Von Dr. Manuel Ruoff
Eduard von Simson leitete gleich zwei Kaiserdeputationen, eine im Jahre 1849, eine 1870 – Präsident mehrerer Parlamente
Eduard von Simson leitete als Präsident des Frankfurter Paulskirchenparlamentes die Kaiserdeputation, die 1849 Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anbot. Der preußische König lehnte das „Hundehalsband, mit dem man“ ihn „an die Revolution von 1848 ketten will“, ab und brachte damit die Revolution von 1848/49 zum Scheitern.
Weniger bekannt dürfte sein, dass Simson als Präsident des Reichstages des Norddeutschen Bundes auch die Deputation leitete, die 1870 Friedrich Wilhelms IV. Bruder Wilhelm I. die Kaiserkrone antrug – diesmal mit Erfolg. Otto von Bismarck hat diese Parallele als einen „Witz der Geschichte“ und „ein reizendes Spiel des Geschicks“ bezeichnet. Tatsächlich gibt es wohl keinen anderen Deutschen, der in einer vergleichbar exponierten Stellung sowohl an dem gescheiterten Versuch der Reichseinigung der Jahre 1848/49 „von unten“ als auch am geglückten Versuch der Reicheinigung der Jahre 1870/71 „von oben“ beteiligt gewesen wäre.
Im Laufe seines Lebens hat der am 10. November 1810 geborene Kaufmannssohn den unterschiedlichsten Parlamenten angehört und als Präsident vorgestanden. Der Liberale, der sich nach der Spaltung des Liberalismus dem bismarckfreundlichen Flügel der Nationalliberalen anschloss, ließ sich 1848 in die Paulskirche wählen, wo er noch im selben Jahr Heinrich von Gagerns Nachfolger im Amte des Parlamentspräsidenten wurde, als dieser Reichsministerpräsident wurde. Nach dem Scheitern der Märzrevolution wechselte Simson 1849 in das Erfurter Unionsparlament, mit dem Friedrich Wilhelm IV. eine Reichseinigung von oben versuchte. Auch in diesem nur wenige Monate tagenden Parlament wurde Simson zum Präsidenten gewählt. Ebenfalls 1849 war er Mitglied des Preußischen Abgeordnetenhauses geworden, zu dessen Präsident er 1859 wurde. Als 1867 mit dem Deutschen Bund dessen Reichstag geschaffen wurde, wurde Simson dessen erster Präsident. Als 1871 aus dem Norddeutschen Bund das Deutsche Reich wurde, blieb Simson Reichstagspräsident, und das bis 1874. 1877 schied er aus dem Reichstag aus.
Simson war kein Berufspolitiker und 1877 nicht das Ende seiner Karriere. An dem gebürtigen Königsberger wurde nicht nur sein angenehmes Organ, seine Liebe zum wohlgesetzten Wort sowie sein repräsentatives Erscheinungsbild und Auftreten gelobt – alles Eigenschaften, mit denen seine häufige Wahl zum Parlamentspräsidenten erklärt wird. Der Jurist empfahl sich auch schon frühzeitig für eine wissenschaftliche Karriere. 1831 wurde er Privatdozent, 1833 außerordentlicher Professor und 1836 schließlich ordentlicher Professor an der Albertina. 1855/56 wählte ihn die Königsberger Universität gar zu ihrem Prorektor. Dennoch lehnte er 1852 einen Lehrstuhl an der Universität Jena mit der Begründung ab, nicht eigentlich zum Fachgelehrten berufen zu sein.
Lieber amtierte er als Richter. 1860 gab Simson seine Professur auf und wechselte als Vizepräsident an das Appellationsgericht in Frankfurt an der Oder, dessen Präsident er 1869 wurde. Nach dem Ausscheiden aus dem Reichstag erreichte Simsons Richterkarriere ihren Höhepunkt. 1879 wurde er der erste Präsident des neu geschaffenen Reichsgerichts in Leipzig. Dort übernahm er den Vorsitz des 4. Zivilsenats. Protegiert wurde Simson dabei durch den liberalen damaligen Kronprinzen Friedrich Wilhelm. Neun Tage nachdem der Prinz 1888 seinem Vater als Deutscher Kaiser und König von Preußen auf dem Thron gefolgt war, verlieh er dem liberalen Reichsgerichtspräsidenten den Schwarzen Adlerorden, dem die Erhebung in den erblichen Adelsstand folgte.
1890 erlitt Simson einen Schlaganfall, weswegen er im darauffolgenden Jahr auf eigenen Wunsch das Reichsgericht verließ.
Von Staat und Gesellschaft vielfach geehrt, starb Eduard von Simson am 2. Mai 1899 in Berlin. Der jüngere Zeitgenosse und Klassiker der Soziologie Max Weber hat die Biographie des 1823 konvertierten Juden als „das Musterbild einer jüdischen Assimilation im 19. Jahrhundert“ bezeichnet.
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