Dieser Artikel erschien bereits am 28. September in der PAZ und am 11. Oktober 2013 im Deutschen Ärzteblatt.
Von Uta Buhr
Unter dem Titel „Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa“ findet zurzeit in den Mannheimer Reiss-Engelhorn Museen eine gigantische Ausstellung statt, an der die drei Bundesländer Baden-Württemberg, Hessen und Rheinland-Pfalz beteiligt sind. Die wechselvolle Geschichte dieser weit verzweigten Dynastie wird in allen Facetten ausgeleuchtet und dem Besucher auf eindrucksvolle Weise vermittelt. Die Wittelsbacher brachten eine Reihe großartiger Herrscher, Mäzene und Kunstliebhaber hervor, die ihre Spuren in ganz Europa hinterließen und deren geistige Leistungen bis in die Gegenwart nachwirken.
Wer diese grandiose Ausstellung besucht, muss gut zu Fuß sein. Sie findet an zwei verschiedenen Orten statt – im Museum Zeughaus und dem etwa 10 Gehminuten entfernten Barockschloss Mannheim.
Während sich die Anfänge der Dynastie im mystischen Halbdunkel der Räume des Zeughauses abspielen, bilden die verschwenderisch mit Gold und Stuck geschmückten Säle des Barockschlosses den Rahmen für die Fortsetzung der spannenden Familiensaga. Bei den insgesamt 600 Exponaten – darunter Gemälde, alte Landkarten und Stiche, Globen, Waffen, Ritterrüstungen, Mobiliar, Skulpturen und Schmuck – handelt es sich zum Teil um Leihgaben aus den Vatikanischen Museen, der British Library, des Louvre und des Kunsthistorischen Museums Wien sowie um Stücke aus dem Bayerischen Nationalmuseum. Mehr geht nicht.
Viel Zeit habe er mit seinem nur vierköpfigen Team investieren müssen, um die Ausstellung auf die Beine zu stellen, erzählt Dr. Alexander Schubert, der junge Direktor des REM. Doch die Resonanz mit 900 Besuchern am zweiten Tag sei sehr erfreulich. Auch jungen Menschen wird die verzwickte Bündnispolitik zwischen den Herrschern der Kurpfalz und Bayern mittels Schautafeln, Karten und pfiffigen Trickfilmen schmackhaft gemacht. Mit Ludwig dem Kelheimer, der 1224 von Friedrich II. mit der Pfalzgrafschaft bei Rhein belegt wird, betreten die Pfälzer die polische Bühne Europas. Es folgten große Herrscher vom Schlage König Ruprechts, der es zu Beginn des 15. Jahrhunderts bis an die Spitze des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation brachte, Ludwig III. und Friedrich der Siegreiche, das als „edler Fürst mit einem rechten Heldenmut“ von seinen Zeitgenossen besungen wurde. Ihren Höhepunkt erreichte die Dynastie im späten 18. Jahrhundert, als Kurfürst Carl Theodor Chef des Hauses Wittelsbach wurde. Der kunstsinnige Herrscher, der mit seinem Mannheimer Musenhof die Welt nach seinem Gusto gestaltete, hatte mit seinem bayerischen Vetter Max III. Joseph vereinbart, dass Ersterer von Mannheim nach München übersiedeln würde, sollte sein Cousin vor ihm sterben. Eine weitsichtige Bündnispolitik, durch die erstmals seit fast 450 Jahren nach dem Erbfall die beiden Fürstentümer der Wittelsbacher – die Kurpfalz und Bayern – wieder als unteilbarer Gesamtbesitz aus einer Hand regiert würden. Im Dezember 1777 war es soweit. Max III. Joseph starb und Carl Theodor verließ den Rhein in Richtung Isar, um seinen Wohnsitz vom Mannheimer Barockschloss in die Münchner Residenz zu verlegen und Bayern und die Kurpfalz in Personalunion zu regieren. „Der Umzug nach Bayern ist Carl Theodor sehr schwer gefallen“, erzählt Dr. Schubert. Zu sehr hing er an seinem prächtigen Schloss, den Gärten, dem Hoftheater und seiner „Mannheimer Schule“ – der Wegbereiterin der Wiener Klassik – die weit über die Landesgrenzen hinaus berühmt war. Selbst der junge Mozart bewarb sich um eine Stelle im Hoforchester.
