Altonaer Museum: Deutschland um 1980 – Fotografien aus einem fernen Land

Werbekampagne für Lee Cooper Jeans um 1982. Foto: Ingolf Thiel.

Die gerade eröffnete Ausstellung im Altonaer Museum in Hamburg zeigt Fotografien, die zwischen 1975 und 1985 ‚hüben und drüben‘ im geteilten Deutschland entstanden sind. Einige auch hier in Hamburg. Es sind fotografische Dokumente, die vielen Besuchern sehr vertraut vorkommen werden, die zeitlich gesehen dennoch weit weg und fast wie aus einer anderen Welt zu sein scheinen.

Doch halt! Ist das, was wir da sehen, wirklich so weit entfernt? Entdecken wir da nicht Menschen auf Bäumen bei dem Versuch, das Roden eines Waldes zu verhindern, so wie wir es auch heute von Berichten aus dem Hambacher Forst kennen? Damals ging es um AKWs, heute darum, RWE daran zu hindern, noch mehr Wald und Land für den Kohleabbau zu vereinnahmen. Wir finden auch Bilder von rechtsextremen Horden in aufgeheizter Stimmung, massive Polizeieinsätze bei Demonstrationen und – hatten wir das bereits vergessen? – offene Ablehnung gegenüber Migranten. Schon damals wurden Viele von der Angst umgetrieben, die ‚Fremden‘ könnten ihnen etwas wegnehmen von dem sie glaubten, dass es nur ihnen zustehe: Arbeit, Geld, Wohnraum.

Chaostage, Hannover 1984. Foto: Martin Langer.

Ursprünglich als dringend benötigte Arbeitskräfte ins Land geholt, steigerte sich sukzessive der Fremdenhass gegenüber den sogenannten Gastarbeitern. Es kam zunehmend zu tätlichen Angriffen bis hin zum Mord. Integration: schwierig. Das Fremdsein thematisierte die türkische Lyrikerin Semra Ertan, die 1971 ihren Eltern nach Deutschland folgte, in ihren Gedichten. Mein Name ist Ausländer / Benim adım yabancı, stammt aus 1981. Mehr über sie, ihre Gedichte und ihre Selbstverbrennung 1982 aus Protest, erfährt man in der Ausstellung.

DEUTSCHLAND UM 1980 – Fotografien aus einem fernen Land zeigt Bilder zehn deutscher Fotografen und deren sehr unterschiedliche Blickwinkel auf die 80iger. Die Ausstellung erinnert nicht nur an die politische Seite dieser Epoche. Vielmehr ist sie ein ausgewogenes und sehr sehenswertes Nebeneinander von Ernst und Schmunzeln. Viele werden sich an Frisuren und Mode dieser Zeit erinnern und an die ersten Pilates Videos mit hautengen Glanztrikots und Stirnband. Die Punks erschienen auf der Bildfläche, hier wie auch in der DDR und die Neue Deutsche Welle eroberte sich einen Platz in der Musikwelt der Jugend. Feminismus und der Beginn homosexueller Emanzipation nahmen zunehmend Raum ein.

Gleich zu Beginn des Rundgangs wird man von einem sehr farbenfrohen Medley aus Werbespots, Haushaltstipps und Musikclips empfangen. Serien à la ‚Denver-Clan‘ oder Samstagabend-Shows wie ‚Wetten, dass…?‘ wurden die neuen Renner in der damals noch überschaubaren Menge der Fernsehsender. Und wie war das noch mit den Menschenmengen vor den Kaufhaustüren kurz vor dem Sturm auf die Grabbeltische beim Schlussverkauf? Der erste Macintosh-Computer, noch riesengroß und raumgreifend, kam auf den Markt und mit ihm die Bildung zweier Lager, die bis heute bestehen: Apple-User versus Windows-Nutzer.

