Von Uta Buhr
Wenn je einer sein Handwerk verstand, Komödien zu schreiben, die das Publikum von Anbeginn in ihren Bann ziehen, dann der britische Autor und Schauspieler Derek Benfield. Dies gilt auch für sein jüngst auf die Mundsburger Bühne gebrachtes Stück „Anyone for Breakfast?“, dessen deutscher Titel „Auf die Plätze fertig, lo…ve“ die Handlung wesentlich konkreter umschreibt als das englische Original. Denn hier wird das Liebesleben von sechs Personen der britischen Mittelschicht zelebriert wie ein sportlicher Wettbewerb. Sex mit dem antrauten Partner oder außereheliche Liebelei? Benfield hat ein Bäumchen-wechsel-dich-Spiel mit allen Raffinessen dieses Genres erdacht, das das Publikum immer wieder zu Lachsalven hinreißt. Eine „Sitcom“ vom Allerfeinsten. Aufmerksamkeit ist allerdings geboten, denn die Handlung ist so turbulent durchkomponiert, dass der Zuschauer sehr genau hinsehen und -hören muss, damit ihm nicht entgeht, wer gerade wen mit wem betrügt und wer am schamlosesten lügt. Der schottische Dichter Sir Walter Scott wusste schon, wovon er sprach, als er folgende Zeilen niederschrieb: „Oh, wie verworren ist das Netz, welches wir weben, wenn wir uns zuerst in Täuschung üben.“
Dabei beginnt das Stück ganz gemächlich im Wohnzimmer eines Landhauses in der englischen Provinz. Kann in dieser biederen Umgebung – groß gemusterte Tapeten, gestreifte Couchgarnitur und Fotobilder in explodierenden Farben an den Wänden – überhaupt ein Seitensprung gelingen? Die in dieser Disziplin gänzlich ungeübte Jane (großartig in ihrer Biederkeit Jan Hirst) versucht es zumindest einmal im Hause ihrer abwesenden Freundin Shirley mit einem jungen attraktiven, doch sittenstrengen Mann namens Mark (Robert Hamilton), der sich ein Verhältnis mit einer verheirateten Frau gar nicht vorstellen kann und somit zum Jagen getragen werden muss. Doch wie aus heiterem Himmel taucht Shirleys Ehemann Gilbert (sehr witzig Stephen Chance) in seinem Haus mit der hübschen deutschen Stewardess Helga auf, um die Abwesenheit seiner Ehefrau auf seine Art zu genießen. Dichte Nebelschwaden über Heathrow hatten plötzlich einen Strich durch Gilberts Flug nach Düsseldorf gemacht und ihn praktisch „gezwungen“, Helga einen Unterschlupf zu bieten. Gelegenheit macht bekanntlich Diebe.
Das Quartett ahnt zunächst nichts voneinander. Denn während Jane und Mark im Esszimmer verschwinden, zieht es Gilbert und Helga in die oberen Räume des Hauses. Natürlich kommt es, wie es in einer Komödie, die diesen Namen auch verdient, kommen muss. Vom Nebel überrascht, sucht Janes naiv-sanftmütiger Ehemann Roger (elegant wie immer James Walmsley) Zuflucht im Haus seiner Freunde, wenig später gefolgt von Gilberts Frau Shirley. Überraschung, Überraschung – denn Shirley hatte unter dem Vorwand eines Aerobickurses versucht, ihren heimlichen Geliebten Roger in ihrem Liebesnest aufzusuchen. Und nun steht er ihr in ihrem eigenen Haus gegenüber. Um das Chaos komplett zu machen, trifft das Sextett am frühen Morgen im Wohnzimmer zusammen, ein jeder mit dem starken Wunsch nach Kaffee und einem guten Frühstück. Und nun beginnt ein wahres Festival der Lügen und Ausreden, die selbst einen Baron von Münchhausen in schieres Erstaunen versetzt hätten. Stewardess Helga – hinreißend Gabrielle Douglas – reagiert äußerst empört auf Gilberts plumpe Lüge, sie sei die neue Putzfrau für die oberen Räumlichkeiten des Hauses, und auch „Toyboy“ Mark ist alles andere als amüsiert über das unmoralische Verhalten der sogenannten guten Gesellschaft. Die resolute Shirley (Debbie Radcliffe kühl bis ans Herz) behält als einzige die Fassung und verbietet ihrem Gilbert, noch einmal Lufthansa zu fliegen. Mit den Worten „Nächstes Mal nimmst du British Airways“, lässt sie den anfänglich zerknirschten Gilbert allein im Zimmer zurück. Der beginnt zwei und zwei zusammenzuzählen. War da nicht irgendetwas zwischen seiner Frau und seinem besten Freund Roger? Vorhang.
Ein wunderbarer Theaterabend mit sechs Mimen, deren Spielfreude das Publikum zu Beifallsstürmen hinriss. Vier der Schauspieler – Jan Hirst, Debbie Radcliffe, Stephen Chance und James Walmsley – gehören schon fast zum Stammpersonal des English Theatre. Wir sahen sie bereits in verschiedenen Stücken, in denen sie ihre künstlerische Vielseitigkeit beeindruckend unter Beweis stellen konnten. Nun hoffen wir, sie bald erneut in der Hansestadt empfangen zu können. Über ein Wiedersehen mit den ebenso attraktiven wie begabten Jungstars Gabrielle Douglas und Robert Hamilton würden wir uns ebenfalls freuen.
Schade nur, dass Derek Benfield, der Autor von „Anyone for Breakfast“ nicht mehr unter uns weilt. Nach einem äußerst erfolgreichen Leben als Stückeschreiber und Schauspieler in Personalunion starb er im Alter von 83 Jahren in seinem heimatlichen Großbritannien. Er schrieb unter anderem herrliche Komödien wie „Touch and Go“, „Bedside Manners“ und „Look Who’s Talking.“
„Anyone for Breakfast“ läuft bis einschließlich 7. Februar 2015
Tipp: Sofort Karten bestellen unter der Telefonnummer 040 – 227 70 89 oder online unter www.english-theatre.de
Wir freuen uns auf die nächste Premiere. Ab dem 15. Februar 2015 steht George Bernhard Shaws klassische Komödie „Candida“ auf dem Programm des English Theatre of Hamburg