Schluss mit dem Wirtschaftsfeudalismus…

 

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Sahra Wagenknecht, neu entdeckt. Ein Kommentar

Nach „Freiheit statt Kapitalismus“ von 2011, was nach der Finanzkrise 2008 eine der überzeugenderen Schriften aus dem politischen Feld darstellt, ist 2016 mit „Reichtum ohne Gier – wie wir uns vor dem Kapitalismus retten“ ein neues Buch von Sahra Wagenknecht bei Campus erschienen.

Zentral, und dies bemerkt auch das Stadtmagazin HAMBURG WOMAN ganz richtig, sind die darin benannten wirtschaftsfeudalen Strukturen und Mechanismen, die ermöglichen, was Wagenknecht  „leistungslose Spitzeneinkommen“ nennt – dies in Anbetracht von deutscher Kinderarmut und dem, was die Soziologie als Anomie bezeichnet. Hier ist keine schmallippige Spaßverderberhaltung am Werk, sondern eine brisante Gegenwartsdiagnostik, die in den letzten Jahren bereits vielfach seriös erarbeitet wurde. Es handelt sich hier auch nicht um moralische Kategorien, in denen Gier und Neid verhandelt werden, sondern um Zugänge zu gesellschaftswirksamen politischen Setzungen, die von Menschen erzeugt werden und nicht vom Himmel fallen.

Ja, Ludwig Erhard als zentrale Figur in Wagenknechts Verständnis bringt ihr regelmäßig den Vorwurf eines „Zurück in die 70er?“ ein, das total veraltet sei und auch nicht hip und überhaupt. Worum es aber geht, ist nichts weniger als die Rückeroberung des Wirtschaftlichen durch das Politische. Nur all zu bereitwillig haben sich Wagenknechts Kritiker daran gewöhnt, die Wirtschaftssphäre nicht etwa als treibende Kraft, sondern als Primat, das dem Politischen vorausgeht, zu akzeptieren. Nach Hannah Arendt hieße dies, wenn dem so ist, ist das Politische nicht einmal mehr politisch. Die Idee von einer Deutschland-AG konnte wohl nur auf dem Boden einer Schröder-Ära gedeihen, dessen Geschäftsführer wohl jenes fehlte, was Nietzsche „Pathos der Distanz“ nannte, dessen Mangel nur all zu oft mit dem überhöhten Begehr einhergeht, den qualitativen Eliten, möglichst samt Oberschicht-Biographie, anzugehören. Wagenknecht hingegen hat das nicht nötig und erteilt derlei Sperenzien eine souveräne Absage, und das mit stringent volkswirtschaftlicher Argumentation, die dennoch den Menschen darin nicht vergisst. Dazu bedarf es keiner Sentimentalität, sondern Nüchternheit.

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Charmant und locker formuliert HAMBURG WOMAN also, wie Wagenknechts Deutschland aussehen soll. Das Stadtmagazin, dessen Cover übrigens Nadja Atwal ziert (die nicht nur aus Hamburger Polizeikreisen einiges zu berichten weiß, sondern mehr von den USA versteht als manch jahrelanger Korrespondent), trifft Wagenknechts entscheidende Ideen und Analysen und rückt sie in jenes verdiente Licht, das nicht links noch rechts, dafür an den Schnittstellen von Vernunft und Leidenschaft anzusiedeln ist. Vielleicht ist es nun Zeit für eine Querfront der politischen Klugheit… Daher darf gelten: ein Hoch auf politische Querdenkerinnen – und auf gelungene Stadtmagazine!

