erschienen in der PAZ
Von Dr. Manuel Ruoff
Anton Radziwill versuchte, zwischen seinen Landsleuten und Preußen zu mitteln
Wohl kein anderer Pole hat in Preußen derart Karriere gemacht wie Anton Radziwill. Hätte nicht Napoleon Friedrich Wilhelm III. im Frieden von Tilsit dessen polnische Territorien genommen, wäre er vielleicht sogar Vizekönig von Polen geworden. Aber auch so machte der Politiker, Großgrundbesitzer und (Hobby-)Komponist eine bemerkenswerte Karriere.
Anton Radziwill war ein Exponent der polnischen Nationalbewegung. Er wollte die Wiederherstellung der nach der Teilung von 1795 verlorenen polnischen Staatlichkeit. Aber Radziwill war deshalb nicht etwa ein Antipreuße. Vielmehr schwebte ihm eine preußisch-polnische Personalunion vor. Obwohl Radziwill am 13. Juni 1775 in Wilna geboren wurde und damit in dem Teil der Ersten Polnischen Republik, der 1795 zu Russland kam, wählte er zum Lebensschwerpunkt die preußische Teilungsmacht. Noch zu Zeiten, als die Zweite Republik bestand, zog es ihn und seine Brüder ins deutsche Göttingen zum Studieren.
Nachdem Warschau als Folge der dritten Teilung 1795 preußisch geworden war, besuchte der Preußenkönig noch im selben Jahr mit seiner Familie das unweit der Stadt gelegene Familiengut der Radziwills Nieborow. Anton Radziwill lernte dabei die Preußenprinzessin Luise kennen und lieben. Der katholische polnische Magnat galt zwar nicht als ebenbürtig, aber die als energisch beschriebene Enkelin des „Soldatenkönigs“ erwiderte seine Liebe, und so konnte das Paar 1796 schließlich in Berlin heiraten. Die Folge war nicht nur eine 37 Jahre währende und offenkundig sehr glückliche Ehe, sondern auch, dass der Pole nun im entfernteren Sinne zum deutschen Herrscherhaus Preußens gehörte.
1806 schien Radziwill seinen Verwandten Friedrich Wilhelm III. soweit zu haben, dass dieser bereit war, aus preußischem Territorium ein Königreich Polen zu bilden mit eigener Verfassung, eigener Verwaltung und eigenem Heer. Radziwill sollte dabei vor Ort als Vizekönig Friedrich Wilhelm als polnischem König zur Seite stehen.
Es kam anders. Noch im selben Jahr verwickelte Bonaparte Friedrich Wilhelm in den Vierten Koalitionskrieg und nach der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt musste der Preußenkönig im Frieden von Tilsit 1807 auf seine polnischen Gebiete verzichten.
Preußen gehörte zwar letztendlich zu den Siegern der napoleonischen Kriege, aber in der (vergeb-lichen) Hoffnung, dafür mit Sachsen entschädigt zu werden, verzichtete Friedrich Wilhelm auf dem Wiener Kongress von 1815 fast vollständig auf die Rückgabe der 1807 abgetretenen Gebiete im Osten. Er begnügte sich mit einem Landstreifen zur Verbindung von Ost- und Westpreußen sowie Schlesien, aus dem das Großherzogtum Posen geformt wurde.
Wenn Radziwill schon nicht 1806 Vizekönig von Polen geworden war, so wurde er nun doch wenigstens Statthalter des neugeschaffenen Großherzogtums mit Dienstsitz Posen. Außerdem wurde er Generalleutnant, Ritter des Hohen Ordens vom Schwarzen Adler und Mitglied des preußischen Staatsrats.
Radziwills Statthalterposten war eher repräsentativer Natur, doch bemühte sich der als äußerst kultiviert, höflich und vor allem musikalisch gebildet geltende Politiker um ein einvernehmliches Verhältnis zwischen Preußen und Polen, was ihm sowohl von preußischer wie polnischer Seite nicht immer leicht gemacht wurde. Unterstützt wurde er in seinem Wirken von seiner Ehefrau, die als Preußenprinzessin gute Kontakte nach Berlin besaß und sich im Großherzogtum durch soziales Engagement Sympathien erwarb.
Der fehlgeschlagene polnische Novemberaufstand von 1830/31 erschwerte jedoch nicht nur in Russland die Stellung der Polen; und nicht nur das Zarenreich zog in Form von Zentralisierungsmaßnahmen die Zügel an. So verlor nicht nur Kongresspolen seine Verfassung, sondern auch die Posener Statthalterschaft wurde suspendiert. Im Falle Anton Radziwills kam erschwerend hinzu, dass sein Bruder Michał Gedeon Radziwill zeitweise die polnischen Aufständischen kommandiert hatte und bereits vor dem Aufstand Anton Radziwill selber mit seinem Versuch gescheitert war, seine Tochter Elisa mit dem späteren Kaiser und König Wilhelm I. zu verehelichen.
1833 wurde der Pole aus dem preußischen Staatsdienst entlassen. Seine letzten Lebensjahre verbrachte er auf seinen diversen Besitzungen, darunter auch das Berliner Palais Radziwill in der Wilhelmstraße 77, das später als Dienstsitz des Reichskanzlers Otto von Bismarck Berühmtheit erlangte. Am 7. April 1833 starb Anton Radziwill in Preußens Hauptstadt Berlin.