Karibische Lebensfreude in Fidel Castros sozialistischem Paradies
Von Uta Buhr
CUBA SÍ ! So lautete das Motto des diesjährigen Partnerlandes der Messe REISEN HAMBURG, die im Februar stattfand. Wer Kuba besucht, vergißt die gängigen Klischees Rum, Zucker und Cohibas sehr schnell und taucht ein in das pralle Leben der „Perle der Karibik“. Ansteckend ist die Fröhlichkeit vieler der 10,5 Millionen Kubaner. Auch jahrzehntelange sozialistische Miß- und Mangelwirtschaft haben ihnen ihren Optimismus nicht rauben können. Also auf nach Kuba! Es gilt, ein exotisches Inselparadies in all seiner Vielfalt an Kulturen und alten Bräuchen zu entdecken. Wie ein feuriger Ball versinkt die Sonne im Meer. Eine würzige Brise streicht über die Bucht. Leise schwappen die Wellen gegen die Kaimauer des Malecón, Havanas sieben Kilometer lange Uferpromenade, die sich vom Prado bis zum Río Almendares erstreckt. Auch nach Einbruch der Dunkelheit ist die Stadt hellwach. Eine Gruppe fröhlich schnatternder Teenager setzt sich an den steinigen Strand, Liebespaare promenieren Arm in Arm, die Schlaglöcher auf dem Gehsteig peinlich vermeidend. Und hoch auf der Mauer beginnt eine fünfköpfige schwarze Band ihre späte Jamsession.
Bald erfüllen afro-karibische Rhythmen die tropische Nacht, zu denen der Friseur auf der anderen Seite der Straße seinem Kunden die Haare schneidet. Er übt sein Handwerk vor dem zerfallenen Hauseingang einer einst prächtigen barocken Residenz aus. Sein einziges Betriebskapital sind ein wackeliger Stuhl, Schere und Kamm. In den Nebenstraßen geht es nicht weniger munter zu. Um diese Zeit wird der Balkon zur Loge, von dem die habaneros die Welt mit Theateraugen betrachten. „Olá Juan, qué tal?“ ruft die Frau im ersten Stock dem jungen Mann zu, der mitten auf der Straße steht und eine Touristin in gebrochenem Englisch um Seife, Kaugummi, Kugelschreiber oder einen peso convertible bittet.
Den Bewohnern der „Zuckerinsel“ mangelt es an vielem. Man mag es kaum glauben. Aber auch Zucker ist rationiert und steht wie eine Kostbarkeit in kleinen Glashäfen auf den traurig leeren Regalen der Läden. Putz bröckelt von den stolzen kolonialen Fassaden, die Farbe blättert ab, und manche schöne Tür hängt nur noch in ihren Angeln. Dennoch verströmt Havanna ein unwiderstehliches morbides Flair. „Es gibt Touristen, die von der malerischen Armut unserer Insel nahezu entzückt sind.“ Miguel, der uns auf unserem Rundgang begleitet, zuckt resigniert die Achseln. Während wir mit ihm durch Straßen und Gassen, über Plätze und Märkte schlendern, erteilt er uns eine kurze Lektion in kubanischer Geschichte. Christoph Kolumbus, der die Insel am 27. Oktober 1492 entdeckte, vertraute seinem Logbuch an, sie sei das „Schönste, was menschliche Augen jemals gesehen haben.“ Was die spanische Krone aus diesem Paradies zwanzig Jahre später unter Diego de Velázquez machte, ist Legion. Die 300 000 Ureinwohner, die Taínos, wurden innerhalb eines Jahrhunderts fast vollständig durch eingeschleppte Seuchen und hemmungslose physische Ausbeutung ausgelöscht. Dann wurden schwarze Sklaven aus Afrika „importiert“, die die schwere Arbeit auf den Zuckerplantagen verrichten mußten. Noch jetzt sind 12% der Bevölkerung schwarz. Alle Spuren des barbarischen Menschenhandels auf der Plaza Vieja, dem alten Sklavenmarkt, sind heute völlig getilgt. Viele der mit eleganten Rundbögen und schmiedeeisernen Balkons versehenen Stadtpalais wurden unlängst mustergültig restauriert.
