erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Diese nun abgeschafften Namen, zu denen auch »Schuckmannsburg« gehört, spiegeln deutsch-afrikanische Geschichte wider.
Die Geschichte des deutschen Kolonialismus ist relativ kurz. Als die Deutschen mit dem Deutschen Reich endlich einen handlungsfähigen Nationalstaat erhielten, war der größte Teil dessen, was wir heute als „Dritte Welt“ bezeichnen, bereits verteilt. Und das Wenige, das sie noch abbekamen, wurde ihnen bereits nach dem Ersten Weltkrieg in Versailles wieder genommen. Einiges Weniges erinnert jedoch noch an die deutsche Kolonialzeit. Dazu gehört beziehungsweise gehörten bis diesen Monat (siehe PAZ Nummer 33, Seite 4) Lüderitz, der Caprivizipfel und Schuckmannsburg.
Neben den beiden bereits genannten Gründen für die geringe Bedeutung Deutschlands in der Kolonialgeschichte gibt es einen weiteren, allerdings ungleich unwichtigeren und der heißt Otto von Bismarck. Dieser hatte es als Reichskanzler angesichts der Mittellage und der Größe Deutschlands schwer genug, Koalitionen gegen das Reich zu verhindern. Da wollte er nicht die klassischen Kolonialmächte durch eine aggressive Kolonialpolitik vergrätzen. Zudem erkannte er die Gefahr, dass Kolonien Deutschland mehr kosten als nutzen könnten, was denn später mit der Ausnahme Togos auch tatsächlich der Fall war. Die deutsche Kolonialpolitik war deshalb in seiner Ära grundsätzlich defensiv. „Die Flagge folgt dem Handel“, lautete seine Devise. Folgerichtig sind die beiden ersten Jahrzehnte der deutschen Kolonialpolitik bis zu Bismarcks Sturz geprägt von Kaufleuten.
Einer von diesen war Adolf Lüderitz, ein 1834 in Bremen geborener Erbe eines Tabakhandelunternehmens, der 1866 reich geheiratet hatte. 1881 gründete dieser in Lagos, das damals zu Britisch-Westafrika gehörte, eine Niederlassung. Er konnte sich jedoch gegen die dortige ausländische Konkurrenz nicht durchsetzen. Daraufhin entschloss er sich, in einem weniger erschlossenen Teil der afrikanischen Westküste erneut sein Glück zu versuchen. Die Wahl fiel auf Südwestafrika, von dem es hieß, dass es reich an Bodenschätzen sein soll, und das trotzdem noch von keiner Kolonialmacht besetzt war.
Im Mai 1883 erwarb sein Bevollmächtigter Heinrich Vogelsang für seine Firma von dem Volksstamm der Nama eine Bucht, welche die portugiesischen Entdecker „Angra Pequena“ (kleine Bucht) getauft hatten, einschließlich des umliegenden Landes. Auf Lüderitz’ Wunsch hin wurde diese Erwerbung im April 1884 unter den Schutz des Reiches gestellt. Die Bucht Angra Pequena erhielt den Namen „Lüderitzbucht“, die dort am 12. Mai 1883 gegründete Hafenstadt den Namen „Lüderitz“ und die gesamte Erwerbung den Namen „Lüderitzland“. Sie bildete den Kern des späteren Schutzgebietes Deutsch-Südwestafrika.
Nach dem Wechsel von Bismarck zu Wilhelm II. in der Führung des Deutschen Reiches wurde dessen Kolonialpolitik offensiver. Bezeichnenderweise sind denn auch der Caprizipfel und Schuckmannsburg, die beide in der wilhelminischen Ära entstanden, nach Staatsdienern und nicht nach Kaufleuten, sprich nach Vertretern der Flagge und nicht des Handels, benannt.
Nach Bismarcks Entlassung als Reichskanzler schloss dessen Nachfolger Leo von Caprivi 1890 mit den Briten den sogenannten Helgoland-Sansibar-Vertrag. In dem „Vertrag zwischen Deutschland und England über die Kolonien und Helgoland“ erhielt das Reich vom Empire Helgoland gegen Zugeständnisse in Afrika. Wenn die Deutschen gegenüber den Briten um der Nordseeinsel willen auf dem Schwarzen Kontinent auch zurücksteckten, so erklärte sich London bezüglich des Südwestens des Kontinents doch wenigstens in Artikel III des Vertrages damit einverstanden, „dass Deutschland durch diese Bestimmung von seinem Schutzgebiet aus freien Zugang zum Sambesi mittels eines Landstreifens erhalten soll, welcher an keiner Stelle weniger als 20 englische Meilen breit ist“. Die Bezeichnung dieses Landstreifens als „Caprivizipfel“ geht auf Theodor Leutwein zurück, der ab 1898 Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika war.
Ab 1908, dem ersten Amtsjahr von Leutweins Nachnachfolger, Bruno von Schuckmann, gab es im Caprizipfel mit Kurt Streitwolf auch einen kaiserlichen Residenten. Kaum Gouverneur von Deutsch-Südwestafrika, hatte Leutwein den Hauptmann der deutschen Schutztruppe in Deutsch-Südwestafrika mit einer Expedition in den Caprivizipfel beauftragt. Streitwolf kam dabei zu dem Ergebnis, dass der Caprivizipfel von hohem Wert für das Schutzgebiet sei und höchstens gegen etwas so Wertvolles wie beispielsweise die Walfischbucht eingetauscht werden sollte. Daraufhin wurde der Caprivizipfel am 27. Januar 1909 administrativ in das Schutzgebiet eingegliedert. Einige Tage später, am 7. Februar 1909, errichtete Streitwolf eine kaiserliche Residentur im Caprivizipfel. Als kaiserlicher Resident errichtete er, dem drei deutsche Unteroffiziere sowie einige Askaris als Hilfspolizisten zur Seite standen, einige Gebäude, kartografierte die Umgebung und konsolidierte die Verwaltung. Seinem Gouverneur zu Ehren gab er der Siedlung den Namen „Schuckmannsburg“.
Heute leben in der etwa einen Kilometer südlich des Sambesi und etwa 65 Kilometer östlich von Katima Mulilo, dem heutigen Verwaltungssitz der Region, gelegenen Ortschaft etwa 800 Menschen. Es überwiegen Holzhütten, doch gibt es auch einige feste Gebäude, darunter eine Klinik und eine Schule. Das einzige intakte bauliche Relikt aus deutscher Zeit ist ein Ziegelhäuschen mit einer Grundfläche von etwa zwölf Quadratmetern. Dass dieses Erbe so klein ist, liegt auch daran, dass im Zuge der Verlegung der Verwaltung des Caprivistreifens nach Katima Mulilo im Jahre 1935 viele Gebäude in Schuckmannsburg abgetragen wurden, um sie für den Ausbau des neuen Verwaltungssitzes zu nutzen. Katima Mulilo ist mit dem Gründungsjahr 1911 übrigens auch eine Gründung aus deutscher Zeit.