Ein Traum

von Ferenc Horváth

Unser Mitglied Ferenc Horváth ist ein sehr umtriebiger Mann, der die ganze Welt bereist und
immer interessante Geschichten mitbringt. Diesmal hat er einen ganz großen Bogen geschlagen und ist von Vietnam direkt nach Hamburg zurück geflogen, um sich einen Traum zu erfüllen – ein Konzert in der Elbphilharmonie, kurz Elphi. Hier ist sein Erlebnisbericht:

Bild 1
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Ich bin gerade vor dem Opernhaus in Saigon gestrandet. Kurz zuvor hatte ich mich noch an einer guten Pho-Suppe am Bien Than Markt gestärkt. Auf geht’s zu einer Vorstellung der Gruppe Aio. Das ist eine Mischung aus vietnamesischer Kultur und Elementen des Cirque de Soleil. Ein wahrer Genuss nach all den Gräueln, die ich am Morgen im Kriegsmuseum hatte über mich ergehen lassen.

In Yangon erwartet uns das Weltwunder Shwedagon. Mystik pur umgibt den Besucher. 60 Tonnen Gold leuchten in den unterschiedlichsten Nuancen. Hier vergisst man Zeit und Raum. Hier treffen Mönche und Betende mit Touristen aus aller Welt zusammen. Mit einem kleinen Flieger geht es weiter in Richtung Bagan. Über 3.000 Pagoden und Continue reading „Ein Traum“

„Othello“ by William Shakespeare – The New Play at the English Theatre of Hamburg

by Uta Buhr
Photos: Hans-Jürgen Kock

Are these two really buddies?
Are these two really buddies?

“Oh, bother that classical stuff!” At school, aged between 15 and 16, we preferred modern plays and despised “old stuff.” With one exception. Guess which play it was. Right – Othello! That play written by “the swan of Stratford” thrilled us youngsters, since everybody even at that young age already had their own experience of jealousy and rivalry. It goes without saying that no one among us even spent a thought on scheming like Iago, let alone killing an opponent. So far my own thoughts way back into my days as a teenage girl.

It was a wonderful idea to stage this great drama at the English Theatre which is known in town for the great variety of English and American plays. Six actors are on stage, two of them in three different roles. The stage set is elegant and simple, while the costumes reflect the fashion of the early 17th century. Perfect.

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„Othello“ von William Shakespeare – das neue Stück am English Theatre of Hamburg

von Uta Buhr
Fotos: Hans-Jürgen Kock

Sind diese beiden wirklich Freunde?
Sind diese beiden wirklich Freunde?

Endlich wieder ein Shakespeare auf den Brettern der Bühne an der Mundsburg!

Und noch dazu eine Inszenierung, die von sich reden machen wird. Sechs Schauspieler, zwei gar in drei Rollen, zelebrieren jenes Stück, in dem es um Liebe, Eifersucht, verletzte männliche Eitelkeit und Rache geht. Ein allzu menschliches Drama, das – obwohl vor über vierhundert Jahren geschrieben -nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Der Stoff zu diesem Trauerspiel ist den „Degli Hecatommithi,“ den hundert Novellen des aus Ferrara stammenden Dichters und Philosophen Giraldi Cinzio entlehnt. Die knappe Form der Novelle beeinflusst den Aufbau des Dramas. Die Ereignisse sind auf wenige Tage zusammengedrängt. Für Shakespeare untypisch ist die kleine Zahl der agierenden Personen. Die sonst bei ihm so beliebten Parallel- und Kontrastfiguren fehlen in diesem Stück. Das Publikum konzentriert sich voll und ganz auf die große Leidenschaft des Othello. Diese Leidenschaft ist die Eifersucht, ein beliebtes Motiv in den Dramen des 17. Jahrhunderts. Othello – auch der „Mohr von Venedig“ – ist ein passiver Held, der von seiner krankhaften Eifersucht und dem damit einhergehenden Misstrauen getrieben, am Ende zum Mörder wird. Schuld an dem Unheil ist der Fähnrich Jago, dem Arthur Schopenhauer in seinen Schriften die „außergewöhnliche Bosheit eines Charakters“ attestierte. Continue reading „„Othello“ von William Shakespeare – das neue Stück am English Theatre of Hamburg“