Die Überquerung von Havannas Straßen ist zuweilen lebensgefährlich. Von allen Seiten brausen sie heran – Fahrradrikschas und gelbe Cocotaxis, die aussehen wie aufgeschlagene Ostereier. Dazwischen die wegen ihres Höckers „Kamele“ genannten riesigen Busse, die mehrere hundert Fahrgäste fassen. Eine Augenweide sind die in allen Regenbogenfarben gespritzten amerikanischen Straßenkreuzer, Relikte aus der Zeit des Diktators Batista, der 1959 vor Fidel Castro ins Ausland floh, gefolgt von der besitzenden Klasse. „Die Oldtimer blieben zurück, und heute werden sie von einer Generation auf die nächste vererbt“, erklärt Miguel, der uns jetzt über einen Flohmarkt führt.
Neben Holzarbeiten, kitschig bunten Gemälden und Lederwaren stechen die T-Shirts mit dem Konterfei Ché Guevaras ins Auge. Den Blick visionär in die Ferne gerichtet, fasziniert der große Revolutionär auch fast vierzig Jahre nach seinem gewaltsamen Tod noch große Teile der kubanischen Bevölkerung.
Zum Standardrepertoire jeder Band gehört „Hasta siempre commandante…“ – auf immer und ewig, Commandante…1997 wurden die sterblichen Überreste Chés in der Universitätsstadt Santa Clara im Südosten der Insel bestattet, wo sie wie die Reliquien eines Heiligen verehrt werden. In den vielstimmigen sentimentalen Refrain mischen sich plötzlich Trommeln und schrille Pfeifentöne. Eine Prozession auf Stelzen laufender, in leuchtend buntes Tuch gehüllter Menschen bricht sich Bahn durch eine Gruppe hübscher Mädchen in kreolischer Tracht, die sich für einen Peso ablichten lassen.
Fiesta cubana! Trotz der allgegenwärtigen Mängel ist für die fröhlichen Kubaner jeder Tag ein Fest.
„Auch Ernest Hemingway war dem Charme des kubanischen Volkes restlos verfallen.“ Miguel nippt an seinem Glas Mojito, einem auf Rum basierenden Cocktail mit frischer Minze, den der Schriftsteller auf seinem berühmten „Rumgang“ von der Bodeguita del Medio zum El Floridita in großen Mengen konsumierte. Heute hängen Trauben von Touristen am Tresen, über sich das Schild, auf dem sich „Papa“ handschriftlich verewigt hat.
In aller Frühe geht es am nächst en Morge n in Richtung Valle de Viñales im Westen Kubas. Eine schnurgerade Straße führt mitten hinein in die Region, wo der beste Tabak der Welt gedeiht. José, „veguero“ (Tabakpflanzer) mit Leib und Seele, reicht uns seine schwielige Hand und erklärt den langwierigen Prozeß vom Setzling über die Fermentierung bis zur versandfertigen Zigarre. Daß diese zwischen den Schenkeln von Jungfrauen gerollt werden, wie manche behaupten, verweist José lächelnd ins Reich der Legende. Die Havannas sind immer noch ein Exportschlager erster Güte in einem Land, das dringend Devisen benötigt. Das amerikanische Embargo fügt dem Land schweren wirtschaftlichen Schaden zu. Der Treibstoff für Josés Chevrolet, einen herrlichen bonbonfarbenen Dinosaurier, Baujahr 1950, ist auch nur mit pesos convertibles zu bezahlen. Erst jüngst hat Fidel den amerikanischen Dollar abgeschafft und durch den Edel-Peso ersetzt, den nur Touristen und andere Privilegierte in der Tasche haben. Vier Stunden dauerte seine Rede, während der er seine Landsleuten von der Notwendigkeit dieses Schrittes zu überzeugen suchte.
Erbarmungslos brennt die Sonne von einem wolkenlosen Himmel auf uns herab, als wir in Trinidad eintreffen. Dieses Vorzeige-Städchen wurde 1988 zum UNESCO-Weltkulturerbe erhoben. Kirchen und prunkende Paläste aus dem 18. Jahrhundert sind buchstäblich auf Zucker gebaut. Die Großgrundbesitzer setzten sich mit den enormen Gewinnen aus ihren Zuckerrohrplantagen selbst ein Denkmal. Über das holperige Kopfsteinpflaster trottet ein Maultier, angetrieben von einem Mann mit Sombrero. Ein paar Schritte entfernt halten drei dunkelhäutige Frauen einen Plausch im Schatten eines sonnengelb gestrichenen Hauses mit blauen Fensterläden. Der Halbwüchsige im Erker mit dem quiekenden Schwein an der Leine vervollständigt diese filmreife Szene. Prosaischer geht es außerhalb der Mauern des Städtchens zu. Am Straßenrand warten geduldig zahlreiche Anhalter, hier „Flaschen“ genannt, die jedes Fahrzeug mit dem blauen staatlichen Nummernschild mitnehmen muß. Neben Schulzwang und freier medizinischer Versorgung herrscht auf Kuba Transportpflicht. Ein uniformierter „Flaschenverteiler“ sorgt mit strenger Hand dafür, daß jeder zu seinem Recht kommt.
