erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Vor 80 Jahren starb Henry Royce
Im Gegensatz zu Charles Stewart Rolls hatte Frederick Henry Royce keinen goldenen Löffel im Mund, als er am 27. März 1863 im englischen Alwalton zur Welt kam. Henry war das fünfte Kind eines armen Müllers und dessen Frau, die sich 1867 trennten. Der Junge kam zum Vater, der 1872 starb.
Mit einem Jahr Schulbildung und 14 Lebensjahren fängt er durch Vermittlung einer Tante eine Ausbildung in einem Lokomotivwerk an. Dort lernt er den Maschinenbau kennen. Allerdings begeistert den bienenfleißigen Autodidakten mehr die Elektrotechnik. Folgerichtig landet er schließlich bei elektrotechnischen Unternehmen.
Als sein letzter Arbeitgeber pleitegeht, hat er genug von der abhängigen Beschäftigung und macht sich mit einem elektrotechnischen Betrieb selbstständig. Sein Partner ist ebenso Elektromechaniker wie er, aber Arztsohn und steuert den Großteil des Anfangskapitals bei. Zusätzliches Kapital gewinnt die Firma durch die Heirat von Royce mit der Tochter eines wohlhabenden Druckereibesitzers. Royce ist Perfektionist und die Produkte gewinnen einen guten Ruf. Der Durchbruch gelingt, als die Elektro- die Dampfkräne ersetzen. Ab 1894 baut Royce’ Unternehmen elektrisch betriebene Brückenkräne.
Royce schuftet wie ein Berserker und betreibt dabei Raubbau an seiner Gesundheit. Sein Arzt empfiehlt ihm Ausfahrten an der frischen Luft und für den Weg zwischen Wohn- und Arbeitsplatz kann er auch ein Auto gebrauchen. Der technisch interessierte Aufsteiger leistet sich also ein solches Gefährt – und ist unzufrieden mit dem erstandenen Produkt. Insbesondere die Zündanlage erregt das Missfallen des Elektromechanikers. Er reagiert nun ähnlich wie Ferruccio Lamborghini nach dem Kauf seines Ferraris: Er versucht, es besser zu machen und wird zum Pkw-Produzenten.
Durch Vermittlung einer seiner Mitarbeiter lernt Royce 1904 den technikbegeisterten Lord, Rennfahrer, Piloten sowie Autoimporteur und -händler Rolls kennen. Rolls sprechen Royce und dessen Fahrzeuge an. Noch im selben Jahr beschließen die beiden Engländer, fortan Rolls-Royce herzustellen und zu vertreiben. Im Rahmen einer Arbeitsteilung übernimmt der adelige Kaufmann aus der Oberschicht die Vermarktung der von Royce entwickelten Modelle.
Neben ihrer Technikbegeisterung vereint die beiden Männer auch ihr Hang zu einer ungesunden Lebensführung. Im selben Jahr 1910, in dem der draufgängerische Rolls der erste Engländer wird, der bei einem Flugzeugunglück ums Leben kommt, wird der arbeitswütige Royce nach mehreren Schwächeanfällen ins Krankenhaus eingewiesen. Eine anschließende Erholungsreise ans Mittelmeer führte ihn auch nach Rayol-Canadel-sur-Mer an der Côte d’Azur. Dort lässt er sich nieder und konzentriert sich fortan auf das Konstruieren von neuen Rolls-Royce-Modellen. Nachdem er noch in der Nacht zuvor im Bett sitzend eine technische Zeichnung angefertigt haben soll, verstirbt der mittlerweile geadelte Sir Frederick Henry Royce am 22. April 1933.