erschienen im Hamburger Abendblatt am 26. August 2010
Von Johanna R. Wöhlke
Heute weiß ich: Ich verstehe nichts von Golf. Bis gestern dachte ich noch, ich hätte die wesentlichen Grundzüge des Spieles verstanden. Nun weiß ich: Ich wusste gar nichts! Reinhard ist schuld. Er ist ein begeisterter Golfer und hat mir einiges erzählt. Das hat mich hellhörig gemacht und nun sehe ich alle Golfer in einem völlig neuen Licht.
Er hat zum Beispiel gesagt, dass Golf der ideale Sport wäre, um Menschen positiv zu disziplinieren. Warum? Es sei oberste Etikette beim Spiel, niemals jemanden zu belehren oder gar zu beschimpfen. Selbst der beste Spieler muss zum Beispiel ruhig und diszipliniert in der Schlange warten, wenn der Anfänger seinen Ball so weit verschlagen hat, dass die Suche sich zeitaufwändig gestaltet – in Büschen und im Unterholz, in Tümpeln und Bächen, zwischen Moos und hohem Randgras.
Ich schließe daraus: Suchen und warten sind elementare Bestandteile des Golfspieles! Nun begreife ich auch, warum so viele Menschen vom Golfspiel fasziniert sind. Sie verbinden die Schönheit der Natur und die Freude am Spiel mit erzieherischen Aspekten in gesellschaftlich angenehmer Atmosphäre. Das leuchtet mir ein.
Reinhard ist ein sehr guter Golfer und offensichtlich schon sehr weit in diesem Prozess gediehen – sonst hätte er mir das alles nicht mit einem charmanten Schmunzeln berichtet. Er ist aber noch nicht fertig, denn bis zum Schluss hat er sich eine weitere interessante Information aufgehoben.
Die 18-Löcher, die gespielt werden müssen, werden manchmal noch von einem 19ten Loch übertroffen, bei dem alle gleich gut teilhaben können, ob gute oder schlechte Spieler: Das 19te Loch ist immer die Gaststätte, genauer gesagt: die erwartungsvoll durstige Kehle nach einem anstrengenden Spiel in frischer Luft.
Wie es denn da mit der Disziplin sei, frage ich. Nun lacht Reinhard: „Na ja – wie immer halt – selbst der beste Spieler muss warten, bis er endlich bedient wird…“