erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Vor 220 Jahren wurde Carl Heymann geboren – Der Verleger publizierte die erste Textausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches
Ideengeschichtlich stand vor dem Kampf der Sozialisten um soziale Gleichheit und dem der Demokraten um politische Gleichheit jener der Liberalen um Rechtsgleichheit. Von allen drei Gleichheiten ist letztgenannte die unumstrittenste. Schon Friedrich der Große machte sich für Rechtsgleichheit stark ,als an politische, geschweige denn soziale noch gar nicht zu denken war. Bis heute gilt Rechtsgleichheit als ein hohes juristisches Ideal, höher als Gerechtigkeit, denn Gerechtigkeit bedarf der politischen Interpretation durch den Gesetzgeber, Rechtsgleichheit nicht.
Um dem Ideal der Rechtsgleichheit nahezukommen, muss in der Jurisprudenz jedoch die eine Hand wissen, was die andere tut, damit in vergleichbaren Fällen unterschiedliche Richter vergleichbare Urteile sprechen. Denn alles andere würde das Volk zu Recht als Willkür empfinden und die Akzeptanz der Rechtsprechung untergraben. Der einen Hand die Möglichkeit zu geben zu erfahren, was die andere macht, ist eine der primären Aufgaben der juristischen Publizistik. Eine andere Kardinalaufgabe besteht darin, die rechtsprechende Gewalt über die Entscheidungen der gesetzgebenden Gewalt auf dem Laufenden zu halten. In Preußen spielte bei der Lösung dieser Aufgabe Carl Heymanns Verlag eine maßgeblich Rolle.
Vor 220 Jahren, am 29. November 1794, kam der Namensgeber dieses heute nur noch als Marke von Wolters Kluwer Deutschland bestehenden Verlages im niederschlesischen Glogau zur Welt. Nach der Teilnahme an den Befreiungskriegen trat Carl Heymann in die Fußstapfen seines Vaters, eines Buchhändlers, Antiquars und Leihbibliothekars, und gründete 1815 in seiner Geburtsstadt eine Buchhandlung. Dieser gliederte Carl Heyman einen Verlag an.
Dieser erfolgreiche Verlag fing mit populär- und militärhistorischen Werken an, verlagerte jedoch schnell seinen Schwerpunkt auf rechts- und staatswissenschaftliche Werke. Zwei Jahrzehnte nach dessen Gründung verlegte der Verleger den Sitz seines Verlages zum politischen und juristischen Zentrum des Staates, nach Berlin. Seine „Kameralistische Zeitung für die Königlich preußischen Staaten“ war eine der ersten Fachzeitschriften für Verwaltungsrecht und -praxis im Deutschen Bund. Pionierarbeit leistete er auch mit dem „Justiz-Ministerialblatt für die Preußische Gesetzgebung und Rechtspflege“.
1846 begann Heymann mit dem Sammeln und der Herausgabe von Entscheidungen der obersten Gerichte des Königreiches, die dessen Richtern und anderen Juristen wertvolle Orientierungshilfen boten. Im selben Jahr ehrte sein König Friedrich Wilhelm IV. ihn mit der Verleihung des Titels Kommerzienrat. Auch die erste Textausgabe des Bürgerlichen Gesetzbuches verlegte 1896 sein Verlag, der sich schon zu seinen Lebenszeiten zu einem der führenden juristischen Fachverlage entwickelte.
Der Verleger starb am 22. August 1862 im oberbayerischen Berchtesgaden an der Cholera. Seine letzte Ruhestätte fand er in Berlin auf dem jüdischen Friedhof an der Schönhauser Allee.
Aus seinem Judentum hat Carl Heymann nie ein Geheimnis gemacht. In der Berliner jüdischen Gemeinde gehörte er ab den frühen 50er Jahren erst der Repräsentantenversammlung und dann dem Vorstand an. Zeitweise bekleidete er gar das Amt des Gemeindevorsitzenden. Er gehörte dem linken, liberalen Flügel an; 1845 gründete er mit anderen die Genossenschaft für Reform im Judentum und wurde deren stellvertretender Vorsitzender. Seit seinem Umzug nach Berlin war er Mitglied der Gesellschaft der Freunde, einem dort 1792 gegründeten jüdischen Hilfsverein, dessen Mitglieder sich gegenseitig in Fällen von Armut, Arbeitslosigkeit, Krankheit und Tod unterstützten. Außerdem übernahm er in den späten 40er Jahren als Stadtverordneter und anschließend 1851 bis 1855 als Direktor der Feuer-Versicherungs-Anstalt Borussia gesamtgesellschaftliche Verantwortung.