Die Hamburger Designerin Susann Eschenfelder
Von Uta Buhr
Auf den ersten Blick erinnert mich das Ambiente dieses Ateliers – oder besser – dieses herrschaftlichen Salons an ein Schillersches Gedicht, das ich als Pennälerin noch auswendig lernen musste. „Der Sänger“ sieht sich in einem „Saal voll Pracht und Herrlichkeit“ um und ist geblendet. Dann fällt ihm spontan ein, daß er singen und nicht seine optischen Sinne ergötzen soll. Ähnlich geht es mir in diesem Raum – gefühlte 200 qm – der mit einer Fülle erlesener Gegenstände ausgestattet ist. Antike chinesische Stühle, mit langstieligen Orchideen geschmückte Designertische, prachtvolle Spiegel, funkelnde Kristallprismen an den Decken und farbenprächtige Teppiche fesseln das Auge. Ich bin zu einem Interviewtermin mit der Hamburger Designerin Susann Eschenfelder geladen, die entspannt auf einem Barocksessel mit vergoldeten Lehnen sitzt und über ihre Arbeit plaudert. Sie ist kaum geschminkt. Zu einer schicken lila Samthose trägt sie einen einfachen schwarzen Cashmerepulli. Vor ihr hockt Nelly, eine Jack-Russel-Hündin, die jeden Besucher mit lautem Bellen ankündigt. „Meine Grundausbildung in Modedesign absolvierte ich in Trier“, erzählt die zierliche Frau. Doch es hielt sie nicht lange in der Stadt an der Mosel. Sie ging nach Hamburg, wo sie sechs Jahre bei Wolfgang Joop und zwei Jahre im Atelier von Jill Sander tätig war. Jedesmal als Leiterin des jeweiligen Designteams. Eine beachtliche Karriere, die unabdingbar in die Selbstständigkeit münden musste. „Die Liebe zu Textilien steckt in meinen Genen“, sagt Susann Eschenfelder. Mütterlicherseits entstammt sie einer Hugenottenfamilie, die im späten 17. Jahrhundert nach der Rückname des „Ediktes von Nantes“ durch Ludwig XIV. ins nahe Saarland übersiedelte, um weiter ein tradiertes Handwerk auszuüben – die Herstellung schöner Stoffe. Auch der Großvater besaß noch eine Textilfabrik in Dillingen. Hier erblickte die heutige Top-Designerin vor sechsundvierzig Jahren das Licht der Welt.
Feine Gewebe sind auch das Basismaterial für die kreativen Entwürfe der Enkelin. Für ihre traumhaften Kissenhüllen verwendet sie nur feinste Lyoner Seide. Diese werden nach ihren Zeichnungen und exakten Angaben bestickt, häufig mit Perlen und Halbedelsteinen. Ihre Vorliebe für exotische Motive ist unverkennbar. Filigrane Blumenmuster auf glänzender schwarzer Seide sowie goldene und silberne Drachen auf seegrünem oder leuchtend rotem Hintergrund sind ein einzigartiger Augenschmaus. Susann Eschenfelder ist Perfektionistin von Kopf bis Fuß. Nur echte Meister ihres Faches genügen ihren hohen Ansprüchen.