Und natürlich fehlt in der Riege der Bilder auch nicht der berühmte ‚Bruderkuss‘ zwischen Leonid Breschnew und Erich Honecker, den die Fotografin Barbara Klemm am 7. Oktober 1979 anlässlich des 30. Jahrestages der DDR ablichtete. Ein Foto, das um die Welt ging.
Auch Teil der Ausstellung ist die Variante der künstlerisch performativen Fotografie als Teil der künstlerischen Avantgarde, wie die Bilder von Ingolf Thiel.

Kemal-Altun-Platz, Hamburg 1982. Foto: Asmus Henkel.

Die Ausstellung wurde konzipiert in Kooperation des LVR-Landesmuseums Bonn mit der Deutschen Fotothek Dresden und der Stiftung F.C. Gundlach Hamburg und 2022 in Bonn erstmals öffentlich präsentiert. Auf ihrer Reise ist sie nun in Hamburg angekommen, im Gepäck zehn sehr individuelle fotografische Positionen, darunter auch die dreier Hamburger Fotografen, die Kurator Fabian Ludovico in die Ausstellung integriert hat: Christian von Alversleben, Wilfried Bauer und Asmus Henkel. Weiterhin die Arbeiten von Angela Neuke, Barbara Klemm, Martin Langer, Ingolf Thiel, Mahmoud Dabdoub, Gerd Danigel, Hans-Martin Küsters. Die fotografische Vielfalt wird ergänzt durch Fernsehbilder und Filme um 1980, von Toneinspielungen und Objekten.

Das Altonaer Museum zeigt die Ausstellung bis zum 03.03.2025.
Museumsstraße 23
22765 Hamburg

Montag, Mittwoch – Freitag: 10 -17 Uhr
Samstag, Sonntag: 10-19 Uhr
Dienstags geschlossen

Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie 2025

Ab dem 1. Oktober können sich professionelle Fotografinnen und Fotografen sowie Absolventen von Fotostudiengängen an Hochschulen, Universitäten und Akademien wieder für den „Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie“ bewerben.

Der Preis, der mit einem Arbeitsstipendium in Höhe von 8.000 Euro dotiert ist, wird von der Stiftung Historische Museen Hamburg gemeinsam mit der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen für eine künstlerisch-dokumentarische Auseinandersetzung mit dem Stadtbild Hamburgs und seinen aktuellen Veränderungen vergeben. Die Entscheidung der Jury über den „Georg Koppmann Preis“ des Jahres 2025 wird Anfang des nächsten Jahres bekannt gegeben

Die Bewerbungsfrist endet am 30. November 2024.

Weitere Informationen zu den Bewerbungsunterlagen sind auf der Website der Stiftung Historische Museen Hamburg zu finden unter: www.shmh.de/fotopreis

Hamburgs rasante Entwicklung zur Großstadt in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde intensiv mit dem damals neuen Medium der Fotografie dokumentiert. Der Hamburger Fotograf Georg Koppmann (1842–1909) war einer der Pioniere dieser Stadtfotografie und wurde 1874 von der Baudeputation beauftragt, den Wandel des Stadtbildes im Zuge der Entwicklungen nach dem Großen Brand von 1842 festzuhalten. Mit seinen zahlreichen Aufnahmen dokumentierte er wegweisende Ereignisse der Stadtentwicklung, wie den Abriss der Kehrwieder-Wandrahm-Viertel und den Bau der Speicherstadt.

Zu Ehren Koppmanns vergibt die Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen gemeinsam mit der Stiftung Historische Museen Hamburg seit 2018 den „Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie“. Dieser Preis richtet sich an Fotografinnen und Fotografen, die Hamburg aus einer eigenständigen, künstlerischen Perspektive als urbanen Lebensraum dokumentieren und aktuelle städtische Veränderungsprozesse visuell begleiten. Als Heimat einer vielfältigen Stadtgesellschaft, ist Hamburg permanenten Veränderungen unterworfen, die das Stadtbild und das Leben seiner Bewohner prägen. Immer wieder werden die Fragen neu zu beantworten sein: Wie funktioniert die Stadt? Wem gehört die Stadt?

