Von Renato Diekmann
Nirgendwo bewegen sich so viele unterschiedliche Verkehrsteilnehmer auf so engem Raum wie in Ortschaften. Fußgänger, Radfahrer, Kinder, Auto- und LKW-Fahrer, Bus- und Motorradfahrer teilen sich diesen Verkehrsraum. Das bedeutet fast zwangläufig ein erhöhtes Konfliktpotenzial und damit leider auch mehr Unfälle.
Stress, Lautstärke, Ablenkung und unübersichtliche Verkehrssituationen sind die wesentlichsten Faktoren, die Verkehrsteilnehmer beeinträchtigen. Hinzu kommen noch besonderer Konfliktzonen wie z. B. Straßenkreuzungen und Einmündungen. Trotz Ampelregelungen, Schildern und klarer Vorfahrtsregeln ereignen sich 60
Prozent aller Unfälle in Ortschaften an Kreuzungen – das sind fast doppelt so viele Unfälle wie außerhalb. Bei Kinderunfällen ist das Verhältnis sogar noch dramatischer. Die Hauptunfallursache sind die nicht angepassten Geschwindigkeiten.
Viele dieser Unfälle lassen sich vermeiden, wenn sich alle Verkehrsteilnehmer aufmerksamer und rücksichtvoller verhalten. Schließlich resultieren die meisten der Unfälle nicht aus Unkenntnis, sondern aus der falschen Einschätzung der Situation, sagt Marion Pieper-Nagel vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat e.V. (DVR).
Deshalb dreht sich die diesjährige Aktion des DVR um den innerörtlichen Verkehr, wo an allen Ecken Gefahren lauern. Z. B. an Bus- und S-Bahn-Haltestellen, wo Autofahrer viel zu wenig auf aus- und einsteigende Personen achten. An Kreuzungen, die für Autofahrer, Radfahrer und Fußgänger häufig schwer überschaubar sind. An Fußgängerüberwege, die von Kindern, Alten, Blinden, Gehbehinderten und Rollstuhlfahrern ungehindert genutzt werden müssen. Und schließlich die Radwege, besonders dann, wenn sie Straßen kreuzen.
Gerade die Zunahme immer älterer Verkehrsteilnehmer bergen Gefahrenquellen. Da die Entwicklung im Alter regelmäßig einige Veränderungen in den sensorischen, kognitiven und motorischen Leistungsfähigkeiten bereit hält, die für eine sichere Fahrzeugführung und Verkehrsteilnahme bedeutsam sind, wird befürchtet, dass sich vermehrte und veränderte Verkehrssicherheitsprobleme ergeben werden, schlussfolgert Professor
Schlag von der Technischen Universität Dresden. Der Verkehrspsychologe bezieht hierbei u. a. nachlassendes Seh- und Hörvermögen, körperliche Beweglichkeit und Belastbarkeit, aber auch Erkrankungen und vermehrter Medikamentengebrauch mit ein und fordert eine bessere Gestaltung der Siedlungsformen, des ÖPN-Verkehrs und
alternative Beförderungssysteme für ältere Verkehrsteilnehmer.
Die Verkehrsberuhigung, die Lichtung des Schilderwaldes und der Abbau von nutzlosen Verkehrszeichen, die häufig eher Verwirrung als Orientierung bieten, tragen zur Verkehrssicherheit aller Verkehrsteilnehmer erheblich bei, meint Kollege Hagen Schüller von der Fakultät Verkehrswissenschaften an der TU Dresden.
Sichere Straßenquerungen und Fußgängerüberwege sind demnach das A und O, um innerorts Raum für alle zu schaffen, bestätigen auch die Experten für Verkehrsplanung und Sicherheit, Dr. Baier und Professor Gerlach. Besonders Ortsdurchfahrten mit hohem Durchgangsverkehr unterliegen hohen Unfallrisiken, die durch geschwindigkeitsdämpfende Maßnahmen wie Mittelinseln oder Kreisverkehre, breitere Bürgersteige und gesonderte Radwege reduziert werden können.
Infos und Gewinnspiel zur DVR Kampagne „Innerorts Raum für alle!?“ finden Sie unter www.dvr.de