Von Josef-Wilhelm Knoke
Ach wie gern lachen wir doch einmal über kuriose Wortschöpfungen, vor allem, wenn es sich dabei um solche von prominenten Personen handelt, und besonders, wenn es dabei zu Wortschöpfungen kommt, die ansonsten eher nicht zum bürgerlichen Sprachgebrauch gehören. Paradebeispiele der vergangenen Wochen lieferten uns zwei französische Politiker. Die frühere Justizministerin Rachida Dati, der man wegen ihrer turbulenten Privatsphäre schon vieles unterstellt hat, verdrehte in einem Interview zwei Begriffe. Anstatt von „inflation“ sprach sie von „fellation“. Ganz Paris lachte. Als einige Tage später der Innenminister Brice Hortefeux, ebenfalls in einem Interview, ein neues Kunstwort schuf, indem er von „empreintes génitales“ sprach, also genitalen Fingerabdrücken anstelle der wohl gemeinten „empreintes digitales“, lachte ganz Frankreich.
Häufig hört man dann den Kommentar: „Freud´scher Versprecher“. Dies ist aber in den seltensten Fällen zutreffend. Denn so bezeichnet man die Aussprache eines unbewussten Gedankens, der eigentlich unterdrückt werden sollte, und das will den beiden Genannten dann doch wohl niemand unterstellen. An solches konnte man allerdings denken bei den grandiosen Versprechern von Andrea Ypsilanti, die von sich sagte, sie sei „in Rüsselsheim als Sohn eines Opel Arbeiters geboren“, oder bei Angela Merkel, als sie von „Roland Kotz“ sprach. Auch Helmut Kohl war mit seiner Aussage „wir haben ein gutes Koalitionsklima, in dem wir pfleglich miteinander untergehen“ wohl dieser Kategorie zuzurechnen, als er anlässlich einer Koalitionskrise über die weitere Zusammenarbeit zwischen CDU/CSU und FDP sprach.
Ein anderer Klassiker, der Versprecher eines ehemaligen bayrischen Ministerpräsidenten über ein „kleines Sprühen in die gludernde Lot, ääääh die gludernde Flut, ähhh die lodernde Flut“, ist dagegen offensichtlich nur ein klarer Fall von Lautvertauschung.
Wie aber kommt es überhaupt zu Versprechern, die in unserer Wahrnehmung besonders häufig bei „Personen des öffentlichen Lebens“ (Politikern, Nachrichtensprechern, Sportlern) vorkommen? Die Frankfurter Professorin Helen Leuninger erforscht seit vielen Jahren die Geschichte von „Versprechern“, und hat eine umfangreiche Sammlung von über 8000 Beispielen dazu datenbankgestützt erfasst. Sie definiert grob zwei unterschiedliche Kategorien von Versprechern. Solche, die mit der inhaltlichen Bedeutung zu tun haben und zu unrichtigen, aber inhaltlich ähnlichen Wortschöpfungen führen, wie „noch ein paar ungelegte Leichen im Keller haben“. Die zweite Kategorie bilden solche, die mit der Form der Äußerung zu tun haben. Als Paradebeispiel hierzu nennt sie die Patientin, die zur Schwester sagt „ Dafür habe ich jetzt keine Zeit, ich muss zur Pornographie“. Gemeint war natürlich die Sonographie.
Prof. Leuniger ist Linguistin und verdankt ihr „Hobby“ einer ihrer ersten Vorlesungen, bei der sie von ihren Studenten unter Gelächter darauf aufmerksam gemacht wurde, dass sie ständig vom „genischen Sächsitiv“ anstatt vom „sächsischen Genitiv“ spreche. Prof. Leuninger ist aber keineswegs die erste Sammlerin von Versprechern. Bereits 1895 veröffentlichte der deutsche Sprachwissenschaftler Rudolf Meringer die erste deutschsprachige Versprechersammlung.
Die Ursache von Versprechern liegt in einer temporären Überlastung des Sprachplanungssystems im Gehirn. Der Weg, wie ein Gedanke seine sprachliche Form findet und dann zu einer Äußerung wird, kann aber durch verschiedene Faktoren fehlerbehaftet sein. Vereinfacht ausgedrückt: Versprecher sind Montagefehler beim Wort- und Satzzusammenbau im Gehirn.
Besonders schwer ist es manchmal, einen gemachten Versprecher zu korrigieren, wie das Beispiel eines Radiosprechers zeigt: „Meine Damen und Herren, Sie hören nun die h-Mess-Molle. Verzeihung, die h-Moss-Melle, ich bitte sehr um Entschuldigung, die h-Moll-Messe von Johann Sebaldrian Bach – ich häng mich auf“!
Uns, den Lesern, Zuhörern oder Zuschauern können die Gründe gleichgültig sein. Wir freuen uns einfach, lachen zu können! Daher abschließend noch etwas Nahrung für ihre Lachmuskeln:
- „Mein Geist war willig, aber mein Fleisch war flach“
- „Verhängnisverhütung“ anstatt von“ Empfängnisverhütung“
- „Das wird doch alles nur von den Medien hochsterilisiert“ (Bruno Labbadia)
- „Wir dürfen den Sand nicht in den Kopf stecken“ (Lothar Matthäus)
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Sprechen in Zahlen (Quelle: Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft)
400 Millisekunden dauert es etwa, ein Wort hervorzubringen. 120 bis 150 Wörter in der Minute – das ist unsere normale Sprechgeschwindigkeit. 30 000 Wörter etwa umfasst unser aktiver Wortschatz, bei »gebildeten« Menschen wird er auf ca. 94 000 geschätzt. 250 000 Wörter haben wir in unserem passiven Wortschatz. Auf 300 000 bis 500 000 Wörter schätzt man den gesamten Wortschatz der deutschen Sprache, Fachbegriffe eingeschlossen. Alle 1 000 Wörter etwa passiert ein Versprecher, d. h., rund alle 10 Minuten verspricht man sich. Nur ca. 50 Prozent aller seiner Versprecher korrigiert ein Sprecher selbst. Die meisten werden übergangen.