Von Kindern lernen

Es ist ein alter Hut. Viele Bürger halten sich nur ungern an die einfachsten Verkehrsregeln. Wie oft muss ich erleben, dass ein Auto noch über die Kreuzung vor meinem Haus „nagelt“, wenn die Ampel schon längst auf Rot umgesprungen ist. Auch vor Zebrastreifen drosseln manche Fahrer nur ungern das Tempo. Häufig muss man beherzt ausschreiten, um sie noch rechtzeitig zum Halten zu bewegen.

Und wie steht es mit den Fußgängern, die nicht selten geduldig vor Ampeln ausharren müssen, bis sie endlich die Straße überqueren dürfen, auch wenn weit und breit kein Fahrzeug in Sicht ist? Ich gestehe, dass ich in so einem Fall nicht immer auf grünes Licht warte, solange keine Kinder in der Nähe sind. Dem Nachwuchs gegenüber zeige ich mich stets als vorbildliche Verkehrsteilnehmerin.

Zumindest bis gestern Mittag. Die Sonne blendete mich, als ich in der Nähe des Harburger Bahnhofs bei Rot schnell über eine Straße lief. „Rotgänger, Todgänger, Grüngänger leben länger“, erschallte ein mehrstimmiger Kinderchor hinter mir. Wie vom Schlag gerührt drehte ich mich um. Da standen vier etwa zehnjährige Schulmädchen am Straßenrand und drohten mir mit dem Finger. Mein Gott, die lieben Kleinen hatte ich ganz übersehen! „Entschuldigt“, stammelte ich verlegen. „Aber da habe ich wohl geschlafen. Kommt ja mal vor.“

„Sollte es aber nicht“, entgegnete das Größte von den Mädchen streng. „Erwachsene erzählen uns doch immer, wo es langgeht. Dann müssen sie aber auch Vorbilder sein.“ Wo Kinder recht haben, haben sie recht. Also schwor ich hoch und heilig, nie wieder bei Rot über die Straße zu gehen. Das versöhnte die jungen Damen offenbar, die sich mit einem freundlichen „Tschüs, und noch einen schönen Tag“, von mir verabschiedeten. Ich habe mir übrigens gelobt, dieses Versprechen niemals zu brechen. Großes Indianerehrenwort!

Diese Glosse erschien bereits im Hamburger Abendblatt
Foto: Michael_Luenen, Pixabay

„Schreib einfach!“

Schreiben kann erfüllen, befreien, berauschen und glücklich machen, aber sich auch als schwierige Angelegenheit entpuppen.  Wie fängt man an, über was und in welcher Form soll man schreiben, wie überwindet man Schreibblockaden? Maren Schönfeld möchte mit ihrem neuen Buch hierzu Hilfestellung leisten, aber nicht nur das. Sowohl für Anfänger als auch für erfahrene Autoren hat sie zahlreiche Tipps und Übungen zusammengetragen, die unmittelbar in die Kreativität führen und dazu einladen, rund um das Thema Schreiben Neues zu entdecken und auszuprobieren. Das erste von insgesamt drei Kapiteln beinhaltet 32 Übungen, die als Schreibimpulse mit teils spielerischem, teils reflektorischem Charakter helfen sollen, in den Schreibprozess zu kommen. Dazu gibt es Anregungen, wie man im hektischen Alltag regelmäßige, kleine Auszeiten zum Schreiben finden kann.
Das zweite Kapitel enthält umfangreiche Anleitungen zum autobiografischen Schreiben, während es im letzten Kapitel um das Thema Lyrik geht. Hier werden unterschiedliche Gedichtformen aus der klassischen Poesie vorgestellt, wie Tanka, Haiku, Sonett, Fünfzeiler, Elfchen und Rondell, dazu Scherz- und Nonsenspoesie, wie Limerick, Leberreim und Klapphornvers. Beispiele zur konkreten Poesie, sowie verschiedene Schreibspiele und Hinweise zu weiterführender Literatur runden das Buch ab.
Wie in allen Disziplinen helfen auch beim Schreiben handwerkliche Kenntnisse enorm, sich besser ausdrücken und weiterentwickeln zu können. Diesbezüglich hat das Buch einen großen Fundus zu bieten. Die fast zwanzigjährige Erfahrung der Autorin als Schreibcoach und Dozentin in der Erwachsenenbildung sind das große Plus des Buches. Die Tipps sind praxisnah und haben sich im Rahmen langjähriger Schreibkurse bei einer großen Teilnehmerzahl bewährt. Der einfühlsame und motivierende Schreibstil macht das Werk zum großen Lesevergnügen.
Fazit: Das Buch wird seinem Titel vollends gerecht und ist sowohl für Anfänger als auch für fortgeschrittene Autoren ein äußerst nützlicher Begleiter, den man immer wieder zur Hand nehmen kann. Eine klare Kaufempfehlung!