Aber auch die Bayern waren alles andere als begeistert von ihrem neuen Herrn, der aus seinem goldenen Rahmen milde auf die Besucher herabblickt. In einem Trickfilm wird der Empfang Carl Theodors in München augenzwinkernd dargestellt. „Schleich di“ und „Geh hoam“ schwebt in Sprechblasen über den Köpfen der erbosten Marktfrauen auf dem Viktualienmarkt. Doch Carl Theodor kannte seinen Macchiavelli nur zu gut und besänftigte das Volk mit Wohltaten. Ab sofort durfte das Volk den Nymphenburger Park betreten und später auch den von Carl Theodor geschaffenen Englischen Garten. Und wer hätte gedacht, dass ausgerechnet ein Pfälzer den Bajuwaren etwas so Urbayerisches wie den Leberkäs und die Laugenbrezel bescheren würde. Dennoch musste der „(Schürzen)Jäger aus Kurpfalz“ sich manchen Spott von seinen neuen Untertanen gefallen lassen. Als er nach dem Tode seiner Frau Elisabeth in reifen Jahren eine gerade achtzehnjährige italienische Prinzessin ehelichte, lästerte man in München hinter vorgehaltener Hand: „Oh lieber Herr und Heiland, da schickst du uns aus Mailand eine so schöne Frau für diese alte Sau.“
Auch kriegerische Auseinandersetzungen werden in der Ausstellung akribisch in Wort und Bild dargestellt. Neben der tragischen Geschichte des „Winterkönigs“ Friedrichs V. von der Pfalz, der am Vorabend des Dreißigjährigen Krieges die protestantische Macht im Heiligen Römischen Reich etablieren wollte und an diesem Bemühen scheiterte, nehmen die Überfälle Ludwigs XIV. auf die Pfalz einen breiten Raum ein. Unter dem Motto „Brûlez le Palatinat“ verwandelte die französische Soldateska ein blühendes Land in eine Wüstenei. Die Zerstörung des Heidelberger Schlosses wird in einem Film nachgezeichnet und kommentiert.
Begleitet wird die perfekt durchkomponierte Ausstellung von einer Fülle von Veranstaltungen in und rund um die „Quadratstadt“ Mannheim. Auch das nahe Heidelberg lädt die Besucher zu einer kleinen aber feinen Ausstellung ins Kurpfälzische Museum ein. Ein Besuch in Zweibrücken und Wachenheim lohnt ebenfalls.
Anerkennung verdient die Sensibilität, mit der die Ausstellungsmacher Kinder und Jugendliche spielerisch an die komplexe Geschichte der Wittelsbacher heranführen. Kunterbunt gestaltete Ecken laden mit Fragen und allerlei pfiffigen Spielen zum Mitmachen ein. Ein Begleitprogramm mit dem Konterfei des kleinen Wolfgang Amadeus Mozart, an dem auch Erwachsene ihre Freude haben, dient als Leitfaden.
„Die Wittelsbacher am Rhein. Die Kurpfalz und Europa“ läuft bis einschließlich 2. März 2014.
Öffnungszeiten: Täglich – auch montags – von 11 bis 18 Uhr
Eintrittspreis für beide Museen 14 Euro, 5 Euro zahlen Jugendliche bis 18 Jahre
Da weder im Mannheimer Zeughaus noch im Barockschloss die einzigartigen Exponate fotografiert werden dürfen, sind in diesem Beitrag nur Außenaufnahmen zu sehen.
Fotos: Uta Buhr