Er führte das Feldgrau ein

Vor 75 Jahren starb Karl von Einem, der sich als Kriegsminister gegen mehr Soldaten wehrte

Von Manuel Ruoff

Karl von Einem lehnte als preußischer Kriegsminister eine Heeresvermehrung ab, wurde hierfür seitens der bundesdeutschen Nachkriegsgeschichtsschreibung kritisiert und setzte gegen den Widerstand seines Kaisers und Königs die Grundsatzentscheidung für Feldgrau statt Preußischblau als Uniformfarbe der preußischen Armee durch.
EinemGBWKarl Wilhelm George August Gottfried von Einem entstammte einer hannoverschen Offiziersfamilie. Sein Vater, George August von Einem, war Rittmeister und dessen Vater Oberstleutnant. Und sein anderer Großvater, der Vater seiner Mutter Julie, war Kapitän. Am 1. Januar 1853 kam Karl von Einem im damals noch hannoverschen Herzberg am Harz zur Welt. Nach dem Besuch von Gymnasien in Celle und Hildesheim ergriff er den Beruf seiner Väter, allerdings als Folge des Deutschen Krieges von 1866, der seine Heimat preußisch werden ließ, auf preußischer Seite. Erst in Bensberg und dann in Berlin genoß er eine Kadettenausbildung. 1870 wurde er Angehöriger des Ulanenregiments Nr. 14. Während des Deutsch-Französischen Krieges von 1870/1871 wurde er zum Offizier befördert. Es folgte eine Karriere als Adjutant. Von 1873 bis 1876 war er Regimentsadjutant in Verden an der Aller. Dem schloß sich eine Tätigkeit als Adjutant bei der 8. Kavalleriebrigade in Erfurt an. Über die Adjutantur kam er 1880 ohne Besuch der Kriegsakademie in den Generalstab.
1898 wurde er dann in das Kriegsministerium versetzt. Dort war er unter anderem mit der Organisation des deutschen Expeditionskorps zur Niederschlagung des Boxeraufstandes in China betraut. 1900 wurde er Direktor des Allgemeinen Kriegsdepartements und als Generalmajor Angehöriger der Generalität. Wilhelm II. wurde auf ihn aufmerksam, und als 1903 Heinrich von Goßler fast 62jährig seinen Abschied nahm, wurde er zu dessen Nachfolger als Kriegsminister berufen.
Bemerkenswert ist, daß er sowohl die Forderungen des Generalstabschefs Alfred Graf von Schlieffen auf Vermehrung der Kriegsformationen als auch den Wunsch des Reichskanzlers Bernhard Fürst von Bülows nach einer Aufrüstung des Heeres als Reaktion auf die Erste Marokkokrise von 1905/06 ablehnte. Er begründete seine Haltung mit der schlechten Situation der Staatsfinanzen und den wachsenden Kosten des Schlachtflottenbaus. Einen Kriegsminister, der sich wie dieser Preuße gegen eine Aufrüstung wehrt, wird man in der heutigen Zeit, wo sich die Kriegs- euphemistisch Verteidigungsminister nennen, wohl lange suchen müssen.
Nicht weniger bemerkenswert ist, daß dem preußischen Kriegsminister diese Ablehnung einer Aufrüstung in der „Neuen Deutschen Biographie“ und damit dem biographischen Nachschlagewerk der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft zum Vorwurf gemacht wird. So wird dort das von Einem verantwortete Unterbleiben einer ins Gewicht fallenden Erhöhung der deutschen Friedenspräsenzstärke als ein „Versäumnis“ bezeichnet, „welches auch durch die Wehrvorlagen 1912 und 1913 bis zum Ausbruch des 1. Weltkrieges nicht aufgeholt werden konnte“.
