Von Dr. Manuel Ruoff
Mancher Ältere wird den ersten Bundesvorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) als einen der Väter der Einheitsgewerkschaft in der Bundesrepublik Deutschland sowie der einst heiß umkämpften Mitbestimmung in der Montanindustrie kennen, mancher Jüngere hingegen als Namensgeber der Hans-Böckler-Stiftung, des Mitbestimmungs-, Forschungs- und Studienförderungswerkes des DGB. Hans Böckler stammte aus kleinsten Verhältnissen. Als sein Vater 1888 starb, musste der am 26. Februar 1875 im mittelfränkischen Trautskirchen bei Neustadt an der Aisch geborene Junge den Schulbesuch abbrechen, um als Gold- und Silberschläger für den Lebensunterhalt der sechsköpfigen Familie aufzukommen.
1894 wurde er Mitglied der SPD und des Deutschen Metallarbeiter-Verbandes. 1903 wurde die Gewerkschaftsarbeit sein Beruf. Bis zum Ende der Weimarer Republik stieg er bis zum Leiter des Bezirkes Rheinland und Westfalen-Lippe des SPD-nahen Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB) auf. Parallel engagierte er sich in der SPD, für die er ab 1924 in der Kölner Stadtverordnetenversammlung und ab 1928 im Reichstag saß.
Damit war nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten Schluss. „In der Nazizeit habe ich einfach meine Pflicht getan, war wiederholt in Schutzhaft und wurde, wie so viele andere, wirtschaftlich vernichtet“, schreibt er selber rückblickend.
1945 fing er dort an, wo er 1933 aufgehört hatte. In einem Lebensalter, in dem andere bereits im Ruhestand sind, organisierte Böckler jedoch nicht nur die Gewerkschaftsarbeit im Rheinland und in Westfalen, sondern arbeitete auch an der sowohl überregionalen als auch überparteilichen Einheitsgewerkschaft. Dabei halfen ihm gute Kontakte zur britischen Militärregierung, die ihm uneingeschränkte Bewegungs- und Redefreiheit verschaffte. Früher als die US-Amerikaner und Franzosen erlaubte sie 1947 die Bildung eines länderübergreifenden, zonenweiten Gewerkschaftsdachverbandes, und Hans Böckler wurde sein Vorsitzender.
Noch im Jahr der Gründung der Bundesrepublik wurde der erste Vorsitzende eines zonenweiten Gewerkschaftsdachverbandes der erste Vorsitzende des frischgegründeten Deutschen Gewerkschaftsbundes. An der DGB-Spitze sind ihm nur zwei Jahre bis zu seinem Tode am 16. Februar 1951 in Düsseldorf beschieden. Doch gelang ihm in diesen zwei Jahren die Durchsetzung der paritätischen Mitbestimmung der Arbeitnehmer in der Montanindustrie. Der liberale Wirtschaftsminister Ludwig Erhard leistete zwar Widerstand, doch Bundeskanzler Konrad Adenauer gab nach als Gegenleistung für die Unterstützung des DGB beim Beitritt der Bundesrepublik zur Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (Montanunion).