Kontakt:
Stabsstelle Presse & Marketing
Stiftung Historische Museen Hamburg
Holstenwall 24
20355 Hamburg
Tel.: +49 176 428 663 04
mira.linzenmeier@presse.shmh.de
www.shmh.de

 

 

Neue Preisträgerinnen für Hamburger Stadtfotografie

Alexandra Polina und Irina Ruppert erhalten den Georg Koppmann Preis 2023

In diesem Jahr geht der Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie erstmals an zwei Preisträgerinnen. Alexandra Polina erhält den Preis für das Fotografie-Projekt „Der Steindamm-Atlas“. Die Fotografin möchte mit ihrer Serie all dem eine Bühne geben, was auf dem Steindamm im Hamburger Bahnhofsgebiet im turbulenten Alltag meist unbeachtet bleibt. Irina Ruppert wird in ihren Fotos die Menschen rund um das Quartier an der S-Bahnstation „Am Diebsteich“ porträtieren. Ihre Arbeiten sollen auch die Gebäude vor Ort mit einbeziehen, so dass gleichzeitig die Veränderung des Gebietes deutlich wird, wo der neue Regional- und Fernbahnhof Hamburg-Altona entsteht.

Der Georg Koppmann Preis 2023, der gemeinsam von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und der Stiftung Historische Museen Hamburg (SHMH) vergeben wurde, ist mit einem Arbeitsstipendium von je 6.000 Euro für die beiden Preisträgerinnen verbunden. Im Rahmen dieses Stipendiums werden die Fotografinnen Alexandra Polina und Irina Ruppert ihre bereits im Zuge der Bewerbung konzipierten Projekte weiterführen und zum Abschluss bringen. Die Ergebnisse sollen dann in einer Publikation sowie in einer Ausstellung im Rahmen des diesjährigen Hamburger Architektursommers gezeigt werden. Von 8. Juni bis 3. Oktober 2023 plant das Museum der Arbeit unter dem Titel „Eyes on Hamburg“, alle Projekte der in den Jahren 2019 bis 2023 mit dem Georg Koppmann Preis ausgezeichneten Fotografinnen und Fotografen zu präsentieren.

Karen Pein, Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen: “Das Gesicht Hamburgs wird sich in den kommenden Jahren an vielen Orten in der Stadt verändern. Es ist gut, wenn dieser Wandel und die Menschen, die diesen wie am Diebsteich hautnah erleben, dokumentiert werden. Und es ist wichtig, dass auch Orte betrachtet werden, die sich durch die Vielfalt der Gesellschaft und das kulturelle Miteinander auf eine andere Art jeden Tag ein bisschen verändern, wie der Steindamm. Ich gratuliere beiden Preisträgerinnen herzlich zum Georg-Koppmann-Preis für Stadtfotografie.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Czech, Vorstand und Direktor der SHMH: “Die Herausforderung für Georg Koppmann, dem Namensgeber unseres gemeinsamen Preises für Stadtfotografie, bestand vor mehr als 100 Jahren darin, mit seinen Fotografien die baulichen Veränderungen in der Stadt Hamburg zu dokumentieren und dabei auch die relevanten sozialen und kulturellen Kontexte miteinzubeziehen. Ich freue mich, dass von den beiden aktuellen Preisträgerinnen gleich zwei hoch interessante Projekte mit der Perspektive der Gegenwart realisiert werden können, deren Aufgabenstellungen den künstlerischen Blick auf zwei signifikante Stadtquartiere mit einem Fokus auf die dortigen Bewohnerinnen und Bewohner verbindet.”

Zum Projekt „Der Steindamm-Atlas“ von Alexandra Polina: Der Steindamm in der historischen Vorstadt St. Georg hat eine bewegte Geschichte und sein Aussehen immer wieder geändert. In den letzten Jahrzehnten haben vor allem die vielfältigen Veränderungen der Stadtgesellschaft den Ort geprägt und unterschiedliche Communities und kulturelle Milieus dort ihre Spuren hinterlassen. Alexandra Polinas fotografischer Ansatz, den Straßenraum rund um den Steindamm als öffentliche Bühne für die verschiedenen kulturellen Milieus und ihre Besonderheiten aufzufassen, war ausschlaggebend für die Entscheidung der Jury, ihr Projekt auszuwählen.

