Dieser Artikel erschien bereits in Heft 3/2013 im Magazin „Sehnsucht Deutschland“ und am 21. September in der PAZ
Von Uta Buhr
Als die Schmonzette „Wenn der weiße Flieder wieder blüht“ 1953 das bundesdeutsche Publikum begeisterte, war Romy Schneider, die Tochter des Ufa-Traumpaares Magda Schneider und Wolf Albach Retty, in aller Munde. Ein süßes Mädel, lautete die einhellige Meinung über die gerade Fünfzehnjährige, so frisch und natürlich. Wer hätte damals gedacht, dass aus diesem knapp einen Meter sechzig große Persönchen einmal ein Weltstar werden würde.
Es war an einem schönen Sommertag im Jahre 1957, als ich Romy Schneider im Hause der Tante einer Freundin, die selbst Künstlerin war, vorgestellt wurde.
Romy trug ein ärmelloses weißes Kleid und sah entzückend aus. Ihre Mutter Magda war ebenfalls anwesend. Sie wachte mit Argusaugen darüber, dass ihre Tochter nicht zuviel aß. „Nun reicht es aber“, tadelte sie sanft, aber mit Nachdruck, als Romy sich ein zweites Stück Torte auf den Teller legen wollte. In diesem Augenblick tat sie mir aufrichtig leid. „Einen solchen Drachen möchte ich nicht zur Mutter haben“, flüsterte ich meiner Freundin zu. Romy indes blieb ganz gelassen und sagte: „Ja, ja, die Mami, passt schon gut auf mich auf.“ Seither sind 55 Jahre ins Land gegangen. Aber ich erinnere mich noch genau an diese Begegnung und Romys strahlendes Lächeln.
Das Schauspieltalent lag Romy Schneider, geborene Rosemarie Albach-Retty, in den Genen. Bereits ihr Ururgroßvater väterlicherseits hatte sich dem Theater verschrieben. Und ihre Großmutter Rosa Albach-Retty feierte über ein Menschenalter Triumphe am Wiener Burgtheater. An ihrem hundertsten Geburtstag beglückwünschte Otto von Habsburg sie höchstselbst zu ihren Verdiensten um das kulturelle Leben in Österreich.
Romy, die nach der Scheidung ihrer Eltern den Familiennamen ihrer Mutter annahm und in Bayern aufwuchs, erlangte im Alter von siebzehn Jahren mit der Sissi-Trilogie Weltruhm. Die Rolle der liebreizenden Kaiserin von Österreich schien ihr auf den zarten Leib geschrieben. Da mochte der „Spiegel“ noch so ätzen mit Aufmachern wie „Die Jungfrau von Geiselgasteig.“ Ein Stern war am Filmhimmel aufgegangen, und die Welt lag der zauberhaften jungen Frau zu Füßen.
Was anfänglich von Romy mit den Worten bejubelt wurde: „Ich bin Kaiserin“, wurde ihr mit zunehmender Reife zur Last – gar zum Fluch. In ihr schlummerte weit mehr als die überzuckerte Figur der kaiserlichen Hoheit, die in Wirklichkeit der vielleicht unglücklichste Mensch war, der jemals auf der Wiener Hofburg residierte. Zwanzig Jahre später hatte sie Gelegenheit, Elisabeth in Luchino Viscontis „Ludwig II.“ authentisch darzustellen.
Biographen haben immer wieder Parallelen zwischen Romy und der wahren „Sisi“ gezogen. Beide schienen sie Glückskinder zu sein, ja, Auserwählte, schön, reich und verehrt wie Göttinnen. Wer wäre schon auf die Idee gekommen, dass sich hinter den glänzenden Fassaden Einsamkeit und Verzweiflung verbargen? Der Unterschied: Elisabeth reiste rastlos um den Globus auf der Suche nach Erfüllung, während Romy zu einer der begehrtesten Schauspielerinnen der Welt heran reifte. Frankreich vereinnahmte sie nach ihren ersten Filmen mit Alain Delon und später mit Legenden wie Michel Piccolo, Jean-Louis Trintignant und Yves Montand. Und auch Hollywood buhlte schon früh um ihre Gunst. Orson Welles, der Titan unter den amerikanischen Schauspielern und Regisseuren, Drehbuchschreiber und enfant terrible der Filmszene, engagierte Romy Schneider Anfang der Sechzigerjahre für seinen wohl ehrgeizigsten Film „Der Prozess“ nach der Romanvorlage von Franz Kafka. Sie spielte die Leni neben dem bereits bekannten Anthony Perkins. Nun folgte ein Film auf den nächsten. Die mittlerweise zur „Grande Dame“ des französischen Films avancierte Romy verkörperte nicht nur hochsensible Frauenrollen, sondern glänzte auch in Komödien. „Romy Schneider – einfach süß“, titelte eine seriöse deutsche Zeitung über ihren Part neben Jack Lemmon in dem amerikanischen Streifen „Leih mir deinen Mann.“
Die Karriere der großen Schauspielerin verlief Hand in Hand mit privaten Glücksmomenten und Enttäuschungen. Ihre große Liebe Alain Delon wandte sich nach einer kurzen stürmischen Beziehung einer anderen zu, und ihre spätere Ehe mit dem Schauspieler Harry Meyen scheiterte kläglich. Wer erinnert sich nicht an die Talkshow im deutschen Fernsehen, als dieser Mann seine berühmte Frau in unangenehmster Weise bevormundete und sich als ihr Mentor aufspielte! Nach der Geburt ihres Sohnes David plante die Vollblutmimin Romy ihr filmisches Comeback in dem französischen Thriller „Der Swimmingpool“, der zu einem grandiosen Erfolg wurde. Inzwischen von Meyen geschieden, heiratete sie ihren weitaus jüngeren Sekretär Daniel Biasini. Aus dieser Verbindung stammt die Tochter Sarah, die bereits in mehreren Filmrollen auftrat und ihrer Mutter zum Verwechseln ähnelt.
Der tragische Tod ihres Sohnes David in einem Vorort von Paris traf die sensible Romy Schneider bis ins Mark. Freunde berichten, sie habe seinerzeit den Boden völlig unter den Füßen verloren. Sie schluckte Tabletten und begann zu trinken. Ihre bereits angegriffene Gesundheit wurde noch erheblich geschwächt durch die Entfernung einer Niere. Dennoch verpflichtete sie sich noch zu ihrem letzten Film „Die Spaziergängerin von Sanssouci“, für den sie posthum den französischen César als beste Hauptdarstellerin erhielt. Am 29. Mai 1982 starb Romy Schneider in ihrem Pariser Luxusappartement in der Rue Barbet-de Jouy 11 mit 43 Jahren an Herzversagen. Am 23. September 2013 wäre sie 75 Jahre alt geworden. Großmutter Rosa Albach-Retty, die Romys Lebensweg stets mit einer Mischung aus Bewunderung und Besorgnis verfolgte, soll einmal gesagt haben: „Romy kommt mir vor wie eine Kerze, die an beiden Enden brennt.“ Die große Dame der „Wiener Burg“ erreichte das biblische Alter von 105 Jahren und starb 1980, nur zwei Jahre vor ihrer berühmten Enkelin.