 

Taschenbuch : 112 Seiten
ISBN-10 : 3947911432
ISBN-13 : 978-3947911431
Abmessungen : 11.5 x 0.9 x 18.4 cm
Herausgeber : Verlag Expeditionen

Ein Leben für die Kunst: Unser Mitglied László Kova wird achtzig

Laut Joseph Beuys ist jeder Mensch ein Künstler. Über diese Aussage kann man durchaus geteilter Meinung sein. Er selbst, das Enfant terrible der internationalen Kunstszene, war zeitlebens umstritten. Während manche ihn für ein Genie hielten, war er für andere ein Scharlatan, der mit seinen ausgefallenen Ideen die Welt beeindrucken und gleichzeitig abzocken wollte. Man denke nur an seinen berühmten Fettfilz, den eine übereifrige Putzfrau aus einer Gummiwanne mit einem Wisch entfernte, weil sie ihn für Schmutz hielt. Das betroffene Dortmunder Museum hatte innerhalb weniger Minuten ein epochales Kunstwerk im Werte von 800.000 Euro verloren. Ein Skandal, der die Presse im In- und Ausland über Wochen und Monate beschäftigte. Nicht wenige „Kunstbanausen“ amüsierten sich königlich über diesen Fauxpas, während manche der Frau im Arbeitskittel zu ihrer Courage gratulierten, diesen „Mist“ dahin entsorgt zu haben, wo er hingehört – in den Abfluss. Kunst kommt von Können, sagt der Volksmund, und wirkliches Können wollten viele dem Aktionskünstler und Provokateur nicht zubilligen.

Aber in medias res. Heute möchten wir einen Mann ehren, den wir als einen veritablen Künstler bezeichnen können und der mit seinem vielseitigen Werk

viele Kunstliebhaber anspricht. Ob großformatige Ölgemälde, filigrane Blütenträume in Acryl, mit leichter Hand hingeworfene Skizzen oder bronzene Skulpturen – László Kova ist in allen Sätteln der schönen Künste gerecht und versucht sich ständig an neuen Techniken. Doch nicht genug damit. Der Mann hat sich auch als Schriftsteller und Lyriker einen Namen gemacht. Das Herz sei für seine Poesie sehr wichtig, offenbarte Kova einem Journalisten des STERN während eines Interviews, denn – Originalton Kova – „wenn ich in schlaflosen Nächten vom Erlebten und Erfundenen überfallen werde, zwingt mich das unausweichlich zur Bewältigung, zur Verarbeitung, zum Schreiben. Da ergeht es mir ähnlich wie bei meinem Drang zur Malerei.“ Der 1940 in Budapest geborene Ungar erwies sich bereits in jungen Jahren als eine Art „enfant prodige“, das Gedichte und Geschichten schrieb und selbst illustrierte. Später studierte er auf Lehramt und promovierte zum Doktor der Volkswirtschaft. Sein Hauptanliegen aber war von jeher die Kunst, der er sich mit Leib und Seele verschrieb. 1974 kam László Kova als politischer Flüchtling nach Deutschland, wo er seine künstlerische Weiterbildung an der Hochschule für bildende Künste in Hamburg bei Professor Günther Cordes pflegte. Als Journalist war Kova ebenfalls unterwegs. Er schrieb für verschiedene deutsche Zeitungen und betätigte sich nebenbei noch als Handballtrainer in der Bundesliga. Auch als Deutschlehrer war er erfolgreich. Dafür erhielt er von seiner internationalen Schülergemeinde einen vergoldeten Oscar mit der Inschrift „Dem besten Lehrer.“ Mehr geht nicht. Oder doch? Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass der athletische Mann bis vor nicht allzu langer Zeit jährlich den Balaton (Plattensee) in ein einer sehr guten Zeit durchschwamm. Immerhin eine Stecke von 5,2 Kilometern. Und dies im Alter von fünfundsiebzig Jahren plus. Chapeau!

