erschienen im Hamburger Abendblatt am 14. Februar 2011
Von Johanna R. Wöhlke
Was ist eine Lücke? Diese Frage kann vielfältig beantwortet werden. Zuerst einmal erinnere ich mich daran, dass der junge Prüfling nach der heiß ersehnten und ebenso erzitterten Prüfungsfahrt für seinen Führerschein, die er bestanden hatte, zu berichten wusste: „ Und dann auch noch auf der viel befahrenen Straße rückwärts in die Parklücke!“ Er hat sie bewältigt, diese Lücke.
Mir wurde an diesem Beispiel wieder einmal klar: Die Welt ist voller Lücken! Beim ersten Nachdenken verbinden sich negative Eindrücke mit der Lücke. Eine Lücke bedeutet Unvollständigkeit. Da ist zum Beispiel der Lückenbüßer. Das Wort allein schon lässt Negatives erkennen: Hier handelt es sich um jemanden, der eigentlich nicht eingeplant war, vergessen vielleicht, und dann doch noch „hervorgeholt“ worden ist. Dieser Jemand will keiner von uns sein.
Ich erinnere mich auch an die Frage einer Freundin an den Kellner in einem Restaurant: „Hätten Sie vielleicht einen Zahnstocher?“ Was sie damit wohl machen will? Gerade das oben Beschriebene wohl – einen ungebetenen Lückenfüller in einer vorhandenen Lücke entfernen. So ist das Leben, sagte neulich mein Zahnarzt. Mit den Jahren werden wir halt immer lückenhafter.
Lückenhafter? Da muss ich doch ganz schnell mal das Positive aus der Gedankenschublade ziehen und mir vor Augen halten, wie schön es doch sein kann, eine Lücke zu finden, wenn man eine Lücke sucht – einen guten Sitzplatz im voll besetzten Bus zu erwischen, auch wenn er schmal ist, eine Parklücke für das Auto zu erwischen, eben gerade noch den Platz zu ergattern, den man sich gewünscht hat zum Beispiel. Außerdem, was wäre Wilhelm Tell ohne die Lücke von Weltrang: Durch diese hohle Gasse muss er kommen…Wenn Schiller einer Lücke so ein Denkmal gesetzt hat, können wir uns doch nicht weiter über sie beschweren! Johanna R. Wöhlke