Fischersfrau fängt frische Fische

Dieser Artikel erschien am 21. März 2014 in der PAZ

Von Uta Buhr

Heike Winder
Heike Winder

Am Bodensee werfen auch Frauen ihre Netze aus – In Hagnau erinnert man sich dabei an einen alten Schlager.
Statt einfache Beute von Männern zu sein, macht die holde Maid selbst Jagd – auf Fische, angelt sich dann später aber selbst einen Mann. So jedenfalls in einem beliebten Heimatfilm aus den 1950er Jahren. Heute ist die Realität am Bodensee eine andere.

„Die Fischerin vom Bodensee ist eine schöne Maid juchhee.“ So begann ein Schlager, der in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts Furore machte. Zum Lied gesellte sich bald ein Film gleichen Titels, der Scharen von Zuschauern in die Kinos lockte. Wenn er heute hin und wieder im Nachmittagsprogramm eines TV-Senders zu sehen ist, begeistert die einfache, in der arkadischen Landschaft des Bodensees verortete Handlung nicht nur ältere Semester. Hauptdarstellerin Marianne Hold, die weiland in ihrem weißen Kahn auf den See hinaus ruderte und ihre Netze auslegte, in die sich auch ein alter Hecht verirrt,
„der noch möcht’ ins Netz hinein, um bei der schönen Fischerin zu sein“, findet – man staune – auch bei Kindern und jungen Leuten Anklang.

Bei Wind und Wetter
Bei Wind und Wetter

Über diese heile Welt kann die „echte“ Fischerin Heike Winder aus Hagnau nur lächeln. Im Gegensatz zur blond bezopften Filmbesetzung ist die gestandene Frau dunkelhaarig und trägt statt des feschen Dirndls zünftige Berufskleidung, wie es sich halt gehört für diesen Job. Wie schwer die Fischerei wirklich ist, erfahren wir während einer Ausfahrt mit Frau Winder in
ihrem Kahn. In aller Herrgottsfrühe bricht sie auf, wenn noch Nebelschwaden über dem See wabern. Wer traut dieser zierlichen Frau schon die Kraft zu, das schwere Netz mit der zappelnden Beute an Bord zu ziehen! Jahrelange Übungssache, sagt sie und blickt zufrieden auf den Fang, der sich gelohnt hat. Einen Teil der Felchen, Kretzer, Seesaiblinge und Seeforellen frisch aus dem See werden an die einheimischen Restaurants verkauft und kommen mittags bereits auf den Tisch. Weithin berühmt sind die Felchen, die ein schlichtes Schild mit der Aufschrift „Frisch geräucherter Fisch“ vor Heike Winders Haus zum Verzehr anbietet. Ihr Rezept, plaudert die muntere junge Frau aus, ist denkbar einfach. Meersalz und der Rauch von Buchenholz machen die Fische zu einem einzigartigen kulinarischen Erlebnis. Es versteht sich, dass zum Essen ein Wein aus der Region getrunken wird. Am besten passt ein Müller-Thurgau, der auch in der Küche der gastronomischen Betriebe verwendet wird. Gebratene Fischfilets in Weißweinsauce sind ebenfalls ein Hochgenuss.

Blick über die Weinberge
Blick über die Weinberge

„Die Entwicklung unseres Weinanbaus verdanken wir dem legendären katholischen Pfarrer
Heinrich Hansjacob aus Freiburg, den man auch den Rebell im Priesterrock nannte“, erzählt der Wirt vom „Steghaus.“ 1869 wurde der an sozialen Belangen interessierte Gottesmann hier ansässig und regte die Gründung einer Winzergenossenschaft an. Die Gemeinde war seinerzeit bettelarm. Der Weinverkauf – 15 Pfennig pro Liter – war praktisch ein Zusatzgeschäft. Die Energie des Pfarrers sprang auf die Bevölkerung über, die erste badische Winzergenossenschaft wurde in Hagnau gegründet und trug bald schon Früchte.

Hagnau Ansicht
Hagnau Ansicht

„Wir haben hier nicht nur eine der schönsten und abwechslungsreichsten Landschaften zu bieten, sondern auch exquisite Weine, die leider noch viel zu wenig bekannt sind.“
Während der Weinprobe in einem weiß getünchten Keller erzählt eine Winzerin von der über vierhundertjährigen Geschichte des kleinen Weinortes, in dem es einst 31 Torkeln (Weinpressen) gab. Tempi passati, seufzt sie. Aber die 105 Hektar Weinanbaufläche rund um das Dorf liefern Tropfen vom Feinsten: „Probieren Sie zunächst mal unseren rassigen Kerner.“ Gläser mit Ruländer, Bacchus, Burgunder und Müller-Thurgau machen die Runde. Allesamt vorzügliche Rebsorten! Außer dem Wein wartet Hagnau mit weiteren Kostbarkeiten auf. Neben der spätgotischen Kirche St. Johannes lohnen noch das Heimatmuseum mit der Dauerausstellung „Winzer und Küfer“ sowie das inzwischen weltberühmte „Kleine Museum“ einen Besuch. Letzteres bezaubert mit seiner einmaligen Sammlung von Puppenstuben und historischem Spielzeug.

Seeansicht von Hagnau
Seeansicht von Hagnau

Alle Wege durch Hagnau führen zurück zu Heike Winder, die am nächsten Morgen wieder mit ihrem Kahn in „See sticht.“ An diesem Freitag ist das Wetter nicht gar so schön. Der Himmel hat sich zugezogen, ein Wind kommt auf und lässt das Boot schlingern. Mit dem großen Fang wird es heute offenbar nichts. Vielleicht haben die Kolleginnen in den anderen Dörfern mehr Glück, sinniert Heike Winder. Gibt es denn außer ihr hier noch weitere
Fischerinnen? Insgesamt sechs. Frau Winder ist nicht die einzige, die im „Schwäbischen Meer“ fischt. Aber sicherlich die bekannteste, deren Kahn jedoch nicht wie im Lied so romantisch besungen, von einem weißen Schwan gezogen wird, während die Nixen tanzen und die Frösche Musik machen, lacht Heike Winder und zieht ihr Netz ein, in dem heute nur wenige Felche zappeln. Für die Familie reicht es, und morgen soll es laut Wetterbericht wieder besser werden. Na dann, Petri Heil, liebe Fischerin vom Bodensee!
www.hagnau.de