Einem war der Ansicht, daß die organisatorische Entwicklung des Heeres im wesentlichen abgeschlossen sei und Qualität nicht durch Quantität in Frage gestellt werden dürfe. Hierzu paßt, daß er statt in mehr Soldaten in bessere Ausrüstung investierte. So wurde ab 1907 in Preußen eine Felduniform eingeführt, die mit Feldgrau statt Preußischblau dem fortschrittlichen internationalen Trend jener Jahre zur Umstellung auf Tarn- als Uniformfarben Rechnung trug. Auf Vorschlag seines Kriegsministers befahl der zögernde Kaiser als erstes Versuche bei Kompanien des I., III. und XVI. Armeekorps. Die Ergebnisse führten zur Einführung feldgrauer Felduniformen, die zunächst zwar nur als Kriegsgarnitur auf Kammer gelegt wurden, aber auch schon vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges bei Kaisermanövern getragen wurden. Bis 1910 stand feldgraue Bekleidung für die gesamte preußische Armee zur Verfügung, und die Heere der anderen deutschen Bundesstaaten folgten diesem Beispiel sehr rasch.
Gleichfalls fällt in Einems Amtszeit die Einführung des MG 08 als erstes Standardmaschinengewehr. Auf diese Waffe geht indirekt der Begriff „nullachtfünfzehn“ zurück, denn 1915 wurde auf der Basis des MG 08 ein leichteres Maschinengewehr entwickelt, und diese Standardwaffe trug die Bezeichnung „MG 08/15“. Des weiteren sorgte er für eine Verstärkung der schweren Artillerie des Feldheeres und einen Ausbau der Festungen.
Mit der Stunde seines Regierungschefs Bülow schlug auch die seine als Kriegsminister. Wie Bülow wurde auch er 1909 von seinem Regierungsamt entbunden.
Bereits während seiner Ministerzeit 1907 zum General befördert, übernahm er nun das Kommando über das im westfälischen Münster stationierte VII. Armeekorps. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte Einem sein Korps im Verbande der 2. Armee durch Belgien und Nordfrankreich bis über die Marne. Nach dem Rück­zug an die Aisne wurde er noch im ersten Kriegsjahr zum Oberbefehlshaber der 3. Armee ernannt. In dieser Funktion leitete er die Abwehrkämpfe in der Champagne zwischen Reims und den Argonnen gegen die starken, aber erfolglosen Durchbruchsversuche der Franzosen vom Herbst 1915 und Frühjahr 1917. Unter seiner Führung war die 3. Armee allerdings auch Mitte Juli 1918 an der fehlgeschlagenen letzten deutschen Offensive beiderseits Reims beteiligt. Beim Rückzug der Westfront in die Maas-Antwerpen-Stellung, die der erfolglosen Sommeroffensive im Herbst folgte, nahm Einem seine von den Amerikanern hart bedrängte Armee hinter die Maas zurück. Als am 11. November 1918 im Walde von Compiègne festgelegt wurde, daß noch am selben Tage die Feindseligkeiten eingestellt und innerhalb der darauffolgenden 17 Tage die linksrheinischen Gebiete sowie die rechtsrheinischen Garnisonen Mainz, Koblenz und Köln durch französische Truppen besetzt wurden, blieb Einem als letzte Aufgabe, die ihm unterstellte Heeresgruppe Deutscher Kronprinz auf das rechte Rheinufer zurückzuführen.
Wie viele Preußen und Deutsche, die sich in den Aufstieg des Kaiserreiches eingebracht und darin auch aufgegangen waren, traf ihn die Behandlung des Reiches durch die Sieger des Ersten Weltkrieges schwer. „Damit war Deutschland verloren, seine Armee dahin und unser aller Leben zerbrochen“, lautete sein deprimierender Kommentar. Nach dem Kriege engagierte sich Einem in dem am Tage der Novemberrevolution vom Schriftsteller Ernst Pfeiffer in Berlin gegründeten Bund der Aufrechten, dessen Ziel die Wiederherstellung der Monarchie war. Kurz vor seinem Tode übernahm Einem noch den Vorsitz in dieser Vereinigung, die es mit ihrer Kaisertreue sowohl in der Weimarer Republik als auch im Dritten Reich schwer hatte. In Mülheim an der Ruhr, das sich Einem als Ruhesitz gewählt hatte, verstarb der preußische Offizier am 7. April 1934 um 4 Uhr in der Frühe.