von Dr. Manuel Ruoff
Bei einer Auflistung der erfolgreichsten protestantischen Theologen Nachkriegsdeutschlands darf sein Name nicht fehlen: Helmut Thielicke. Der am 4. Dezember 1908 in Barmen geborene Wissenschaftler und Prediger mit starker Medienpräsenz wusste Hörsäle wie Kirchen zu füllen – und stellte sich gegen den Zeitgeist. Nach dem verlorenen Zweiten Weltkrieg wandte er sich 1947 öffentlich in einer Karfreitagspredigt gegen eine „undifferenzierte Kollektivverdammung der Deutschen“ und protestierte gegen Verbrechen unter dem Deckmantel der „Entnazifizierung“. Dreieinhalb Jahrzehnte später hielt er dem Weltkirchenrat den Spiegel vor, indem er ihm vorwarf, von einem „Repräsentanten der Kirche zu einem Polit-Club mit zunehmender Hörigkeit gegenüber marxistischen Programmen“ zu werden.
Zusätzliches Gewicht erhielt Thielickes Kritik dadurch, dass er selber zu den Opfern des NS-Regimes gehört hat. Bemerkenswerterweise war es mit Karl Barth einer der schärfsten Kritiker der NS-Gleichschaltungspolitik, der Thielicke für die Theologie begeistern konnte. 1940 unterbrachen die Nationalsozialisten die steile Karriere des Nachwuchswissenschaftlers durch Amtsenthebung sowie Rede-, Schreib- und Reiseverbot. Der väterliche Freund Bischof Theophil Wurm bewahrte den Angehörigen der Bekennenden Kirche in dieser Situation vor dem beruflichen Nichts.
Nach dem Ende von Krieg und NS-Herrschaft setzte der Religionswissenschaftler sein Wirken in herausgehobener Stellung fort. In Tübingen übernahm er einen Lehrstuhl für Systematische Theologie. 1951 wurde er Rektor der Universität und Präsident der Westdeutschen Rektorenkonferenz. 1954 wurde er nach Hamburg gerufen, um an der dortigen Universität als Dekan eine Theologische Fakultät aufzubauen. 1960 wurde er – wie zuvor ja schon in Tübingen – auch hier Rektor. Hamburg blieb die letzte Station des gebürtigen Preußen und dort starb er auch am 5. März 1986.