Und die findet sie vor allem in Indien. Häufig fliegt sie nach Mumbai (Bombay). Ein spezielles Atelier setzt ihre Entwürfe vor Ort um. „Ich achte strikt auf die Einhaltung der landesüblichen Sitten“, sagt Susann Eschenfelder. „Indien ist ein sehr hierarchisch geprägtes Land. Meine Mitarbeiter sind ausschließlich muslimische Männer. Das Sticken war von jeher ihr Metier.“ Um keinen Preis der Welt würde sie mit einer Werkstatt zusammenarbeiten, die Kinder zu Hungerlöhnen ausbeutet. Jetzt präsentiert sie das Prachtstück ihrer aktuellen Kissenkollektion – auf einer Seite kostbarer russischer Goldzobel, während auf der anderen eine einzigartige Stickerei aus Goldplättchen prunkt. Der Untergrund ist champagnerfarbene Seide. Der Preis für dieses Unikat beläuft sich auf stolze 25.000 Euro. Aber allein das „Rohmaterial“ kostet schon ein kleines Vermögen. Susann Eschenfelder hat einem ihrer Kunden wieder einen Traum erfüllt. Wohl eher einer Kundin, werfe ich ein – oder? Sie ächelt geheimnisvoll. Wenn es um ihre Clientèle geht, bleiben ihre Lippen stets versiegelt. Nur soviel gibt sie preis: Sie stattet herrschaftliche Häuser, Luxusapartments und zuweilen auch Yachten im In- und Ausland mit ihren Kreationen aus. Hierzu gehören neben Kissen kunstvoll bestickte Vorhänge, Tagesdecken und auch Wanddekorationen, also „soft furnishing“, wie es im Fachjargon heißt. Aber das ist noch lange nicht alles. Susann Eschenfelder entwirft auch Handtaschen, Lampen und raffinierte Accessoires für verwöhnte Damen. Da ist zum Beispiel der Kragen mit dem Muff aus feinstem Luchs sowie die verschwenderisch mit Karneol, Citrin und anderen Halbedelsteinen bestickte Stola aus hellbraunem Wiesel. Auch die bunten, mit geometrischen Mustern bemalten Lampenschirme – eine Hommage an Courrèges, die Modeikone der Sechziger – hat die Desigerin entworfen. Die Krokotasche, die trotz ihrer Größe so anmutig wirkt, erweckt mein Interesse. Susann Eschenfelder breitet die exquisit gegerbte Haut eines Krokodils vor mir aus: „Ich verwende ausschließlich lizensierte Häute und Felle“, betont sie und weist auf ein kuscheliges weißes Fell. „Das ist ein Finn-Raccon – ein besonders bearbeiteter finnischer Waschbär.“ Auch dies ist wieder die Bestellung eines Kunden, der die Gestaltung des Futters ganz und gar in die Hände dieser stilsicheren Frau gelegt hat. Gerade denkt sie darüber nach, welche Materialien hier in Frage kommen. Seidenstickerei oder Steine – ihr wird schon noch die perfekte Lösung einfallen. Ja, und dann sind da noch die prächtigen Pareos – handgefärbte Seide mit glitzernder Steinen, die an Saris indischer Fürstinnen erinnern, das Stück für 1000 Euro. „Diese Tücher sind multifunktional“, erklärt die Designerin. „Frau kann sie ebenso zu einer eleganten Abendrobe tragen wie am Strand.“ Voilà!
Der Name Susann Eschenfelder steht für puren Luxus. Ihre Kunden sind jene, die laut Oscar Wilde den einfachsten Geschmack dieser Welt besitzen: Sie umgeben sich nur mit dem Allerbesten! Schöne Dinge waren auch für die junge Susann von jeher sehr wichtig. Ihr Haus – für viele Hanseaten das gediegenste in Pöseldorf – ist ein Domizil wie aus dem Bilderbuch. Es verbirgt sich hinter einem schmiedeeisernen Tor. Leider, findet die Besitzerin, sind die immergrünen Büsche nicht hoch genug, um neugierigen Passanten ganz die Sicht zu verwehren. Der Anblick ist auch gar zu verführerisch! Die breite Treppe wird von einem eleganten Säulenportikus flankiert. Ein herrlicher klassizistischer Bau, der allerdings erst in den fünfziger Jahren des letzten Jahrhunderts errichtet wurde. Der große Eduard Brinkama,
Ästhet wie Susann Eschenfelder, ließ seinerzeit ein „potthässliches“ Gebäude – zumal eine Autowerkstatt – abreißen und durch dieses Stadtpalais ersetzen. Bis vor einigen Jahren residierte hier die Modelegende Jill Sander. Für mich und mein Patenkind Christina war dieses Haus früher der Inbegriff des Märchenhaften, kurz „Dornröschens Schloß.“ Susann Eschenfelder ist leicht irritiert. Und so erkläre ich ihr, daß ihr schönes Zuhause natürlich gar nichts mit einem hundertjährigen Schlaf zu tun hat. Der Charme dieses Hauses liegt in seiner heiter geheimnisvollen Ausstrahlung. Genau das richtige Heim für eine Designerin ihres Formats.