erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Vor 125 Jahren wurde der Flugzeugkonstrukteur, Helikopterpionier und Unternehmer Heinrich Focke in Bremen geboren
Nicht nur Kriegsteilnehmer kennen den deutschen Standardjäger Focke-Wulf Fw 190 oder das im Zweiten Weltkrieg ebenfalls militärisch genutzte Passagierflugzeug Focke-Wulf Fw 200 „Condor“. Der „Focke“ in „Focke-Wulf“ war Heinrich Focke. Am 8. Oktober 1890 kam der Flugzeugkonstrukteur, Hubschrauberpionier und Unternehmer in Bremen zur Welt. Sein Vater war Senatssyndicus, vergleichbar einem Staatssekretär, und eine gute Schulausbildung damit ermöglicht. Der Volksschule folgte der Besuch des Humanistischen Gymnasiums. Focke war 13 Jahre alt, als die Gebrüder Wright ihre berühmten Flüge mit dem „Wright Flyer“ unternahm. Als die Nachricht davon nach Deutschland gelangte, war Focke fasziniert. Er begeisterte sich jedoch nicht nur wie viele andere für das Fliegen als solches, sondern auch für das ungewöhnlich Entenflügler-Prinzip des „Wright Flyer“, sprich die Anbringung des Höhenleitwerkes vor den Tragflächen.
Bereits während dem der Schulausbildung 1908 folgenden Maschinenbaustudium an der Technischen Hochschule in Hannover baute er mit anderen Flugbegeisterten wie Hans Kolthoff und Georg Wulf Flugzeuge, und schon im ersten Studienjahr konstruierte er ein eigenes Entenflugzeug, das allerdings nicht flugfähig war.
Der Erste Weltkrieg unterbrach Fockes Studien. Er kam zuerst zur Infanterie, konnte jedoch bereits 1915 mit Unterstützung eines Freundes zur Fliegertruppe wechseln. Nach einem Absturz verrichtete er seinen Dienst als Ingenieur bei der Flugmeisterei in Berlin.
Zurück aus dem Krieg schloss er das unterbrochene Studium 1920 mit dem Diplom ab. Im darauffolgenden Jahr stellte er mit Wulf das erste offiziell zugelassene Flugzeug her, die A 7. Weitere drei Jahre später gründete er mit Wulf und Werner Naumann in Bremen die Focke-Wulf-Flugzeugbau AG, die noch im selben Jahr mit der A 16 ein erfolgreiches viersitziges Verkehrsflugzeug auf den Markt brachte. Weitere Modelle folgten.
Das Entenflugzeug verlor Focke dabei nicht aus dem Auge. Auf der Basis des Patents für den Entenflügler von 1908 baute Focke mit Hilfe seines Bruders Wilhelm die F 19. Mit ihr stürzte Wulf 1927 bei einem Testflug ab. Focke übernahm die Gesamtleitung der Gesellschaft und fusionierte diese 1931 mit der Albatros Flugzeugwerke GmbH. In die erste Hälfte der der 30er Jahre fallen die Schulflugzeuge Fw 44 „Stieglitz“, Fw 56 „Stößer“ und FW 58 „Weihe“.
Nach ihrer „Machtergreifung“ begannen die Nationalsozialisten die Fesseln von Versailles abzustreifen. Davon profitierte auch Focke-Wulf. Die Gründung von Focke und Wulf wurde zu einem wehrwichtigen Großbetrieb. Doch die Nationalsozialisten hatten kein entsprechendes Vertrauen zu Focke und drängten ihn deshalb aus der Leitung seines Unternehmens.
Nolens volens konzentrierte sich Focke nun auf den Bereich Konstruktion, den ihm die Nationalsozialisten ließen. Schon seit der Fusion mit den Albatros Flugzeugwerken faszinierte ihn das Thema Drehflügler. Das bisherige Konzept des Tragschraubers überzeugte ihn nicht. Ihm schwebte eine senkrecht startende Maschine vor. 1936 war es soweit. Der erste gebrauchsfähige Hubschrauber der Welt, die Focke-Wulf Fw 61, absolvierte seinen Erstflug. Wenn die Nationalsozialisten auch den Drehflügler mit Vorführungen von Hanna Reitsch in der Deutschlandhalle propagandistisch nutzten, so schätzten Fockes Nachfolger in der Unternehmensführung dessen Potential doch als niedrig ein. Focke zog sich deshalb ganz aus dem von ihm mit Wulf aufgebauten Unternehmen zurück und gründete 1937 mit dem deutschen Kunstflugweltmeister Gerd Achgelis nahe Bremen die Focke, Achgelis & Co GmbH zur Produktion von Hubschraubern. 1941 ging bei Focke-Achgelis mit der Fa 223 der weltweit erste Hubschrauber in Serie.
Nach schweren Luftangriffen wurde das Werk 1942 nach Oberschwaben verlegt. Focke ging mit und geriet so bei Kriegsende in die Hand der Franzosen. Sie enteigneten ihn und verschleppten ihn als Zwangsarbeiter nach Paris. Dort musste er bei dem französischer Flugzeughersteller SNCASE die FA 223 nachbauen und war an den Vorarbeiten der „Alouette“ beteiligt.
Nach der Freilassung durch die Franzosen 1948 gründete er noch im selben Jahr in seiner Geburtsstadt ein Ingenieursbüro und verdingte sich, nun ohne Produktionsstätten, als Berater. Flugzeugbau war den Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg verboten und so arbeitete er viel für das Ausland. Er beriet das britische Luftfahrtministerium beim Hubschrauberbau und konstruierte für das staatsnahe brasilianische IPD mit dem „Beija-Flôr“ (Kolibri) den ersten Hubschrauber, der in Brasilien entwickelt, gebaut und auch geflogen ist. Auch der erste eigenständig in Nachkriegsdeutschland entwickelte Hubschraubertyp, der Borgward-Focke BFK-1 „Kolibri“, stammte von Focke. Im Sommer 1958 und damit ein halbes Jahr vor dem brasilianischen Pendant „Beija-Flôr“ hatte der bei Borgward gebaute „Kolibri“ seinen Erstflug. Nach der Entmachtung von Carl Friedrich Wilhelm Borgward in dessen eigenem Unternehmen wurde das Projekt 1961 aufgegeben.
Anschließend kehrte Focke in gewisser Hinsicht zu seinen Wurzeln zurück. Denn außer bei der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt war er ab 1961 auch bei den Vereinigten Flugtechnischen Werken (VDW) als beratender Ingenieur tätig, und die gingen aus einer Fusion der Weser-Flugzeugbau GmbH mit Focke-Wulf hervor.
Mitte der 60er Jahre endeten diese Beratertätigkeiten. Am 25. Februar 1979 starb Heinrich Focke in seinem Geburtsort. Bis kurz vor seinem Tode hatte der begeisterte Flugtechniker noch in dem Windkanal, den er sich mit 70 Jahren in sein Bremer Haus hatte einbauen lassen, experimentiert.