Vor 50 Jahren schuf die kubanische Revolution die heutigen Machtverhältnisse auf der Zuckerrohrinsel
Von Manuel Ruoff
Am nachrevolutionären Kuba scheiden sich die Geister. Für die einen machte der Wechsel von Fulgencio Batista zu Fidel Castro aus einem Land der freien Welt einen Ostblockstaat, für die anderen war die Revolution eine Befreiung von US-Imperialismus und Korruption. Die einen verweisen auf bis zu 60000 Opfer der Castro-Herrschaft, die anderen auf ein vergleichweise starkes Bildungs- und Gesundheitssystem. Eine Zäsur war die kubanische Revolution vor 50 Jahren es auf jeden Fall.
Am 10. März 1952 putschte sich der Offizier und Politiker Fulgencio Batista mit Hilfe des Militärs auf Kuba an die Macht, nachdem sich abgezeichnet hatte, daß er die für jenes Jahr angesetzte Wahl verlieren würde. Zwei Tage später wagte es der Rechtsanwalt Fidel Castro, den erfolgreichen Putschisten wegen Verfassungsbruchs zu verklagen. Das Oberste Gericht des Landes wies die Klage jedoch mit der Begründung ab, die „Revolution“, gemeint ist der Militärputsch, habe als Quelle des Gesetzes zu gelten. Da General Fulgencio Batista durch revolutionäre Mittel Präsident geworden sei, könne er nicht als verfassungswidriger Präsident hingestellt werden.
Nachdem Castro auf gesetzmäßigem Wege nicht gegen den Putsch hatte vorgehen können, berief er sich nun auf das in der kubanischen Verfassung von 1940 niedergeschriebene Widerstandsrecht. Analog zum Sturm auf die Bastille 1789, welcher die Französische Revolution auslöste, hoffte er durch die Erstürmung einer Kaserne nicht nur in den Besitz von Waffen zu gelangen, sondern auch ein Fanal setzen zu können. Seine Wahl fiel auf die Moncada-Kaserne in Santiago de Cuba, der Hauptstadt der Provinz Oriente, die der Ausgangspunkt der Unabhängigkeitskriege gewesen war.
Zahlenmäßig waren Castro und seine 128 Mitstreiter den 810 schwer bewaffneten Soldaten in der Kaserne hoffnungslos unterlegen. Castro setzte jedoch auf das Überraschungsmoment und darauf, daß die Besatzung durch den Karneval ermüdet sei. Seine Rechnung ging jedoch nicht auf. Der Angriff der 129 Männer und Frauen am 26. Juli 1953 scheiterte kläglich. Batista nahm blutige Rache. Er befahl, alle Gefangenen sofort zu erschießen. Castro überlebte. Mal heißt es, der Führer des Trupps, der ihn gefangensetzte, sei ein früherer Studienkamerad gewesen, ein anderes Mal, er habe aus Ehrgefühl den Befehl nicht ausgeführt. Jedenfalls bekam Fidel Castro einen Prozeß, der am 21. September 1953 begann. Geschickt nutzte der Angeklagte den Gerichtssaal als Propagandaplattform. Er hielt eine fünfstündige Verteidigungsrede, in der er sein Handeln politisch rechtfertigte und darauf verwies, daß er nichts anderes gemacht habe, als kurz zuvor Batista. Er schloß seine Verteidigung mit den berühmten Worten: „Verurteilt mich, es macht nichts; die Geschichte wird mich freisprechen.“ Nichtsdestotrotz wurde er zu 15 Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
Nachdem Präsident Batista sich 1954 in manipulierten Wahlen hatte bestätigen lassen, erließ er eine Generalamnestie, in deren Genuß auch Castro und dessen inhaftierte Mitstreiter kamen. Am 15. Mai 1955 wurde Castro auf freien Fuß gesetzt. Er ging ins mexikanische Exil. Noch auf Kuba gründete er am 12. Juni 1955 in Erinnerung an das Datum des Sturms auf die Moncada-Kaserne die „Bewegung des 26. Juli“ (M-26-7).
Nach einer militärischen Ausbildung und Vorbereitung im Exil wagte Castro 1956 einen zweiten Versuch. Am 25. November verließ er mit gut 80 Getreuen auf der Yacht „Granma“ Mexiko Richtung Kuba. Auch dieses Unternehmen verlief nicht nach Plan. Die Landung am 2. Dezember blieb nicht unbemerkt und die Rebellen wurden von Truppen Batistas gestellt. Nur zwölf Kämpfer konnten entkommen, darunter Fidel Castro, sein Bruder Raúl und Ernesto Che Guevara.
Diese zwölf sollten sich als genügend erweisen für eine erfolgreiche Revolution. Sie zogen sich in die Gebirgswälder der Sierra Maestra zurück. Getreu dem Worte Mao Zedongs „Der Revolutionär muß sich in den Volksmassen bewegen, wie ein Fisch im Wasser“ versuchten die Rebellen, das Vertrauen der dortigen Bevölkerung zu gewinnen. Ging es anfänglich nur darum, bei dieser Unterschlupf zu finden und zu verhindern, verraten zu werden, ging man später dazu über, staatsähnliche Strukturen mit einer entsprechenden Infrastruktur zu schaffen. Begünstigt wurden die Guerillas durch ihren Gegner Batista, dem es nicht gelang, seine an Zahl und Ausrüstung weit überlegenen Truppen zu motivieren und in der Bevölkerung Rückhalt zu gewinnen. Mit seinen Menschenrechtsverletzungen verspielte er internationale Anerkennung, bis ihm schließlich sogar die USA die Militärhilfe strichen.
1958 gingen die Guerillakämpfer in die Offensive über. Unterstützung fanden sie in den Städten von Gewerkschaftern bis bürgerlichen Oppositionellen. In der Schlacht um Santa Clara vom 29. bis 31. Dezember gelang ihnen ein entscheidender Sieg. Am frühen Neujahrsmorgen setzte sich Batista in eine Douglas DC-4 und floh Richtung Dominikanische Republik. Eine Woche später erreichte Castro Batistas ehemalige Hauptstadt Havanna und vollendete mit seinem triumphalen Einzug in die Stadt den Sieg der Revolution.
Wie bei so vielen Revolutionen stellt sich auch bei der kubanischen die Frage nach der Henne und dem Ei, nach Ursache und Wirkung. Für die einen hat Castro mit der Sozialisierung von über 90 Prozent der Industrie und rund 70 Prozent des Agrarlandes die Bemühungen der USA um einen Regimewechsel provoziert. Für die anderen hat Washington mit seinen Maßnahmen gegen Kuba den Inselstaat in die Arme Moskaus getrieben.