In Varadero auf der Halbinsel Hicacos gelten andere Gesetze. Hier haben kubanische Gäste nichts zu suchen. Nein, in dieser Touristen-Enklave spielt auch Fidel Castro nicht Golf, wird uns versichert. Dafür ist er auf dem Fries in der klimatisierten Eingangshalle des Hotels „Sandals Royal Hicacos“ allgegenwärtig. Im grünen Kampfanzug lächelt er väterlich auf die Besucher herab, umrahmt von lauter glücklichen Kubanern, die mit Freude ihren unterschiedlichen Tätigkeiten zum Wohle der Revolution nachgehen. Wer diese Einstimmung hinter sich hat, befindet sich in einer Ferienanlage vom Feinsten. Geschmackvoll eingerichtete Häuser innerhalb gepflegter Gärten, eine Reihe exquisiter Restaurants, künstliche Grotten, weiße Brücken und ein 50 km langer schneeweißer Sandstrand erwarten den Gast. Die gutgefüllte Bar im Zimmer ist ebenso wie Essen, Getränke und Snacks „all inclusive“, betont der nette Empfangschef. Kein Wunder, daß viele Ausländer – an erster Stelle Kanadier – hier gern ihren Urlaub verbringen.
Von Januar bis Oktober 2004 haben 1.688.113 Touristen Kuba besucht, 9,2 % mehr als im Vorjahr. Tendenz steigend. Aus gutem Grund investiert Kuba zur Zeit erhebliche Summen in den Tourismus, der 41% des Bruttosozialproduktes ausmacht! Zur Zeit verfügt die Republik Kuba über 41.000 Hotelzimmer und bildet auf Hotelfachschulen hochqualifiziertes mehrsprachiges Personal aus. Auch dem steigenden Interesse deutscher Gäste trägt man hier Rechnung. Immer mehr Mitarbeiter in Hotels und Restaurants lernen Deutsch.
„Wir erwarten Ihre Landsleute zu einem unvergeßlichen Urlaub auf unserer schönen Insel“, sagt ein hoher Vertretrer des kubanischenTourismusministeriums. „Einer von Ihnen, unser eigentlicher Entdecker, hat Kuba sehr geliebt – der große Alexander von Humboldt.“ Er hat die Insel, deren Form an ein spitzmäuliges Krokodil, einen Kaiman, erinnert, in allen Himmelsrichtungen erforscht und Fauna und Flora katalogisiert. Nach ihm benannt wurde der Parque Nacional Alejandre von Humboldt im Biosphmärenreservat Cuchillas del Toa im Osten der Insel. Ein Abstecher in dieses Gebiet ist eine reizvolle Alternative für Menschen, die Kubas exotische Wildnis hautnah erleben möchten.
Allgemeine Auskünfte:
Cubanisches Fremdenverkehrsamt
Kaiserstraße 8
60311 Frankfurt am Main
Tel. 069 – 28 83 22/23 – Fax 069 – 29 66 64
www.cubainfo.de – www.cubatravel.cu
Einreise: Reisepaß (mind. 6 Monate Gültigkeit) sowie Touristenkarte (bereits i, Leistungspaket versch. Veranstalter enth. Sonst b.d. kubanischen Botschaft beantragen. Info: www.botschaft-kuba.de)
Anreise:
Flug z.B. mit LTU-Charter ab Düsseldorf u.a. nach Havanna und Varadero
Veranstalter: u.a. TUI und Neckermann. Beispiel: 14 Tage Varadero im ****Caribe-Club Kawama (all inclusive) ab Euro 1.625,– p.P.)
Reisezeit: ganzjährig. Beste Monate November bis Mai m. Temperaturen zwischen 25 und 30 Grad Celsius.
Währung:Für Touristen der Peso Convertible, dessen Wert dem US-Dollar entspricht.
Lektüre: Der National Geographic Traveler „Kuba“ zu Euro 15,95