Von Dr. Manuel Ruoff
„Ich bin ganz entzückt von ihm, von seinen Talenten, seinem angenehmen Wesen.“ Das sagte niemand Geringeres als Friedrich der Große. Und der, dem diese lobenden Worte galten, war der älteste Sohn seiner Schwester Philippine Charlotte, Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel. In einer Ode feierte der Preußenkönig seinen Lieblingsneffen und General seiner Armee gar als Helden und verglich ihn mit großen Feldherren der Geschichte. Dieses überschwängliche Lob des Siegers der Schlesischen Kriege, der eigentlich eher für Hohn und Spott bekannt war, ließ den am 9. Oktober 1735 geborenen Karl Wilhelm Ferdinand nach Friedrichs Tod zum Hoffnungsträger Preußens werden und darüber hinaus als einen der größten, wenn nicht den größten Feldherrn seiner Zeit erscheinen.
So erreichten ihn Rufe aus den Niederlanden und selbst aus dem revolutionären Frankreich, aber er blieb der preußischen Armee treu, für die ihn sein Onkel bereits als junger Mann gewonnen hatte. Im Ersten Koalitionskrieg von 1792/93 erhielt er den Oberbefehl über die preußisch-österreichische Hauptarmee. In dieser Eigenschaft erließ er wenige Monate nach Kriegsausbruch das nach ihm benannte Manifest vom 25. Juli 1792, in welchem den Parisern für den Fall, dass sie es wagen sollten, ihrem König ein Haar zu krümmen, mit dem Schlimmsten gedroht wurde. Dieses Manifest erreichte das Gegenteil des Gewollten, indem es den Stand Ludwigs XVI. in seinem Land erschwerte. Der oberlehrerhafte Ton verleitete den Adressaten förmlich dazu, das Gegenteil des Geforderten zu tun. Zudem mussten sich Frankreichs Revolutionäre fragen, auf wessen Seite ihr König stand, wenn der Feind sich so vehement für diesen einsetzte.
Das Manifest war nicht von Karl Wilhelm Ferdinand verfasst, sondern von einem adeligen Exilfranzosen. Aber der Deutsche hatte das Schriftstück unterzeichnet, und das trotz Bedenken. Und hier zeigt sich ein gerade für einen Soldaten fatales Manko Karl Wilhelm Ferdinands: Entscheidungsschwäche und Verantwortungsscheu. Es wird denn auch als ein Grund für die Kriegswende in der Kanonade von Valmy am 20. September 1792 angeführt.
Trotzdem gingen die Preußen auch in den Vierten Koalitionskrieg von 1806/07 mit Karl Wilhelm Ferdinand als Oberbefehlshaber. Die blamable Doppelniederlage von Jena und Auerstedt kostete ihn dann jedoch endgültig seinen Nimbus. Durch eine Gewehrschuss von der Seite, der ihm das Augenlicht raubte, schwer verwundet, zog er sich nach Braunschweig zurück, denn er war nicht nur preußischer Offizier, sondern auch Regent des Fürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel. In diesem seit 1780 bekleideten Amt hatte er sich durch Sparsamkeit und Reformen hervorgetan, wenn ihm allerdings auch in dieser zivilen Funktion fehlende Willenskraft vorgeworfen wird.
Napoleon war nicht bereit, seiner nun vorgetragenen Argumentation zu folgen, dass er nur als preußischer Oberbefehlshaber sein Gegner sei, als Landesherr von Braunschweig-Wolfenbüttel hingegen neutral. So setzte der Schwerverwundete seine Flucht bis ins neutrale Ottensen bei Hamburg fort, wo er am 10. November 1806 seiner Verwundung erlag.