Vor 50 Jahren wurden die Römischen Verträge zur Gründung der EWG und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) unterzeichnet
Von Manuel Ruoff
Europas Einigung hatte nach dem Zweiten Weltkrieg auf den Gebieten Kohle und Stahl angefangen. 1951 hatten die Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, Italien und die drei Benelux-Staaten mit der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, Montanunion) einen Anfang gemacht. Der Versuch, die europäische Einigung auf den militärischen Bereich mit der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) auszudehnen, scheiterte 1954 an der französischen Nationalversammlung. Obwohl die Bundesrepublik in dieser Gemeinschaft eindeutig diskriminiert werden sollte, waren in Frankreich die Vorbehalte dagegen, auf dem sensiblen Gebiet der Verteidigung Kompetenzen an einen Zusammenschluß mit den Deutschen abzugeben, für viele zu groß. So wurde versucht, die Einigung zuerst einmal auf andere, zivile Gebiete auszudehnen.
Franzosen hatten die europäische Einigung mit dem Verhindern der EVG gestoppt, ein Franzose brachte die Entwicklung wieder in Gang: Jean Monnet. Der erste Präsident der Hohen Kommission der Montanunion verfolgte die Idee, die EGKS auf weitere Wirtschaftsbereiche auszudehnen, darunter auch auf den Bereich der friedlichen Nutzung der Atomenergie, der die Zukunft zu gehören schien. Einen Mitstreiter auf internationaler Bühne fand er in dem belgischen Außenminister Paul-Henri Spaak. Von dem damaligen Außenminister der international sehr wettbewerbsfähigen Niederländer, Jan Willem Beyen, kam als weiterer Impuls die Idee einer europäischen Zollunion.
Der Durchbruch gelang 1955 auf der Außenministerkonferenz der EGKS-Staaten in Messina, weshalb man noch heute gerne, wenn es innerhalb der EU knirscht, den Geist von Messina beschwört. Die Konferenz begann wegen des vorausgegangenen EVG-Scheiterns in einem eher negativen Klima. Die ersten beiden Tage verliefen noch wenig erfolgversprechend, doch am dritten zeitigte das Zusammentreffen mit der sogenannten Resolution von Messina einen unerwarteten Erfolg. Neben einer europäischen Atomgemeinschaft wurde ein gemeinsamer Binnenmarkt als Ziel formuliert, und es wurden auch schon erste konkrete Schritte zur Verwirklichung dieser Pläne vereinbart.
Allerdings gab es in den Regierungen der beiden größten Staaten Bedenken. Bundeswirtschaftsminister Ludwig Erhard machte sich Sorgen um den Außenhandel der Exportnation Deutschland mit den nicht zum gemeinsamen Markt gehörenden Staaten. Nicht ganz ohne Grund fürchtete er, daß das noch relativ stark agrarisch geprägte Frankreich mit seiner wettbewerbsschwachen Wirtschaft im Europa der Sechs eine protektionistische Außenhandelspolitik durchzusetzen versuchen würde. Atomminister Franz Josef Strauß hingegen wollte die Atomkraft lieber in Zusammenarbeit mit den USA als mit Frankreich nutzen. Der frankophile Bundeskanzler Konrad Adenauer hatte jedoch in der bundesdeutschen Kanzlerdemokratie die Richtlinienkompetenz und nutzte sie.
Frankreich wiederum fürchtete wegen seiner Wettbewerbsschwäche die Konkurrenz der fünf anderen europäischen Staaten im gemeinsamen Binnenmarkt. Den Franzosen wurde ihre Zustimmung damit versüßt, daß ihnen die Subventionierung ihrer Landwirtschaft mit deutschen Steuermitteln in Aussicht gestellt wurde. Das ist die Geburtsstunde der gemeinsamen Agrarpolitik, die als Umverteilungsmaschinerie die Aufgabe hat, Steuergelder ohne Gegenleistung aus stärker industrialisierten Mitgliedsstaaten wie der Bundesrepublik in schwächer industrialisierte zu pumpen. Ein weiterer, politischer Vorteil des Europas der Sechs kam bei der Grande Nation dazu. Altbundespräsident Richard von Weizsäcker formulierte es vorletzten Freitag gegenüber dem Deutschlandfunk wie folgt: „Frankreich hatte ein großes Interesse daran, gleich nach dem Kriege gemeinsam mit der Bundesrepublik Deutschland und vier anderen Partnern schnell eine europäische Gemeinschaft aufzubauen und auf diese Weise auch wieder unter französischer Führung eine Stimme zur Geltung zu bringen in einem weltpolitischen Sinn.“
Vor 50 Jahren, am 25. März 1957, unterzeichneten die Bevollmächtigten der sechs EGKS-Staaten in der italienischen Hauptstadt die Römischen Verträge, mit denen die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und die Europäische Atomgemeinschaft (EAG) gegründet wurden.