Es versteht sich von selbst, dass László Kova an seinem 80, Geburtstag am 14. November dieses Jahres eine Hommage gebührt. Diese findet in Form einer Ausstellung im Hotel New Living Home in Hamburg-Lokstedt statt. Hier wird eine kleine Auswahl von Kovas Bildern gezeigt. Mit von der Partie ist die Ehefrau des Künstlers Witka Kova, deren einzigartige Aquarelle hier ebenfalls präsent sind. Eine partnerschaftliche Gesamtschau vom Feinsten!

Werfen wir jetzt einen Blick auf die Werke des Künstlerehepaars Witka und László Kova, die leider dem Publikum wegen der Corona Pandemie zurzeit nicht zugänglich sind. Die Auswahl kann kontrastreicher kaum sein. Während László in erster Linie Motive aus nördlichen Regionen gewählt hat, kapriziert sich Witka mehr auf südliche Gefilde. Ihre in Venedig entstandenen Aquarelle machen den morbiden Charme der Serenissima fast körperlich erlebbar. Hier wird auch die dunkle Seite der Lagunenstadt beleuchtet mit ihren bröckelnden Fassaden, die sich in den dunklen Wassern der Kanäle spiegeln. Ausgeführt in jenem sensitiven Duktus, der dem Oeuvre Witka Kovas innewohnt. Auch die Szenen aus dem Hamburger Hafen mit ihren im Nebel liegenden Kränen und Docks tragen die unverkennbare Handschrift der Künstlerin, die sich immer wieder neu erfindet und gern mit verschiedenen Materialien experimentiert. Sie verarbeitet auch Seide und Seidenpapier in ihren Bildern. Traumhaft ist Witkas weiblicher Akt auf rotem Untergrund – gleichermaßen vom Eros und einer zerbrechlichen Unschuld beseelt. Witka wurde 1955 im polnischen Sensburg geboren und studierte als junge Frau Bauwesen. Diesem Studium verdankt sie ihr sicheres Gefühl für Proportionen und Perspektiven, die ihre Aquarelle unverwechselbar machen. Die Mutter zweier Kinder ist Mitglied der Aquarellwerkstatt Hamburg. Ihre Bilder wurden bereits in mehreren Kunstmagazinen veröffentlicht, darunter im Artmagazin Kunsthandel und im Lady-Tagebuchkalender des Münchener Heyneverlags. Zudem veranstalten sie und Ehemann László regelmäßig Mal- und Kunstkurse.

László Kova macht seinem Ruf „Werke voller Lebensfreude“ zu schaffen, alle Ehre. Die explodierenden Farben des Gemäldes „Rapsfeld am See“ lassen auf Anhieb gute Laune aufkommen. Man hat Lust, mitten durch das sonnengelbe Feld zu laufen und in die spiegelglatte Fläche des Sees einzutauchen. Von entspannter Lebensfreude zeugt das Selbstporträt auf einem Steg an der Außenalster, wo der Künstler sich zu einer Schaffenspause mit einem Buch niedergelassen hat. Auch der rote Felsen von Helgoland mit der Langen Anna sowie die Backsteinbauten in der Hafencity dürfen in Kovas vielschichtigem Werk nicht fehlen. Ein Kontrastprogramm zu diesen in kräftigen Farben gehaltenen Gemälden bilden die filigranen Blumen- und Blütenträume, die Kovas Meisterschaft für das Zarte und Vergängliche belegen. Lassen wir an dieser Stelle einen Experten zu Worte kommen: „Kovas Werke strahlen Entschlossenheit, Klarheit, Zuversicht und Optimismus aus. die von dem ungarischen Vollblutkünstler ausgeübte Maltechnik lässt deutlich eine empfindsame Besessenheit von Farbe und Form erkennen.“

