Von Uta Buhr
Unter den drei Europäischen Kulturhauptstädten 2010 ist das in Südtransdanubien gelegene Pécs die unbekannteste. Und das völlig zu Unrecht. Die knapp 160.000 Einwohner zählende Stadt ist einer der geschichtsträchtigsten Orte des Alten Kontinents. Sie stellt ein kunterbuntes Kaleidoskop der Völker dar – Europa in der Nußschale! Hier tummeln sich Serben, Kroaten, Tschechen und Deutsche, die sogenannten „Donauschwaben“, die nach dem Rückzug der Türken Ende des 17. Jahrhunderts hier angesiedelt wurden. János, unser Reiseleiter, der aus einer alten deutsch-ungarischen Familie stammt und ein unverfälschtes, von seinen Altvorderen gepflegtes Schwäbisch spricht, geht noch weiter in der Geschichte zurück. „Weit vor den Osmanen kamen die Römer, die sich bei uns wegen des milden Klimas und der vielen heißen Quellen sehr wohl fühlten.
Unter Kaiser Diokletian wurde der Ort zur Hauptstadt der Provinz Valeria erhoben“, erzählt er. Die folgende Fremdherrschaft durch die Habsburger währte am längsten. Sie setzten Akzente, die sich sehr reizvoll mit denen ihrer muslimischen Vorgänger mischen. Am deutlichsten ist dies in der Architektur des weitläufigen Széchenyi ter spürbar. Während zahlreiche palastartige Bauwerke und die
barocke Dreifaltigkeitssäule in der Mitte des Platzes lebhaft an die k&k Vergangenheit erinnern, beschwört die monumentale, von einer grünen Kuppel gekrönte Moschee des Pascha Gasi Khasim an der Stirnseite die Türkenzeit herauf. Die Christen funktionierten sie später zur katholischen Pfarrkirche St. Maria um. Zum Kulturjahr erstrahlt die gute Stube der Stadt in neuem Glanz.
Die Fassaden sind gereinigt, die Gehsteige neu gepflastert. Pécs, zu deutsch Fünfkirchen, ist reich an Gotteshäusern. Das imposanteste ist die viertürmige St. Peters Basilika, deren Fundamente bereits im 11. Jahrhundert gelegt wurden. Nach verschiedenen Umbauten herrschen heute neoromanische Stilelemente vor.
Die historische Altstadt von Pécs strahlt einen unwiderstehlichen südlichen Charme aus. Hier pulsiert das Leben auf Straßen und in engen Gassen, in Cafés unter freiem Himmel, in avantgardistischen Galerien und schicken Boutiquen. „Man nennt Pécs auch die Stadt der guten Laune“, strahlt eine junge Malerin, die gerade die prächtige, mit Keramik verzierte Jugendstilfassade eines Hauses auf ihre Leinwand bannt. Die Porzellanmanufaktur Zsolnay hat in den 150 Jahren ihres Bestehens zahlreiche Gebäude und Dächer mit anmutigen Dekors verschönert.
Jetzt heißt es, in die Unterwelt von Pécs abtauchen. Die Katakomben erreicht man über das Besucherzentrum am Szent István ter. Sie sind Bestandteil des UNESCO Weltkulturerbes und führen den Besucher in die Bestattungsrituale der frühen Christen ein. Faszinierend sind die Wandmalereien aus dem Alten Testament, die farbenfrohen Darstellungen des Paradieses und der Apostel. Nach einem einstündigen Rundgang durch enge Gänge, über steinerne Treppen vorbei an verliesartigen Nischen freuen wir uns, wieder Tageslicht zu sehen.
Ein Gläschen Wein in einem lauschigen Gartenlokal ist nach diesem Besichtigungsprogramm genau das Richtige. Zumal der Tropfen aus dem nahen Rotweinstädtchen Szekszárd einfach köstlich mundet. Dann ist die Zeit für weitere Entdeckungsreisen und Events gekommen. Denn immerhin warten im Kulturjahr 2010 nicht weniger als 350 Programme auf die Besucher!
Auskunft: www.pecs2010.hu
Dieser Artikel erschien soeben in der Ausgabe 21/2010 des Deutschen Ärzteblattes, der Zeitschrift für die Ärzteschaft