Text und Foto:Dr. Immo H. Wernicke, Berlin
Dank der Geldpolitik des Präsidenten der Europäischen Zentralbank Mario Draghi, die manchen an Mephistos Einflüsterungen erinnern, schwimmen die Staaten in Geld mehr als Fische im Wasser eines Aquariums (Foto).
Gewaltige Schuldenberge sind auch in Deutschland entstanden, aber die Infrastruktur wird zusehends maroder, erhofftes Wachstum bleibt aus, Immobilienpreise explodieren, und die Ungleichheit von Einkommen und Vermögen steigt. Zur Diskussion dieser Thematik bot der jährlich stattfindende True-Sales-International-Kongress im September in Berlin Finanzexperten, Bankmanagern und Finanzpolitikern zum 10. Mal ein adäquates Forum.
Im Vordergrund stand die Frage, wie mit Kreditangeboten durch Verbriefung von Forderungen mittelständischer Unternehmen (Asset Backed Securities) Investitionen für Innovationen und Wirtschaftswachstum bewirkt werden können. Kritiker sehen nicht die mangelnden Finanzierungsmöglichkeiten des Mittelstands als wesentliche Ursache für die Wachstumsschwäche, sondern gesättigte Märkte und stagnierende Nachfrage.
Restriktive Basel III/VI – Regulierungen und expansive Geldpolitik der EZB
Kontrovers diskutiert wurden die vom Internationalen Währungsfond im „Financial Stability Report“ und von der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich in Basel nach der Finanzkrise 2008 geforderten restriktiven und sehr komplexen Finanz- und Bankenregelungen zur weltweiten Kontrolle der Finanzmärkte. Die geforderte Stärkung des Eigenkapitals zwingt zu Bilanzverkürzungen und schwächt (kreditfinanziertes) Wachstum. Neue Hoffnungsträger sind „Startups“ in der Digitalwirtschaft, meist Internetplattformen und Spiele-Entwickler, die von „Startups“ der Finanzwirtschaft, den Fintecs (Financial Technology – kreditvergebende Nichtbanken), finanziert werden. Kritiker verweisen darauf, dass sich die hohe Risiken eingehenden „Fintecs“ den staatlichen Banken- und Finanzkontrollen entziehen.
Zur Diskussion standen auch die intransparenten Regelungen zur „EU-Bankenunion und die Funktionsweise des „EURO-Rettungsschirms“ einerseits und die allzu lockere Geldpolitik von EZB-Präsident, Mario Draghi, andererseits. Seine Negativzinspolitik zum Nachteil von Geldanlagen der Lebensversicherungen und sein Programm zum Ankauf von Anleihen defizitärer Staaten und wie in Japan, auch von Unternehmensanleihen hat möglicherweise eine Rezession verhindert. Sie hat nicht zu den erhofften staatlichen und privaten Investitionen, Innovationen und Wachstum geführt. Im Gegenteil, ein historisch gigantischer Geldstrom überschwemmt u.a. den Immobilienmarkt und treibt in den Großstädten Immobilienpreise und Mieten spekulativ in die Höhe. Die „Flüchtlingskrise“ setzt noch eins drauf. Studenten suchen zu Semesterbeginn verzweifelt nach bezahlbarem Wohnraum, nicht nur in Berlin. Spatenstiche für den vom Land Berlin vor Jahren geplanten Wohnungsneubau sind bislang weder zu sehen noch zu hören.
Weltweit gigantischer Schuldenberg
Das entstandene Ausmaß der Verschuldung durch ungedeckte Staatsanleihen und Banknoten verdeutlicht ein Bericht der Börsenzeitung v. 28.9.2016: „Globale Schulden wachsen“. Danach ist der Schuldenberg von Staaten, Unternehmen und Haushalten weltweit auf 216.000 Milliarden US-$ gestiegen. In den Industrieländern belastet der Schuldenberg inzwischen das Vierfache des Bruttosozialprodukts.
Dieses Missverhältnis wird deutlicher, wenn die marode Infrastruktur (Verkehr, Gebäude, Breitband- und Energienetz) in den EU-Staaten als Aktivseite dem Schuldenberg der EU-Staaten als Passivseite gegenüber gestellt werden könnte. Die amtlichen Vermögensbilanzen verbergen aber, anstatt offen zu legen.
EU-Programm zur Sanierung und zum Ausbau der Infrastruktur
EU-Kommissionspräsident Juncker will mit seinem Programm, unterstützt von der europäischen Investitionsbank, die notwendigen Infrastrukturmaßnahmen in der EU mit über 300 Mrd. € ankurbeln. Fragwürdig bleibt, dass trotz der Geldschwemme zugunsten der öffentlichen Haushalte zusätzlich private Investoren für die Mitfinanzierung des notwendigen Ausbaus der Infrastruktur gewonnen werden sollen. Nebulös bleibt, wie bei den Public-Private-Partnerships private Investoren Renditen erzielen können. Auch wenn die Staaten zur Erfüllung ihrer Aufgaben „Zeit kaufen“, müssten sie Rücklagen für den Erwerb von privat vorfinanzierten Infrastrukturbauten bilden.
Haushaltsdefizite, ungedecktes Papiergeld und ungedeckte Staatspapiere
Goethes MEPHISTOPHELES hätte sicher seine Freude an der gegenwärtigen globalen Geldschwemme durch ungedecktes Papiergeld und ungedeckte Staatspapiere: „Ein solch Papier, an Gold und Perlen statt, ist so bequem, man weiß doch, was man hat.“
Bis heute ignorieren Politiker die Warnungen des verstorbenen Nobelpreisträgers und Geldtheoretikers Milton Friedman (USA) vor ausufernden staatlichen Haushaltsdefiziten, vor grenzenloser Geldschöpfung im Bankensystem, vor Aufgabe der Mindestreservepolitik der Zentralnotenbanken und vor den Folgen der staatlichen Fehlallokation knapper Ressourcen. Nicht nur Thomas Piketti (Capital), auch die OECD, verweisen auf die wachsende Schere zwischen „Arm und Reich“. Exzessive Vermögensansammlung und leistungslose Spitzeneinkommen werden erst durch Kreditfinanzierung und Geldschwemme möglich.