Von Dr. Manuel Ruoff
Und mit Wilhelm Liebknecht begründete der Sozialdemokrat Wilhelm Hasenclever die Parteizeitung »Vorwärts«
Das Wissen darum, dass die SED 1946 aus der Vereinigung der „rechten“ SPD mit der „linken“ KPD in der Ostzone hervorgegangen ist, sollte zur Allgemeinbildung gehören. Schon weniger bekannt sein dürfte, dass die SPD ihrerseits selber aus einer Vereinigung hervorgegangen ist. 1875 vereinigte sich der „rechte“ Allgemeine Deutsche Arbeiterverein (ADAV), die Lassalleaner, mit der „linken“ Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP), wie die SPD sich damals noch nannte. Ähnlich wie bei der Vereinigung von 1946 war auch nach der von 1875 die Spitze der neuen Partei erst einmal paritätisch besetzt. Vorsitzende wurden Georg Wilhelm Hartmann von der SDAP und der bisherige ADAV-Vorsitzende Wilhelm Hasenclever. Als ein Jahr nach der SDAP-Gründung mit dem „Vorwärts“ das noch heute erscheinende Zentralorgan der neuen Partei gegründet wurde, erhielt auch dieses eine paritätisch besetzte Spitze. Die SDAP war in der Chefredaktion durch Wilhelm Liebknecht vertreten, der ADAV abermals durch Hasenclever.
Wenn Hasenclever auch heute nicht mehr jedem ein Begriff sein mag, so ist sein Name doch untrennbar mit der Gründungsphase der SPD verbunden. Vor 175 Jahren, am 19. April 1837 kam der Sozialdemokrat im westfälischen Arnsberg zur Welt. Nach Mittlerer Reife und dem Erlernen des väterlichen Handwerks entdeckte der Sohn eines Lohgerbereibesitzers im örtlichen Turnverein seine Liebe zur Rhetorik. Er begann, als Redakteur der „Westfälischen Volkszeitung“ sein Brot zu verdienen. Bei dieser Arbeit lernte er die Ideen Ferdinand Lassalles kennen und wurde dessen Anhänger. Nachdem dieser 1864 in einem Duell getötet worden war, trat Hasenclever in den bis dahin von dem Arbeiterführer geleiteten ADAV ein. Dort stieg er schnell auf. Bereits eineinhalb Jahre nach seinem Eintritt in den Verein wurde er dessen Sekretär, 1869 zog er als dessen Kandidat in den Norddeutschen Reichstag ein und 1871 übernahm er die Vereinsleitung. Verständlicherweise widmete sich der Journalist in seiner Parteiarbeit vor allem als Redakteur und Herausgeber von Parteiorganen sowie als Redner und Schriftsteller der Agitation und Propaganda.
Der Druck durch die bismarck-sche Politik führte in der Amtszeit Hasenclevers als ADAV-Präsident und unter dessen tätiger Mithilfe zu einer zunehmenden Solidarisierung zwischen den beiden anfänglich miteinander um die Gunst der Arbeiter konkurrierenden Arbeiterparteien und 1875 dann zu deren Zusammenschluss. Hasenclever wurde neben seinem Reichstagsmandat einer der beiden Vorsitzenden und einer der beiden Zentralorgans-Chefredakteure der neuen Partei.
1888 brach bei Hasenclever eine Geisteskrankheit aus und er begab sich in die bei Berlin gelegene Heilanstalt Maison de la santé, in der mit ihm am 3. Juli 1889 einer der Gründungsväter der SPD verstarb.