Jeder, der die Jubiläumsausstellung besucht, verlässt mit einem Lächeln auf den Lippen das Foyer des Hotels. Und das ist doch schon etwas an diesen trüben Herbsttagen, die uns durch die vielen Einschränkungen unserer Freiheit nicht gerade versüßt werden. Ein Dankeschön geht an die beiden Künstler. An erster Stelle natürlich an den Jubilar, der heute 80 Jahre alt wird. Selbst wenn es etwas abgeschmackt klingen mag. so sagen wir doch nicht ohne Bewunderung: „Achtzig Jahre und kein bisschen müde.“ Herzlichen Glückwunsch, lieber László, bleibe gesund und erhalte Dir Deine schöpferische Kraft bis in das biblische Alter eines Methusalem.

In diesem Sinne…
Der Vorstand der Auswärtigen Presse
im Namen aller Mitglieder

 

Die Ausstellung im New Living Home, Julius-Vosseler-Straße 40 läuft noch bis Ende Dezember 2020. Eintritt frei.

Link zur Website der Künstler: http://www.edition-kova.de/

Ein Lyriker der besonderen Art

Das leichte, hintergründige Lächeln ist verglommen. Der rote Schal hängt am Garderobenhaken, die schwarze Baskenmütze baumelt darüber. Doch der Mann mit diesen äußerlichen Attributen ist gegangen.

Der Arzt und Autor, uns durch viele Auftritte bekannt, hat sich für immer verabschiedet – plötzlich, unerwartet. Wir trauern um Dr. med. Volker Maaßen, am 29. Mai 1943 in Breslau geboren, am 26. Oktober 2020 in Hamburg verstorben.

Dazwischen liegt ein reiches Leben als Arzt und Lyriker: Studium der Psychologie und Medizin in Kiel und Heidelberg. Tätigkeiten als Gynäkologe und Pathologe in Berlin, München und Hamburg. Siebzehnjahre Chefarzt der Frauenklinik in Hamburg-Harburg … Und schon bald startete er seine zweite Karriere, die als Autor launiger Geschichten und lyrisch-hintergründiger Gedichte:

„Wildgänse. Hans, die Wildgans/ war verliebt/ und kühlte/ seine Triebe/ mit Elfriede/ einem Schwan/ kurz bevor der Winter kam …“

Volker Maaßen gewann zahlreiche Gedichtwettbewerbe und wurde in mehreren Anthologien veröffentlicht. Darüber hinaus lässt sich sein besonderer Sarkasmus in seinen Bücher genießen. Und der Lyrikpapst Anton G. Leitner sagte einst. „Der Realpoet Volker Maaßen weiß mit den Mitteln der Satire ebenso sicher umzugehen wie mit den klassischen Elementen der Lyrik.“

Hören können wir Dich nun leider nicht mehr, lieber Volker. Gern wäre ich mit Dir noch einige Male in der Flussschifferkirche zu Hamburg mit Lesungen aufgetreten. Das ist vorbei. Schade!

Uns bleiben die schönen Erinnerungen und ein letzter, stiller Gruß Deiner Freundinnen und Freunde aus den literarischen Institutionen, in denen Du gewirkt hast: Die Gruppe 48 e. V. in Rösraht, die Hamburger Autorenvereinigung e.V., der Verband Schriftsteller in Schleswig-Holstein e.V.

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Wolf-Ulrich Cropp ist stv. Vorstandsvorsitzender der Hamburger Autorenvereinigung e.V.

Foto: Maren Schönfeld