Zum Projekt „Diebsteich“ von Irina Ruppert: Durch die Verlagerung des Bahnhofs Altona an den Diebsteich wird sich die Gegend um die ehemalige S-Bahnhaltestelle stark verändern. Irina Ruppert, die selbst vor Ort lebt, wird in ihrem Projekt ihre Nachbarinnen und Nachbarn in einer Porträtserie fotografieren, um darin die Besonderheiten des Quartiers und insbesondere die Bewohnerinnen und Bewohner zu thematisieren. Die Jury würdigte mit ihrer Entscheidung die Idee der Fotografin, den Moment der Aufnahme selbst zum Begegnungsort der Menschen am Diebsteich zu machen.

Weitere Informationen zu den beiden Preisträgerinnen unter:

https://alexandrapolina.com/

http://www.irinaruppert.de/

Der Georg Koppmann Preis für Hamburger Stadtfotografie wurde im Herbst 2018 erstmalig ausgeschrieben, mit dem Ziel, künstlerisch-dokumentarische Auseinandersetzungen mit dem Stadtbild Hamburgs und seinen Veränderungen zu fördern. Er wird jährlich von der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen in Kooperation mit der Stiftung Historische Museen Hamburg zu Ehren des Hamburger Fotografen Georg Koppmann (1842 bis 1909) vergeben, der Ende des 19. Jahrhunderts die Entwicklung Hamburgs zur Großstadt dokumentiert hat. Die ausgezeichneten Projekte sollen eine eigenständige fotografische Perspektive auf die Stadt als Lebensraum und Wohnort einer diversen Stadtgesellschaft deutlich machen und sich mit den Entwicklungs-prozessen einer modernen und vielfältigen Metropole auseinandersetzen.

Die Jury für den diesjährigen Georg Koppmann Preis bestand neben der ehemaligen Stadtentwicklungssenatorin Dr. Dorothee Stapelfeldt aus Prof. Dr. Hans-Jörg Czech, dem Direktor und Vorstand der SHMH, Hamburgs Oberbaudirektor Franz-Josef Höing und mehreren Expertinnen und Experten aus dem Bereich der Fotografie. Zukünftig wird Karin Pein als amtierende Senatorin der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen der Jury angehören.

Weitere Informationen zum Georg Koppmann Preis unter: https://shmh.de/de/fotopreis

Pressekontakte
Stiftung Historische Museen Hamburg
Matthias Seeberg
Telefon: 040 428 131 171
matthias.seeberg@presse.shmh.de
www.shmh.de

Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen
Pressestelle
Telefon: 040 428 40 2051
pressestelle@bsw.hamburg.de
www.hamburg.de/bsw
Twitter: @fhh_bsw

 

Der Akt in der Kunst

 Rückenakt gebückt

Eröffnungsrede der Ausstellung „Moonlicht Bodys“ in der Rudolf Steiner Schule Altona  am 22.02.2010
Von Dr. László Kova
Hört man das Wort Akt, erscheinen in unserem Gehirn erotische Bilder, in unserer Psyche angenehme Schwingungen. Hatte der Schöpfer ähnliche Gefühle etwa vor 25.000 v. Chr., als er aus Kalkstein die nur 11 cm große Venus von Willendorf herausarbeitete? Dieses Fruchtbarkeitssymbol hat schwere Brüste, runden Bauch, ein überproportioniertes Gesäß und dicke Schenkel. Sogar ihre Schamlippen sind detailliert dargestellt. War er der erste Künstler in der Geschichte, der eine Aktdarstellung schaffte? Wurde er für seine künstlerische Arbeit von seinen steinzeitlichen Zeitgenossen bewundert oder musste er sich dafür schämen? Continue reading „Der Akt in der Kunst“