Von Günther Falbe Fotos von Tobias Gloger
Im literarischen Klangkörper des Hamburger Kulturlebens dürfte in Zukunft eine
unverwechselbare Stimme fehlen: Hans-Peter Kurr nahm Abschied von der Bühne, auf der er
mehr als 50 Jahre lang als Schauspieler in den unterschiedlichsten Rollen agierte. „Ade, HP“
verkündeten die Plakate, die auf seinen Bühnen-Abschied Anfang Januar 20l5 hinwiesen, für
das er selber ein Programm zusammengestellt hatte. Sein Abgang voın Bühnenleben erfolgte
stufenweise an drei Gala-Abenden in den Mozartsälen im Logenhaus aın Dammtor. Da das
Leitmotiv „Abschied“ hieß, hatte Kı.ırr für die beiden ersten Veranstaltungen den Einakter
„Der Bär“ von Anton Tschechow gewählt, den er musikalisch ınit russischen Liedern und
Songs umrahmt zu eindrucksvollen „Tschechow-Abenden“ werden ließ. Zum Höhepunkt
seines Bühnenabschieds wurde aber der dritte Abend mit einem Monodram , das ein
langjähriger Freund des Schauspielers eigens zu diesem Anlass geschrieben hat und das von
Hans-Peter Kurr als alleinigeın Akteur eine bis zur äußersten Grenze ausgereizte Leistung
verlangte, die er grandios erfüllte. Vor allem, weil er in dieser letzten Bühnenrolle seine
voluminöse Stimme voll einsetzen konnte, deren Modulationslähigkeit erja in seinem langen
Theaterleben immer wieder unter Beweis gestellt hat.
Nicht nur als Schauspieler, obgleich seine Bühnen -, TV- und Filmauftritte inzwischen die
Messlatte von 100 Rollen weit überschritten haben. Auch auf der Sprechbühne und auf vielen
Leseabenden und Rezitationsveranstaltungen schlug er stets die Zuhörer mit seiner
großartigen Vortragskunst in Bann. Aber seine Stimme ist ntır ein Pfund, mit dem er wuchern
kann. Noch stärker schlägt die Zahl der Inszenierungen in seinem Theaterleben zu Buche, die
sich langsam der 200-Marge nähert. Und dass er sie erreichen wird, besteht keine Zweifel,
denn Hans-Peter-Kurr wird zwar von d er Bühne als Akteur abtreten, sie wird ihm aber als
weites Feld für seine Inszenierungen bleiben. Es ist also kein endgültiger Abschied von der
Bühne sondern nur die Umsetzung seiner Theaterarbeit von der Schauspielerei zur Regie, in
der er weiter sein Können beweisen wird. Auch seine Lehrtätigkeit als Dozent tür Regie und
Theatergeschichte an der Freien Schauspielschule Hamburg wird er weiterführen. Vielen
jungen Menschen hat er im Laufe der Jahrzehnte ınit den Theaterprodtıktionen des
„Hamburgischen Kulturkontors“ die Möglichkeiten für eine Präsentation ihres Könnens
gegeben, so wie jetzt als Mitwirkende an den Tschechow – Abenden. Die Arbeit mit diesen
qualifıziertenjungen Menschen wird ihn auch weiter fordern.
Jetzt aber stand sein Abgang als Schauspieler auf seinem Lebensprogramın und wie dieser vor
sich ging, wird allen, die dabei waren, lange unvergessen bleiben. Während im Tschechow-
Einakter weitere Schauspieler ınitwirkten, zeigte sich das Premierenstück „Morandi“ als ein
Monodram, das nur von einem einzigen Darsteller gespielt wird. Der Name des Autors Paul
F. Stach, der das Stück seinem langjährigen Freund „auf den Leib geschrieben hat“, ist ein
Pseudonym. Kurr spielt in dem Ein-Personen-Stück einen italienischen Maler, der sich kurz
vor seinem Tod einer selbstkritischen Nabelschau unterzieht, in der sich ein Leben voller
Zwänge und Widersprüche, voller zu spät erkannter und daher nie gereifter Wünsche
offenbart und das unerfüllt zu enden scheint. Ein Abschied in einem Selbstgespräch,. in dem
sich Tag und Traum vermischen wie die Farben auf einer Palette und bei dem der müde
gewordene Maler doch erkennen kann: So war mein Leben. Es wurde ein Theaterabend, wie
man ihn auch in einer Stadt ınit reicheın Kulturleben selten erlebt, getragen von der
Darstellungskunst eines 78 jährigen Schauspielers. der damit sein letztes Rollenbuch aus der
Hand legte.