Vor 150 Jahren wurde Albrecht Graf von Roon Kriegsminister
Von Manuel Ruoff
Stehen wir vor dem Bismarck-Nationaldenkmal am Großen Stern in Berlin, so finden wir unweit – quasi als Einrahmung – Denkmäler für Helmuth Graf von Moltke, aber auch für Albrecht Graf von Roon. Heute ist der Kriegsminister neben dem genialen Außenpolitiker Bismarck und dem nicht weniger genialen Militärstrategen Moltke etwas in Vergessenheit geraten, aber früher wurden sie gerne in einem Zuge genannt, wenn es darum ging, die Siege in den drei Einigungskriegen zu personifizieren.
Wenn Roon auch kein so großer Regierungschef wie Bismarck und kein so großer Generalstabschef wie Moltke war, so war er doch ein recht erfolgreicher politischer General. Er konzipierte nicht nur für seinen König eine politisch umstrittene Militärreform. Er vertrat sie auch, durchaus mit Geschick, im Parlament. Und er sorgte dafür, dass sie umgesetzt werden konnte, indem er Bismarck nach Berlin holte.
Voraussetzung für das folgenreiche Wirken des Kriegsministers war seines Königs Vertrauen. Ein Jahrzehnt vor Roons Berufung an die Spitze des Kriegsministeriums lernten die beiden sich kennen. Roon war damals Generalstabschef eines der preußischen Armeekorps, mit denen Wilhelm die Badische Revolution niederschlug.
Kaum dass Wilhelm als Stellvertreter seines psychisch erkrankten Bruders Friedrich Wilhelm IV. 1857 die Regierungsgeschäfte übernommen hatte, beauftragte er Roon mit der Ausarbeitung einer Denkschrift zur Modernisierung des Militärs. Diese „Bemerkungen und Entwürfe zur vaterländischen Heeresverfassung“ beeindruckten Wilhelm so stark, dass er, mittlerweile Prinzregent, Roon 1859 zum Kriegsminister ernannte. Als der Prinzregent nach Friedrich Wilhelms Tod 1861 den Thron bestieg, machte er Roon auch noch zu seinem Marineminister.
Als zuständiger Kabinettsminister sollte er die seinem König am Herzen liegende Heeresreform durchsetzen. Diese lief auf eine Abschaffung des aus den Befreiungskriegen stammenden Bürgermilitärs, der sogenannten Landwehr, hinaus und sah drei statt zwei Jahre Wehrdienst vor. Beides stieß auf den erbitterten Widerstand der das Abgeordnetenhaus dominierenden Liberalen. Da half es auch nichts, dass sich der politische General rhetorisch geschickt für sie stark machte.
Preußen hatte zwar kein parlamentarisches System, sprich keine Abhängigkeit der Regierung vom Parlament, aber das Parlament hatte das Etatrecht und ohne Geld ließ sich die Heeresreform nicht realisieren. Nachdem Wilhelm I. sich an dem Versuch, durch Neuwahlen die liberale Mehrheit zu kippen, die Zähne ausgebissen hatte und die Heeresreform zu scheitern drohte, dachte der König sogar an Thronverzicht.
In dieser brenzligen Situation sandte Roon am 18. September 1862 sein berühmtes Telegramm an Bismarck mit der Aufforderung „Periculum in mora. Dépêchez-vous!“ (Gefahr im Verzug! Beeilen Sie sich!). Das tat Bismarck dann auch. Er kehrte von seinem Pariser Botschafterposten nach Berlin zurück, baute den König auf, wurde von diesem zum Ministerpräsidenten ernannt und realisierte unter Bruch der Verfassung die Heeresreform gegen den Widerstand der Liberalen.
Wie Bismarcks stieg auch Roons Ansehen mit den Erfolgen des maßgeblich von ihm reformierten preußischen Heeres in den drei Einigungskriegen. 1871 wurde er in den Grafenstand erhoben.
Nachdem Roon zuvor schon dienstältester amtierender Minister und damit Bismarcks Stellvertreter als Ministerpräsident geworden war, wurde er 1873 dessen Nachfolger. Der Eiserne Kanzler wollte sich so ganz auf sein Reichskanzleramt konzentrieren können. Der mittlerweile kränkelnde 70-Jährige erwies sich hierdurch jedoch überfordert und trat noch im selben Jahr von allen Ministerämtern zurück. Zur erbetenen Verabschiedung ernannte ihn Wilhelm I. zum Generalfeldmarschall. Nachdem ihn sein König und Kaiser noch am Vortage am Krankenbett besucht hatte, starb Albrecht Graf von Roon 1879 in Berlin.