner völlig umkrempeln wollten. Ihre kruden Methoden schwappten auch nach Europa über. In einem nahezu atemberaubenden Tempo wechselt die Handlung von erheiternd skurrilen Auftritten des Schauspieler-Quartetts zu traurigen, fast erschütternden Szenen. Wenn zum Beispiel die einsame junge Frau versucht, über eine Partnerschaftsvermittlung einen Mann zu finden und ihren langen Monolog vor einer Videokamera mit einem verzweifelten „Video man, choose me“ beendet, kommen einem fast die Tränen. Das Leben ist eben kein Wunschkonzert!
Nicht minder anrührend ist das Treffen zweier in die Jahre gekommener „Bestager“ auf einer Beerdigung, die im Angesicht des Todes einer guten Freundin zueinander finden. Grandios!
In diesem erneut von Paul Glaser genial mit leichter Hand inszenierten Stück begegnen wir vier schauspielerisch und sängerisch begabten Mimen, die auch noch tanzen können und sowohl ballettähnliche Einlagen wie Tangoschritte gekonnt hinlegen. Alle vier Darsteller haben bereits erfolgreiche Karrieren vorzuweisen. Die aus Australien stammende Alexandra Fisher hat sich auch als Shakespeare-Interpretin einen Namen gemacht, während Alex Wadham unter anderem in Agatha Christies „Mausefalle“ am ACT im schottischen Aberdeen brillierte. Alice Redmont ist eine ausgewiesene Musical-Sängerin mit einem wundervoll tragenden Mezzosopran, die als Madame Thénadier in „Les Misérables“ an der Londoner Pimlico Oper auftrat. Bleibt noch Scott Ellis, ein Mime, der in erster Linie auf die Werke eines William Shakespeare spezialisiert ist, aber auch die leichte Muse souverän beherrscht. Allerdings wäre „I Love You, You’re Perfect, Now Change“ nur halb so gelungen ohne den Mann am Klavier. Der ursprünglich in New York beheimatete Arrangeur, Komponist, Dirigent und – last but not least – Pianist James Mironchik konnte während des ganzen Stücks hinter einer getönten Glasscheibe bestaunt werden. Eine Performance der Sonderklasse. Chapeau!
Fazit: Ein äußerst amüsanter Abend, der für viel gute Laune sowohl beim Publikum als auch bei den Schauspielern sorgte. Stehende Ovationen und viele Vorhänge.
Noch ein paar Takte zum Autor und seinem musikalischen Partner:
Joe DiPietro ist ein amerikanischer Autor und Lyriker, der sich bereits mit verschiedenen Stücken wie „Memphis“, „Clever little Lies“ und „Living on Love“ hervor getan hat. Jimmy Roberts, der auch ein anerkannter Pianist ist, gilt als einer der führenden Komponisten von Musicals in Amerika.
Auf sein Konto gehen u.a. „Pets“, „The Thing about Men“ und „I sing, I Pray.“
Übrigens – “I Love You, You’re Perfect, Now Change” lief insgesamt zwölf Jahre und ging mit 5.003 Vorstellungen in die Geschichte des Off-Broadway Westside Theaters ein.
„I Love You, You’re Perfect, Now Change“ läuft bis einschließlich 23. Juni 2018
Tickets unter der Telfonnummer 040-227 70 89 oder online unter www.english-theatre.de
Nächste Premiere: „Death Knell“, ein Thriller von James Cawood, am 6. September 2018