erschienen in der PAZ, von Dr. Manuel Ruoff
Vor 150 Jahren gingen Schleswig, Holstein und Lauenburg an die beiden deutschen Großmächte über
Der Deutsch-Dänische Krieg von 1864 endete mit dem Frieden von Wien. In ihm trat der dänische König Christian IX. seine Herzogtümer Schleswig, Holstein und Lauenburg an die Herrscher Österreichs und Preußens ab.
Wegen seiner Gleichgewichtspolitik unterstützte Großbritannien in der Schleswig-Holstein-Frage das kleinere Dänemark gegen das größere Deutschland. So wurde 1852 auf einer in seiner Hauptstadt tagenden internationalen Konferenz der fünf Großmächte und der zwei skandinavischen Staaten Dänemark und Schweden das Londoner Protokoll beschlossen, dem zufolge entgegen dem salischen Erbrecht in Schleswig-Holstein die Personalunion mit Dänemark über den Tod König Friedrichs VII. hinaus fortbestehen sollte. Als einzig nennenswertes Zugeständnis hatten die deutschen Großmächte erreicht, dass das Recht der Herzogtümer, up ewig ungedeelt (auf ewig ungeteilt) zu bleiben, anerkannt wurde.
Gegen dieses Recht verstieß jedoch Friedrichs VII. Nachfolger Christian IX., indem er 1863 eine Verfassung für Dänemark unter Einschluss Schleswigs unterzeichnete. Die beiden deutschen Großmächte und Unterzeichnerstaaten des Londoner Protokolls waren daraufhin 1864 erst in das zum Deutschen Bund gehörende Holstein und dann auch in Schleswig einmarschiert.
Die Briten erkannten, dass die Dänen auf eine militärische Niederlage zusteuerten, und luden deshalb erneut zu einer internationalen Konferenz in ihre Hauptstadt ein, um den Skandinaviern mit einer Verständigungslösung das Schlimmste zu ersparen. Kopenhagen zeigte sich jedoch wenig kompromissbereit. Es war weder bereit, die dem Londoner Protokoll widersprechende Einverleibung Schleswigs rückgängig zu machen, noch über eine von Großbritannien wie Frankreich vorgeschlagene Teilung Schleswig-Holsteins zu verhandeln. So ging die internationale Konferenz am 25. Juni ergebnislos zu Ende und die Kampfhandlungen wurden wieder aufgenommen.
Die Dänen gingen davon aus, dass sie auf ihren Inseln vor den beiden deutschen Landmächten sicher seien und auf kurz oder lang die Briten ihnen militärisch beispringen würden. Das war ein Irrtum. Die Briten scheuten den Gesichtsverlust, das vertragsbrüchige und nicht kompromissbereite Dänemark militärisch zu unterstützen. Dieses galt umso mehr, als sie nicht mit der Unterstützung einer weiteren Großmacht hätten rechnen dürfen. Das napoleonische Frankreich war an einem Gleichgewicht zwischen den beiden deutschen Großmächten interessiert und hielt Preußen noch für die schwächere. Zudem hoffte Kaiser Napoleon III. auf Kompensationen an der preußisch-französischen Grenze. Und auch zu Russland waren die preußischen Beziehungen seinerzeit entspannt. Preußen hatte sich als einzige Großmacht im Krimkrieg nicht feindselig gegenüber dem Zarenreich verhalten, es hatte diesem mit der Alvenslebenschen Konvention von 1863 bei der Niederschlagung des polnischen Januaraufstandes geholfen und es hatte schließlich mit Wilhelm I. einen König, für den dessen Neffe auf dem russischen Zarenthron Sympathie empfand.
Statt abzuwarten und Christian IX. auf seinen Inseln und in seinem Königreich in Ruhe zu lassen, zeigten die Deutschen Entschlossenheit und Tatendrang. Der überforderte, bereits 80 Jahre alte Oberbefehlshaber des preußisch-österreichischen Truppen wurde durch Prinz Friedrich Karl von Preußen ersetzt – mit dem genialen, entschlossenen, dynamischen Helmuth von Moltke als Stabschef. Ebenfalls bereits schon vor dem Ablauf des Waffenstillstandes hatten sich Preußen und Österreich geeinigt, das gesamte dänische Festland und die Insel Alsen zu besetzen.
Am 3. Juli zeigte sich im Gefecht bei Landby in einer Klarheit wie nie zuvor die Überlegenheit des preußischen Zündnadelgewehrs. Eine Woche später überquerten die Deutschen den Lijmfjord. Vier weitere Tage später hatten sie die Nordspitze Jütlands erreicht. Die Dänen verließen das Festland und zogen sich auf die Insel Fünen zurück.
Doch auch auf ihren Inseln waren die Skandinavier nicht sicher. Am 13., 14. und 15 Juli eroberten die Deutschen Sylt, Föhr, Röm und Fanø. Aber nicht nur die Nordseeinseln, auch die Düppel gegenüber liegende Ostseeinsel Alsen erwies sich als durch die Deutschen erreichbar. Bereits während der Londoner Konferenz hatten sich Dänen wie Preußen auf den Kampf um die Insel vorbereitet. Die Skandinavier hatten die Insel stark befestigt. Den Südteil des die Insel vom Festland trennenden Alsensundes hatten sie vermint. Und längs des Ufers hatten sie Laufgräben eingerichtet. Und trotzdem wagten die Preußen in der Nacht zum 29. Juni den Übergang. Um 2 Uhr verließen die ersten Boote das Festland. Eine Viertelstunde darauf wehte die erste preußische Fahne am Inselstrand, dort, wo später das Arnkieldenkmal an dieses denkwürdige Ereignis erinnerte. Zwei Stunden darauf erkannte der dänische Oberbefehlshaber die Niederlage und leitete den Rückzug auf die Insel Fünen ein. Bis zum 1. Juli hatten die letzten Dänen Alsen verlassen. Nun trafen die Preußen Vorbereitungen für ein Übersetzen nach Fünen.
Der Verlust der Inseln und Jütlands, Preußens Vorbereitungen für ein Übersetzen nach Fünen sowie die zunehmenden Zweifel an einem rettenden Eingreifen von dritter Seite ließen die Kampfmoral der Dänen sinken. Am 15. Juli wurde im südostjütländischen Christiansfeld Waffenstillstand geschlossen. Zehn Tage später begannen in der österreichischen Hauptstadt Friedensverhandlungen, die schließlich am 30. Oktober 1864 in den Frieden von Wien mündeten. Dieser Vertrag beendete den ersten deutschen Einigungskrieg, der rund 5600 dänische, etwa 1200 österreichische und 977 preußische Soldaten das Leben gekostet hat.